FREITAG: Ein Krieg der USA gegen den Irak scheint unausweichlich. Wie erklären Sie die Entschiedenheit, mit der die Amerikaner bei ihrer Absicht bleiben?
GERT WEISSKIRCHEN: Es scheint wohl klar zu sein, dass der Irak über Massenvernichtungswaffen verfügt und wenn der Irak der Meinung ist, dem sei nicht so, dann muss er alles tun, um den Sicherheitsratsresolutionen (es gibt ja fast ein Dutzend) zu folgen. Es käme darauf an, eine vollständige und rückhaltlose Inspektion zuzulassen. Das wird dann auch abwenden, wovor alle Sorge haben - das hat die Senatsanhörung gerade ergeben - nämlich, dass es zu einem Krieg kommt.
Nach Aussage des ehemaligen UN-Inspektors Scott Ritter verfügt der Irak über keine nennenswerten Massenvernichtungswaffen mehr.
htungswaffen mehr. Herr Ritter ist durchaus ein verlässlicher Beobachter, dennoch denke ich, um rückhaltlos alle Sorgen und Bedenken auszuräumen, die von anderen geäußert werden, beispielsweise von Richard Butler (*) - und der ist kein Kriegstreiber - muss der Irak sich dem beugen, was der Sicherheitsrat beschlossen hat. Der Irak hat angeboten, Gespräche über Waffeninspektionen wiederaufzunehmen zu drei Bedingungen: Einer Beendigung der amerikanischen Drohungen, einem Ende der amerikanischen und britischen Überwachungsflüge in den Flugverbotszonen des Irak, einer nuklearen Abrüstung im Nahen Osten. Was ist daran so falsch? Falsch ist auf jeden Fall, dass der Irak beginnt, Bedingungen sine qua non zu formulieren. Saddam Hussein ist nun alles andere als eine Friedenstaube. Er hat immerhin 180.000 Menschen auf seinem Gewissen, die er in seinem eigenen Land ermorden ließ. Insofern glaube ich, dass er kein allzu großes Recht hat, von sich aus Forderungen zu formulieren. Eher ist es umgekehrt, die internationale Staatengemeinschaft muss darauf achten, dass er die Bedingungen einhält, die der Weltsicherheitsrat seit 1991 festgelegt hat. Kanzler Schröder lehnt eine deutsche Beteiligung ab, Außenminister Fischer spricht von falscher Prioritätensetzung - der Kampf gegen den Terror stünde an erster Stelle. Die USA haben aber doch längst den Krieg gegen den Irak als Kampf gegen den Terror deklariert. Ich glaube schon, dass der Außenminister das richtig formuliert hat, vor einer militärischen Intervention - so sie je ins Kalkül gezogen wird - müssen eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllt sein: Öffnung der Grenzen, Inspektionen müssen rückhaltlos möglich werden. So wird eine militärische Intervention zu vermeiden sein. Ungeklärt ist auch: Was soll denn geschehen, wenn interveniert worden ist? Mit welchen Gruppierungen innerhalb des Irak kann man denn überhaupt versuchen, eine Demokratie aufzubauen. Die wichtigste Frage ist völlig ungeklärt: Was geschieht in der Region? Welche Probleme werden durch eine mögliche Intervention ausgelöst? Bei einer Umfrage fanden es nur 30 Prozent der Befragten in Deutschland richtig, der US-Armee logistische Unterstützung bereitzustellen. Wird die Bundesregierung diese Unterstützung verweigern? Ich denke, alles muss eingebettet sein in eine vernünftige, überzeugende politische Strategie. Die ist bisher in den USA wirklich nicht zu erkennen. Bevor dies nicht im Bündnis debattiert wird, sollte man kein Signal an die USA geben, dass man irgendeine Hilfestellung gibt. Es gibt immerhin die deutschen ABC-Spürpanzer in Kuwait, die da auch bleiben sollen. Die würden dann möglicherweise zur Hilfe der Amerikaner eingesetzt. Anders muss man fragen. Wie würde es interpretiert, wenn jetzt die Bundesrepublik diese eng begrenzte defensive Operation der Bundeswehr zurückziehen würde? Könnte das nicht als eine Verweigerung missverstanden werden, als Verweigerung, sich einer politischen Debatte im transatlantischen Kontext zu stellen? Wenn wir denn alle fordern, dass die USA multilateral handeln sollen, dann können wir nicht selbst ein unilaterales Signal geben. Was ist, wenn man durch die stationierten Spürpanzer in eine Konfliktsituation hineingezogen wird? Wenn - aber dieser Konflikt ist ja nicht vorhanden ... Noch nicht ... Nun, hier wird nicht geschossen, sondern hier wird verhandelt. Und darauf kommt es an. Der Krieg gegen Irak scheint Wahlkampfthema zu werden. SPD und Grüne äußern sich dagegen, während die Union uneinig ist. Ein letzter Versuch des Regierungslagers, im Wahlkampf noch zu punkten? Das ist völlig abwegig, unsere jetzige Haltung hatten wir schon vorher. Sie erinnern sich vielleicht an die Entscheidungen, die wir im vergangenen Jahr getroffen haben. Etwa bei Enduring Freedom haben wir ausgeschlossen, dass deutsche Truppenkontingente in einen vergleichbaren Konflikt hineingezogen werden können. Genau deshalb haben wir nach dem 11. September die Beschlüsse so wasserdicht gefasst, dass eben dieser "Fall Irak" ausgeschlossen ist. Von daher halte ich das für eine völlig abwegige Annahme, dies in die Nähe des Wahlkampfs zu ziehen. Der Konflikt wurde ja im Wahlkampf bislang vermisst - gerade in dieser Frage zeichnen sich nun deutliche Unterschiede zur Opposition ab, und es sieht doch so aus, als ob man darüber versucht, Profil zu gewinnen. Wer will denn hier Profil gewinnen? Wir haben das Profil, und daran hat sich nichts geändert. Wenn hier jemand Profil gewinnen will, müssen Sie die Union fragen. Dort wollen einige einfach, ohne Prüfung, den USA zustimmen. Andere wiederum beziehen eine andere Position. Der Widerspruch liegt bei der Union, nicht bei der Regierung. Das Gespräch führte Connie Uschtrin (*) Der Australier war von Juni 1997 bis Juni 1999 Chef der UNSCOM-Inspektorengruppe im Irak.