Sieben Prozent
Mit dem Argument, die 1990/91 begonnene Übergangsperiode sei vorbei, wurde im November 2006 die bis dahin übliche Wahl von Direktkandidaten für die Staatsduma und damit auch eine Melange aus Direkt- und Listenwahl abgeschafft. Mit dem Votum vom 2. Dezember werden demnach die 450 Mandate im russischen Unterhaus erstmals proportional zum Stimmenanteil der Parteien vergeben. Wer nicht auf einer Liste oder Listenverbindung steht - dem ist der Weg ins Parlament verwehrt. Mit dem neuen Wahlgesetz wurde zugleich die bisher mögliche Wahl-Variante "Gegen alle" gestrichen und das Mindestquorum für die parlamentarische Präsenz einer Partei von fünf auf sieben Prozent angehoben. Es gibt zudem klar definierte Kriterien, die zum Ausschluss einer Partei von der Duma-Wahl führen können. Unter anderem sind das politischer Extremismus, Korruption und Steuerhinterziehung durch führende Mitglieder einer Partei oder die Beteiligung an Kapitalverbrechen.
Parallel zum Wahl- wurde 2006 auch das Parteiengesetz neu gefasst: Von den 35 bis dahin offiziell registrierten Parteien sind seither nur noch all jene zugelassen, die entweder landesweit mehr als 50.000 eingeschriebene Mitglieder oder mindestens 500 Mitglieder in allen Regionen vorweisen können. Die Direktmandate seien ein Grund für die Käuflichkeit von Abgeordneten und einen häufigen Fraktionswechsel gewesen, wurde der Übergang zum ausschließlichen Verhältniswahlrecht begründet. Es solle mehr Transparenz der Partei- und Parlamentsorgane geben.
Fusionen von kleinen Parteien werden unter Berufung auf die neue Gesetzeslage als Neugründungen gewertet. Das heißt: Wer sich neu formiert, muss eine neue Registratur beantragen und kann dabei scheitern.
Die "Monetarisierung"
Ende 2004 hatte die Regierung mehrere Gesetze beschlossen, mit denen faktisch die Sozialleistungen für 40 bis 45 Millionen russische Bürger beseitigt wurden. Statt der bis dahin üblichen Sachleistungen und Vergünstigungen sollten die Betroffenen - Rentner, Behinderte, Kriegsveteranen, Kriegsopfer, Studenten und Wehrdienstleistende - nur noch Geldleistungen mit einem wesentlich geringeren Wert erhalten. Zudem wurden die Sozialleistungen in zwei Kategorien unterteilt - es gab danach etwa 14 bis 18 Millionen Menschen mit Anspruch auf zentrale und 20 bis 25 Millionen mit Anspruch auf regionale Leistungen. Auf dieser Basis wurden im Föderationshaushalt Einschränkungen bei Sozialleistungen vorgenommen.
Die Proteste dagegen widerlegten die Behauptung, die Bevölkerung Russlands finde sich passiv mit ihrem Schicksal ab und sei von der offiziellen Propaganda gelähmt. Unter dem Eindruck der Gegenwehr verkündete Sozialminister Michael Subarow im März 2005, dass bestimmte Schritte zur "Monetarisierung" zunächst ausgesetzt blieben und eine vergünstigte Monatsfahrkarte für alle Pensionäre eingeführt werde.
Führer der Nation
Noch ist unklar, ob und wie Wladimir Putin nach den Parlaments- und Präsidentenwahlen der russischen Politik erhalten bleibt. Es wäre eine Stellung denkbar, die an den chinesischen Chefreformer Deng Xiaoping während der achtziger Jahre erinnert. Der war seinerzeit weder Generalsekretär der KP Chinas noch Präsident oder Premier der Volksrepublik, konnte aber als Chef der Zentralen Militärkommission die entscheidende Instanz im Hintergrund sein.
Die Kreml-Partei Einiges Russland tritt im Wahlkampf mit dem Slogan "Erfüllung des Putin-Plans" auf und beteuert, man beziehe sich damit auf "den Kurs, der seit sieben Jahren erfolgreich verfolgt wird". In Moskau deutet vieles darauf hin, dass die Gründung einer Bewegung Sa Putina (Für Putin) bevorsteht und den Weg hin zu einer neuen Mission für den Präsidenten ebnen soll. Der Tschetschene Chakim Sultygow, ein Mann aus der mittleren Führungsebene von Einiges Russland, hat angeregt, man solle Putin auf einem gesamtrussischen Sobor zum "nationalen Führer" wählen und damit eine Tradition wiederbeleben - bis in das 18. Jahrhundert hinein war der Sobor so etwas wie eine russische Reichsversammlung.
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