Ruß macht krank

Luftverpester Dieselfahrzeuge Allergikern könnte der serienmäßige Einbau von Abgasfiltern das Leben wesentlich erleichtern

Wolfgang Werner* aus Essen schließt bei jedem vorbeifahrendem Kraftfahrzeug das Fenster. Die Abgase könnten sein Todesurteil sein. Schon bei der geringsten Menge von ungefilterten Dieselabgasen bleibt ihm die Luft weg.

Der heute 58-Jährige war bis 1988 verbeamteter Fernmeldetechniker. Im Hof des Fernmeldeamtes fuhren Postautos ein und aus. Dieselfahrzeuge. Als er seinen Dienst antrat, wusste er nicht, warum ihm oft übel wurde und seine Gesichtsmuskeln zuckten. Das Klima unter den Kollegen war gut, seine Arbeit machte ihm Spaß. Um seine angeschlagene Gesundheit wieder herzustellen, verbrachte er 1976 die Ferien mit seiner Familie in den Schweizer Alpen. Durch einen Zufall merkte er dort, dass Diesel seine Gesundheit schädigt.

In luftiger Höhe, fern ab von Stress und Umweltschäden, lief das Ehepaar Werner auf einem Bergweg. Neben ihnen mühte sich ein Trecker mit Anhänger bergan. Wolfgang Werner wurde übel, die Glieder fingen an zu kribbeln, das Gesicht zuckte, das Gesichtsfeld schränkte sich ein wie beim Tunnelblick, alles vernebelte, der Kreislauf versagte. Angst stieg auf. Die Symptome kannte Herr Werner schon länger. Als sie endlich zurückwichen und er wieder frei denken konnte, fiel ihm schlagartig eine lange zurückliegende Situation ein. Er hatte als Lehrling stundenlang in unmittelbarer Nähe eines laufenden Dieselmotors gestanden. Das Geräusch ist ihm noch im Ohr und der Geruch in der Nase. Auch damals setzten die gleichen Symptome ein. Was aber war hier in den Bergen der Auslöser? Das einzige, was es sein konnte, war der Trecker, der vorbeigefahren war. Der Dieselgeruch, das war´s.

Die Schweizer Ferien wurden zum Schlüsselerlebnis. Ab jetzt schützte Werner sich vor Dieselabgasen. An seinem Arbeitsplatz wurde dies nicht akzeptiert. Dabei ging er ganz pragmatisch vor. Er reichte verschiedene Vorschläge ein, wie man die Belegschaft vor den Dieselabgasen schützen könne. Die Entscheidungsebenen verstanden die Tragweite nicht. Sie übersahen "den Einzelfall". Bei Werner verstärkten sich die Symptome. Zogen zu viele Dieselabgase durch die Arbeitszimmer, veränderte sich die Sehfähigkeit und die Sehkraft ging um 15 Prozent zurück. Die Muskeln zuckten, auch wenn er sich den Abgasen schon entzogen hatte. Fünf Minuten lang ging das, und dann setzten starke Kopfschmerzen ein. Werner gab seine Verbeamtung auf. Er wollte weiterleben.

Wolfgang Werner baute sich eine neue Existenz als Bestatter auf, bis auch hier die Umwelteinflüsse ihn lahm legten. Heute bezieht er Arbeitslosengeld II. Kein Arbeitgeber kann ihm dieselabgasfreie Räume und Wege garantieren. Seine Aufgabe sieht er darin, praktisch aufzuklären. Aus der Fachliteratur zu Diesel entwickelte er ein Computerprogramm, in welches man eine Anzahl von Dieselfahrzeugen eingibt. Heraus kommt zum Beispiel wie viel Formaldehyd und andere Stoffe an einer befahrenen Straße ungefiltert aus den Kraftfahrzeugen in die Luft gelangen. Interessanter Weise finden sich in der Straßenluft Stoffe wieder, die bei Medikamenten und Kosmetikartikeln längst ausgemustert wurden.

Diesen Zusatzstoffen und Additiven, die Diesel-Kraftfahrzeuge unverbrannt und am Ruß angedockt herauspusten, kann sich Wolfgang Werner nicht mehr aussetzen. Für ihn würde das das über kurz oder lang den Tod durch Ersticken bedeuten. Nach draußen geht er nur mit vielen Stofftaschentüchern und Gasmaske. Dabei könnte alles so einfach sein.

Als die Essener Polizei neue Wagen mit Dieselrußfilter erhielt, bat er um einen Versuch. Er stellte sich bei laufenden Diesel-Motoren in die KFZ-Halle der Werkstatt. Alle waren aufgeregt. Wo ihn sonst kleinste Mengen der Abgase an den Rand des Erstickungstodes und sein Herz zum Rasen bringen, konnte Werner frei atmen. Auch die Tage danach traten keine gesundheitlichen Schäden ein. "Gäbe es eine Filterpflicht, wären vielen Kranken geholfen", sagt Werner. Er sorgt dafür, dass alle entscheidenden Stellen seinen "Fall" kennen; von der Kraftstoffindustrie über die deutsche Autoindustrie bis zur Bundesregierung. Er telefoniert mit allen.

*Name verändert


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