Es wird zum Schicksalsjahr für Indonesien - 1965 hat Präsident Sukarno den Gipfel seiner präsidialen Macht erreicht, er gilt als einer der Mentoren der Nichtpaktgebundenen-Bewegung und versucht - zusammen mit der Volksrepublik China - eine »Front der aufstrebenden Weltkräfte« (Nefos) zu formieren, die sich besonders gegen den Einfluss der USA im pazifischen Raum richtet, während Indonesien selbst einen wirtschaftlichen Niedergang erlebt.
Mit einem Putschversuch unter Führung von Oberstleutnant Untung in der Nacht vom 30. September zum 1. Oktober 1965 eskaliert schlagartig die innere Krise, die sich seit Monaten als Dreieckskonflikt zwischen Sukarno, der Kommunistischen Partei (PKI) und den antikommunistischen Fraktionen der Armee entlädt. Der Put
t. Der Putsch vom 30. September, der sich nicht unmittelbar gegen Sukarno zu richten scheint, wird innerhalb weniger Tage vom KOSTRAD - dem Kommando der Strategischen Reserven - unter Führung des bis dahin unbekannten Generals Suharto niedergeschlagen. Ein Vorgang, der nicht nur die Entmachtung Sukarnos einleitet, sondern auch zu einer landesweiten Verfolgung der PKI führt - damals neben der KP Chinas die größte kommunistische Partei Asiens (etwa 450.000 - 500.000 Mitglieder), die mit drei Ministern an der Regierung Sukarno beteiligt istDie Generalität um Suharto beschuldigt die KP-Jugendliga PEMUDA RAKJAT während des Untung-Putsches für den Lynchmord an mehreren Generälen in Lubang Buaja verantwortlich zu sein - sie erklärt der Partei »einen Krieg auf Leben und Tod«. Was sich daraufhin in den folgenden Monaten abspielt, gerät zum großen Abschlachten - von der Armee zynisch »Musim Parang - Saison der Hackmesser« genannt. Mehr als 100.000 PKI-Mitglieder und Sympathisanten fallen moslemischen Todesschwadronen und der Armee zum Opfer - darunter der Parteivorsitzende Dipa Nusantara Aidit und dessen Stellvertreter Lukman. Die Tötungsaktionen konzentrieren sich auf Zentraljava, das als KP-Hochburg gilt, weiter auf Ostjava, Sumatra und Bali. Wer die Pogrome überlebt, verschwindet in riesigen Konzentrationslagern auf den Molukken und wartet auf einen Hochverratsprozess, der in der Regel mit dem Todesurteil endet. Die Angehörigen der Ermordeten werden nicht selten ihrer bisherigen Wohnorte verwiesen und gesellen sich zu einer bald unübersehbaren Schar Entwurzelter, die langsam zugrunde gehen. Angefacht wird dieser Amoklauf durch fanatische Moslemgruppen, die in den Moscheen des Archipels zum Djihad - zum »Heiligen Krieg« gegen den Kommunismus - rufen, ihr Slogan lautet: Dies ist der Tag - und dies ist die Stunde!« Systematisch werden in dieser aufgeheizten Atmosphäre niedrigste Instinkte geweckt. Es ist jetzt auch erlaubt, einen chinesischen Händler zu töten, wenn der einen Kredit zurückverlangt. Die ethnische Minderheit der Auslandschinesen ist überall als »Fünfte Kolonne der Pekinger Maoisten« verschrien. Die wiederum gelten als Auftraggeber der PKI. Ende 1965 liegt ständig Brandgeruch über dem Chinesenviertel von Jakarta. Der damalige Indonesien Korrespondent der New York Times spricht von »Massakern auf Vorschuss«.Anfang 1966 ist die Position des Generals Suharto unanfechtbarer denn je. Ahmed Sukarno bleibt zwar formell Staatsoberhaupt, doch die Tage seiner unumschränkten Macht sind längst gezählt. Suharto lässt Schauprozesse gegen frühere Mitarbeiter des Präsidenten inszenieren, die dessen Reputation belasten. Am 12. März 1966 verkündet er die formale Auflösung der PKI, um knapp ein Jahr später - am 22. Februar 1967 - endgültig am Ziel zu sein: Sukarno demissioniert, einen Monat später wird General Suharto als neues Staatsoberhaupt Indonesiens vereidigt. Zu diesem Zeitpunkt hat die 1920 gegründete und nach der Unabhängigkeit Indonesiens von 1945 durchaus einflussreiche PKI - sie kommt zuletzt auf mehr als neun Millionen Wähler - zu existieren aufgehört.Die Vorgänge vom September/Oktober 1965 sind bis heute nicht vollends aufgeklärt. Bereitete die PKI einen Putsch gegen die Armee vor? Oder wollte das Militär eine Entmachtung Sukarnos über die Zerschlagung des verhassten Rivalen PKI erreichen? Welches Interesse hatten die Amerikaner an einem Durchmarsch Suhartos angesichts ihres eskalierenden militärischen Engagements in Vietnam? Welche Rolle spielte Peking wirklich? Bei all diesen Fragen ist das Resultat jener dramatischen Monate unstrittig: die Etablierung einer militärbürokratischen Diktatur Suhartos und seiner Kaste, die sich mehr als 21 Jahre lang - bis zum Mai 1998 - reichlich unangefochten behaupten konnte.