Russlands Opelaner

Sberbank Das austro-kanadische Unternehmen Magna kann sich nur 20 Prozent der Opel-Anteile leisten. 35 Prozent soll die russische Sberbank bekommen, und die hat viel damit vor

Wenn wie geplant das Konsortium unter dem Autozulieferer Magna künftig die Geschicke von Opel bestimmt, wird auch die Moskauer Sberbank als Finanzinvestitor und Akteur mit von der Partie sein. Ihr Vorstandvorsitzender German Gref ist nicht nur als äußerst ehrgeizig bekannt, sondern auch politisch gut verdrahtet. Einst saß er als Jura-Student in den gleichen Hörsälen der Petersburger Universität wie der heutige Premier Wladimir Putin, zu dem er nach wie vor einen engen Kontakt pflegt. Beobachter zweifeln nicht daran, dass der Opel-Einstieg auf den Höhen der Moskauer Politik eingefädelt wurde.

Die russische Industrie muss auf Weltmarktniveau gebracht werden – so lautet offenbar der Marschbefehl, den Wladimir Putin und sein einstiger Minister German Gref ausgegeben haben. Dazu braucht das Land eine konkurrenzfähige Autoindustrie, zumal Russland nach der jetzigen Krise Europas größter PKW-Markt sein könnte. Lada-Hersteller Awtowas, der einzige ernsthafte Wettbewerber auf dem nationalen Markt, war zwar mit mehr 650.000 verkauften Fahrzeugen auch 2008 der mit Abstand größte einheimisch Autobauer. Doch gilt der Renault-Partner als ineffizient und auf Modelle fixiert, die weit unter Weltniveau liegen. Folglich verliert Awtowas seit Jahren Marktanteile an ausländische Hersteller, die in Russland siedeln und fertigen.

In fünf Jahren eine Million Opel

Die Hoffnung heißt GAZ, die Abkürzung für das Gorki-Autowerk im heutigen Nischnij Nowgorod, sechs Fahrstunden östlich von Moskau. Der Konzern baute früher den populären Sowjet-Mercedes Wolga, dessen Neuauflage Siber im Vorjahr nicht den gewünschten Erfolg brachte. GAZ verdient sein Geld vorrangig mit Kleintransportern des Typs Gazelle, tut das aber mehr schlecht als recht – der Konzern hat mehr als eine Milliarde Euro Schulden und bezahlt seit 2008 nur noch teilweise Rechnungen.

Der Oligarch Oleg Deripaska, der die Mehrheit an GAZ hält, ist auf Finanzhilfe der Regierung angewiesen, doch scheint ihm Putin inzwischen so wenig zu trauen, dass er nicht direkt an Opel beteiligt wurde. Die russische Trikolore wird in Rüsselsheim die Sberbank hissen. Dennoch soll GAZ als „technologischer Partner“ des Finanzinstituts die Opel-Modelle in Russland für Russland produzieren. Im Magna-Konzept ist davon die Rede, binnen fünf Jahren eine Million Opel über die eigenen Fließbänder laufen zu lassen. Ob das klappt, ist zu bezweifeln. Auf dem russischen Markt lassen sich letzten Prognosen zufolge 2009 kaum mehr als eine Millionen Autos verkaufen. Selbst wenn das Marktvolumen nach der Krise wieder auf drei Millionen steigen sollte, wird es Opel kaum gelingen können, ein Drittel des Marktes allein zu kontrollieren.

Magna ins Lenkrad greifen

Soviel steht fest, der groß angelegte Aus- und Umbau der Gorki-Werke würde viele Kreditmilliarden kosten. Geld, das die Sberbank eher in die Rettung angeschlagener russischer Banken und kleinere Investitionsprojekte steckt. Doch das Ziel, die einheimische Autoindustrie voranzubringen, gilt als gesetzt. Die Sberbank soll den Kraftakt finanzieren und dürfte hierfür als Staatsbank auch die nötigen Milliarden aus den Kreml-Kassen bekommen. Über das Kontrollpaket an Opel hat sich German Gref das Recht verschafft, auf deutsches Know-how zuzugreifen. Mit Argusaugen wird die Regierung Putin darüber wachen, dass es wirklich geschieht.

Ob das mittelfristig in Deutschland mehr Arbeitsplätze kostet als die angekündigten 2.200, bleibt abzuwarten. Bis dahin dürfen Magna-Manager den Opel-Konzern zwar eigenhändig steuern – die russischen Financiers werden ihnen aber ins Lenkrad greifen. Mit der Rolle des reinen Finanzinvestitors werden sie kaum abzufinden sein.

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