Russland: Von innerer und äußerer Emigration

Bestandsaufnahme Repression und wenig Aussicht auf Erfolg: Warum es in Moskau derzeit keine größeren Anti-Kriegsproteste gibt und warum dieser Krieg eine wahre Katastrophe ist, weiß der Soziologe Grigori Judin
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 08/2023
Ein Plakat in Russland bewirbt die russische Armee als „Armee der Profis“
Ein Plakat in Russland bewirbt die russische Armee als „Armee der Profis“

Foto: Yuri Kadobnov/AFP via Getty Images

Kollegen haben wegen des Krieges Russland verlassen, der bekannte Soziologe Grigori Judin ist bis heute geblieben. Er gehört zu den wenigen, die sich trotz eines immer stärkeren Drucks noch trauen, öffentlich eine abweichende Meinung zu vertreten. Dieser Krieg habe ihn tief getroffen, resümiert er. Das sei „eine wahre Katastrophe für Russland. Alles, was ich zuvor getan habe, verlor seinen Sinn“, meint der 40-Jährige. Er beobachte, wie augenblicklich Geschichte umgeschrieben werde. Eine Gruppe aus der offiziellen Politik tue fast so, als habe die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg eine westliche Einheitsfront besiegt. Und jetzt wolle der Westen Rache.

Ansonsten hat sich der Alltag in Russland, vor allem in den größeren Städten, kaum ver