Sie gehören in die lange Reihe enttäuschter westlicher Hoffnungen: die russischen Soldatenmütter. Zumindest sie sollten doch aufbegehren gegen Putins Feldzug in der Ukraine, schließlich sind es auch ihre Söhne, die in diesem verbrecherischen Krieg sterben! Doch bis auf vereinzelte Proteste blieben die Soldatenmütter bislang still. Das war mal anders.
Vor allem im ersten Tschetschenienkrieg Mitte der Neunzigerjahre bildeten die Mütter der zumeist sehr jungen Soldaten das wohl wichtigste gesellschaftliche Gegengewicht in Russland. Von vielen einzelnen Organisationen vereinigten sich einige zur „Union der Komitees der Soldatenmütter Russlands“. Sie wagten einen Protestmarsch nach Grosny, erhielten den alternativen Nobelpreis, wurden von Moska
von Moskau als Gesprächspartnerinnen anerkannt.Auch 2014, als der Kreml den Einsatz im Donbass bestritt, erklang die laute Stimme der Soldatenmütter. Dann wurde das Komitee als „ausländischer Agent“ geführt. Heute stehen die Mütter-Organisationen im üblichen Zangengriff des Kreml: harte Repressionen gegen unbequeme Stimmen, finanzielle Förderung für linientreue Regionalabteilungen. Ein Aufruf ukrainischer Soldatenmütter an ihre russischen Leidensgenossinnen lief ins Leere.Warum es in Russland die Mütter sind, die sich für ihre Söhne einsetzen – oder eben nicht –, liegt in der Geschichte begründet: Schon zu Sowjetzeiten wurde ihnen abverlangt, Vollzeit zu arbeiten und sich zugleich um die Kinder zu kümmern. Als in den 1990er Jahren viele Familien zerfielen, waren es wieder die Mütter, die sich zu kümmern hatten. So gibt es heute eine Gruppe, deren Schweigen im Krieg gegen die Ukraine noch lauter rauscht als das der Mütter: das Schweigen der Soldatenväter.