Russische Filme in Berlin

Festival Knapp 200 Filme werden jährlich in Russland gedreht, die meisten mit staatlicher Unterstützung. Was die Russische Filmwoche davon gerade präsentiert ...

Knapp 200 Filme werden jährlich in Russland gedreht, die meisten mit staatlicher Unterstützung. Was die Russische Filmwoche davon gerade präsentiert hat, taugte als Ausgleich, gar zur Korrektur des eindimensionalen Bildes vom Putinland. Das russische Kino hat sich wieder den Menschen zugewandt. In den wirren Nachwendezeiten blieb das Elend vor allem Produktionen mit schmalem Budget vorbehalten, groß und teuer gefeiert wurde hingegen der smarte Übermensch mit Limousine und Mittelmeer-Teint. Der räumt nun den Platz auf der Leinwand für überforderte Frauen und Kinder.

Für Kuka etwa, ein sechsjähriges Mädchen. Es verliert mit dem Tod der Oma seine letzte Bezugsperson und bleibt allein in einer großen Stadt zurück. Der Film Kuka des Werbefilmers Jaroslaw Tschewaschewskij erzählt, wie das Mädchen den schwierigen Alltag bewältigt. Dafür, dass das ansonsten anspruchslose Melodram mit Happy End den Zuschauer packt, sorgt die kleine Darstellerin: Sie spielt im Unterschied zu manchen "Großen" anrührend und überzeugend.

Eine ähnliche Problematik berührt Reise mit Haustieren. Als junges Mädchen wurde Natalja aus dem Kinderheim heraus verheiratet in das trostlose und einsame Haus eines Bahnwärters. Erst mit dessen Tod beginnt für Natalja das Dasein. Sie entdeckt ihren Körper, kauft sich schöne Kleider und versucht, das bunte Leben aus Fernsehen und Illustrierten nachzuholen, das sie bisher verpasst hat. Ein sprach- und geschlechtsloses Wesen verwandelt sich vor unseren Augen in eine schöne, selbstbewusste Frau. Das in Moskau und Cottbus ausgezeichnete Werk von Vera Storoschewa und der künstlerisch ambitionierte Film Zwei in einem von Kira Muratowa, der Mutter des russischen Autorenkinos, repräsentierten in Berlin das russische Frauenkino.

Der Vater von Iwan Solowow lässt sich dem vielleicht auch zuordnen. Der Film spielt unmittelbar nach Kriegsende und behandelt die Frauennot im Krieg. Überhaupt war und ist der Zweite Weltkrieg weiterhin ein wichtiges, patriotisch aufgeladenes Symbol in Russland. Dem stillen, subtilen Film Der Vater allerdings liegt Heroismus fern. Er schildert die Rückkehr von der Front nach Hause, zu den von der Einsamkeit überforderten Frauen und Kindern mit ihren vom Kummer gealterten, rau gewordenen Seelen. Der Film besticht durch seine wunderbaren Dialoge (basierend auf einer Novelle des großartigen russischen Autors Andrej Platonow) und seine dezente Bildersprache.

Die Komödie Liebe, Lust und Frust unter Regie von Walerij Todorowskij war in diesem Jahr einer der größten Publikumserfolge in Russland. Marina und Andrej, ein gutsituiertes Paar, erleben eine Ehekrise. Bevor es zur Scheidung kommt, erwacht eines Morgens der Mann als Marina und sie als Andrej. Nun müssen sie lernen, Körper und Wünsche des anderen als eigene wahrzunehmen, um wieder zueinander zu finden. Ein leichter Film, etwas zu lang, aber recht witzig. Man könnte sich vorstellen, dass er auch hier Erfolg haben könnte. Allerdings beklagen russische Produzenten, dass der Durchbruch auf den westlichen Filmmarkt schwierig sei.

Auffallend in diesem Jahr war die Vielfalt an verschiedenen Genres. Russisches Spiel von Pawel Tschuchrej kommt als Verfilmung einer Gogol-Novelle als Kammerspiel daher. In der Klemme von Walerij Todorowskij dagegen ist ein lauter, farbenfroher, dynamischer Thriller, der im Drogenmilieu einer südrussischen Stadt spielt. Der charismatische, blutjunge Musiker Denis gerät in Drogengeschäfte, die ihn immer tiefer in den Abgrund ziehen. Denis nimmt ein Angebot der Miliz an und denunziert seinen Paten, den Drogenbaron. Trotz seines recht aufdringlichen Anti-Drogen-Pathos (der Film wurde von der staatlichen Anti-Rauschgift-Behörde finanziell unterstützt) wurde der schnelle und spannende Film vom jungen einheimischen Publikum angenommen.

Das russische Kino boomt. Dank oder trotz der gelenkten Demokratie? Die Frage bleibt offen.

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