So radikal, wie es scheint, wirkt der Boykott westlicher Marken nicht. Am härtesten trifft er westorientierte Russen, wird aber kaum zum Umdenken im Ukraine-Krieg führen. Über 300 Produzenten haben seit Beginn des Einmarschs angekündigt, den russischen Markt zu verlassen. Der Rückzug gerät zur Zäsur, ist aber nicht so umfassend, wie manchmal suggeriert wird. So besteht angesichts der Ankündigung von McDonald’s und Starbucks, alle Filialen zu schließen, zunächst der Eindruck, die Tage des Junkfood in Russland seien gezählt, schließlich will auch Kentucky Fried Chicken (KFC) seine Hähnchenteile in den 70 russischen Filialen nicht länger anbieten. Doch winkt der Branche kein Super-GAU. Wenn man in Moskau nicht mehr zu McDonald’s kann, entscheidet man sich für Burger King. Die gut 700 Restaurants dieses Labels befinden sich im Besitz eines russischen Lizenznehmers und bleiben geöffnet. Bei KFC sind etwa tausend Hähnchen-Bistros im Eigentum russischer Partner.
Die russische Franchise-Expertin Anna Roschdezwenskaja meint dazu im Blatt Kommersant, dass die ausländischen Ketten Schwierigkeiten hätten, lokale Partner aus politischen Gründen zu beeinflussen. So sei nur ein Bruchteil der Burger-Filialen von Schließung betroffen. Zu ergänzen wäre, dass im Fastfood-Segment Russlands die inländische Konkurrenz ein stärkeres Standing hat als in Mitteleuropa. Einschneidender wird es für Verbraucher bei Neuwagen, Möbeln, IT-Zubehör oder Konfektion. Durch den Apple-Boykott sind neue iPhones kaum mehr zu haben. Auch die Tage neuer Volkswagen oder Mercedes auf Moskaus Straßen sind gezählt, da das russische Gesetz Eigenimporte mit hohen Zöllen belegt. Den Markt dürften im Westen unbekannte Marken aus China übernehmen. Ein Trend, der auch auf dem Modemarkt dem erzwungenen Verzicht auf westliche Labels folgen könnte. Auch Metro bleibt.
Manche Boykottankündigung muss man genauer lesen, um festzustellen, dass daraus kein Leerstand in Supermärkten folgt. So wollen Coca-Cola wie Pepsi ihre Softdrinks nicht mehr in Russland anbieten – gerade für Pepsi, das dort schon zur Sowjetzeit ab 1959 aktiv war, ein großer Schritt, doch nicht so groß, wie er scheint. Zwar wird Pepsi keine Cola mehr verkaufen und inländische Werbung einstellen, PepsiCo jedoch bleibt und wird seine Produktion von Milch und Babynahrung fortsetzen. Auch bei Marken wie „Lay’s“ (Lebensmittel) verkauft der Konzern im Land, sodass mit keinem Produktionsstopp zu rechnen ist. Ähnlich verhält es sich mit anderen Nahrungsmittelriesen, die im Besitz bekannter Handelsmarken sind. Unilever, präsent mit Marken wie Knorr und Lipton, kündigte zwar einen Stopp für Im- und Export sowie Neuinvestitionen an, ist aber gewillt, in Russland weiter zu produzieren. Wie der Konzern laut der Agentur TASS erklärt hat, will man fortgesetzt „Lebensmittel und Hygieneprodukte, die für die Einwohner Russlands hergestellt werden, vertreiben“. Es gelte die Situation „sehr genau zu beobachten“. Ähnliche Aussagen gibt es von Firmen, die davon beeinflusst sein dürften, dass der russische Staat gegen den Boykott Verstaatlichungen von Konzerneigentum angekündigt hat.
Wie gesagt, hart treffen wird der Boykott moderne, auf den Westen fixierte Russen, wenn es um Online-Angebote wie Spotify, Amazon oder TikTok geht, die bereits nicht mehr verfügbar sind. Sie lassen sich kaum ersetzen und gehörten zum täglichen Leben einer urbanen Community. Von Wladimir Putin zugeneigten Patrioten wurden sie weniger genutzt. Sollte es ein Ziel der Boykottwelle sein, die russische Bevölkerung zu einem Umdenken in der Kriegsfrage zu bewegen, wird sie scheitern. Sie kappt den Draht moderner Russen nach Westen, die den Krieg ohnehin ablehnen. Das luxusverliebte Establishment wiederum wird Wege finden, sich über Drittstaaten schadlos zu halten. Hier spielt Geld keine Rolle.
Kommentare 15
roland bathon entsteigt der mülltonne,
in die Ihn seine lage-be-urteilungen gebracht haben und legt
unversehens wieder los:
- das urbane leben der russen ist nicht so beschädigt,
wie das in der ukraine. das gibt einen punkt.
- die internationalen investoren lavieren sich durch:
zwischen rückzug und drohender ent-eignung durch putin.
ein weiterer klarer punkt ! (was sollten die sonst tun?)
- ansonsten sieht der ost-experte keinen
spürbaren druck in russland: einschneidend
sind west-sanktionen nur für "west-fixierte" consumer.
eine verschlechterung des dürftigen lebens der meisten russen
wird von von diesen ohne murren weg-gesteckt.
im osten: nix neues.....
Würde Europa auch gut tun ... und (oft) der Gesundheit.
Wenn ich in der Überschrift schon die Formulierung "Wladimir Putins Reich" lese, bedanke ich mich, denn dann weiß ich: Nicht ernst zu nehmen, den Artikel kann ich mir schenken.
Ja, das übliche. Aus Putins Mainstream direkt in derFreitag. Ist ja alles nicht so schlimm, es trifft ja nur die versnobten Russen, die Putin ja sowieso ausspucken oder etwas Ähnliches machen wollte.
Wenn man wissen will, was der Boykott für viele Arbeitsplätze der sonst so bedauerten einfachen Russen bedeutet, muss man sich schon etwas abseits von Putins Presse bewegen.
Ich bin nur wieder über die Qualitätskontrolle der "linken" derFreitag Redaktion erstaunt. Aber eventuell ist Wichtung ja so:
1. Der Westen hat versagt
2. Putin ist doch irgendwie der Größte, weil er ja so schön zu Punkt 1 passt.
... lange nichts...
XXX. Probleme russischer Beschäftigter
"Sollte es ein Ziel der Boykottwelle sein, die russische Bevölkerung zu einem Umdenken in der Kriegsfrage zu bewegen, wird sie scheitern. Sie kappt den Draht moderner Russen nach Westen, die den Krieg ohnehin ablehnen."
Ja, natürlich ist es das Ziel des Westens, mit Boykott Maßnahmen der russischen Bevölkerung so zu schaden, das sie sich gegen ihre Regierung erhebt.
Das war im Iran ja auch nicht anders. Hat dort leider nicht funktioniert, wird in Russland auch nicht funktionieren.
Hier geht es übrigens auch nicht nur ersetzbare IPhones und Softdrinks, sondern zB auch um Städtepartnerschaften mit langjährigen, persönlichen Kontakten auf ziviler Ebene.
So wie ein freier Waren- und Meinungsaustausch die Beziehungen zwischen zwei Völkern wieder verbesseren kann, wird das völlige Unterbinden dieses Austauschs zu einer sehr langen Entfremdung führen.
Das ist schade, weil wir gerade die zivilen Kontakte in einer nicht so fernen Zukunft benötigen werden.
👍
>>Ja, natürlich ist es das Ziel des Westens, mit Boykott Maßnahmen der russischen Bevölkerung so zu schaden, das sie sich gegen ihre Regierung erhebt.<<
Allerdings können entstehende Marktlücken leicht von China aus gefüllt werden. Das wird ja im Artikel bereits angedeutet.
Die Folge ist also ein noch rascheres Zusammenwachsen des weitgehend rohstoffautarken Wirtschaftsblockes China/EAWU als es ohnehin schon seit ca. acht Jahren läuft.
Und es zeichnet sich bereits ab, dass die EU* der grosse Verlierer im Kampf der Imperien (das alte gegen das neue) sein wird, wenn sie nicht in der Lage ist, sich als Neutralmacht zwischen den bis aufs Blut konkurrierenden Blöcken USA und China/EAWU zu positionieren.
*Allen voran die BRD: „Gestern standen wir vor dem Abgrund, heute sind wir einen grossen Schritt vorwärts gekommen“.
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Es wurde hier schon einige Male spekuliert dass es, wenn der Krieg ein paar Jahre dauert, zu einem Putsch in Russland kommen könnte. Wie würde es dann weiter gehen? Zurück in die „Jelzin-Ära“? Ich kann mir allerdings vorstellen dass andere Putschisten der Installation eines US-Vasallenregimes zuvorkommen würden. Wahrscheinlich von China gesteuert.
Europa dürfte wohl den größten Schaden erleiden. Die USA wahrscheinlich gewinnen. Auf Dauer könnte wohl auch die USA Einfluß verlieren. Zuviele Länder haben noch Rechnungen offen.
Mülltonne... Muss doch nicht sein.JA zu Kritik, jeder verdient Kritik. Aber "ohne Not", oder ohne dass die andere Seite angefangen hat...
SCHADE. Kritik ginge auch anders. Dann würde sie sogar mehr verfangen.
Das Leben der Ukrainer hat sich gravierend geändert. Dies scheint die Russen nicht zu interessieren. Die genießen die Propaganda in den Medien und erfreuen sich an den nicht vorhandenen Siegen. Ich verstehe den Hass der Ukrainer auf Russen vollkommen. Es wird Generationen dauern, den zu überwinden. Vielleicht merken es mehr als nur einige Russen das auch mal, aber Patriotismus macht blind. - Z -
Oligarchen jedenfalls ziehen einfach um: in die VAE https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/423079.folge-der-sanktionen-oligarchen-ziehen-um.html?sstr=emirate
Die wissen vermutlich, was man in Russland mit der Ukraine so plant, wenn sie Medinsky als Verhandlungsführer für die Waffenstillstandsgespräche ernennen. Und wie das Ausland darauf reagieren wird, wenn dessen Pläne in der Ukraine umgesetzt werden.
tja, die müll-tonne ist ein schiefes bild.
die müll-entsorgung überläßt man ja bezahlten dienst-leistern.
ein übervoller papier-korb ists auch nicht,
der stört, wenn, ja nur privat.
es geht hier um im raum-stehenden,
un-be-arbeiteten öffentlich-geäußerten sperr-müll,
der mir anstoß-erregt.
und: das gros, auch der treffenden, kritik bewirkt/verfängt: nix.
außer miß-fallen beim kritisierten.
und bei still-leben genießenden.
Tja - starting with the man in the mirror (m/w/d).
Wenn wir es wollen.
Wenn Sie es wollen.
Da hat Rußland doch dann die besten Karten seinen "urbanen Lifestyle" auf völkermordfreie Produkte für digitalen Schwachsinn umzustellen, schliesslich sind bisher nur in den USA produzierte sendefähige Geräte und vernetzte Autos -seit Obama- nicht mehr mit Koltan aus dem Kongo erlaubt; weshalb Tesla lieber in Europa produziert.
Rußland kann dadurch dann zur antirassistischten Nation der Welt aufschliessen und man stelle sich erst die genialen Werbekampagnen vor, die hier dann sicherlich dank schierer Doofheit bald im Satireprogramm laufen werden:
"Der Westen hat schon 10 Millionen abgeschlachtet für sein Nazispielzeug, das Rassistenhandy - Kaufen Sie doch lieber recht menschenfreundlich Produkte Made im Dumbass"
Oder Russia Today bekommt dann endlich den Grammy, den es sich einst eigentlich für die super Footage von den Dächern der Luxushotelerie am Syntagma-Platz von den "Greek Riots" verdient gehabt hätte, die dann später in Kiew zwar verschärft kopiert wurden, aber bis heute wohl ohne Polenböller an Pet-Flaschen auskommen müssen.
Jede*r Glotzer*in mußte dann immer von Herzen lachen, wenn die Westmedien von 200-300 "Autonomen" extrem verharmlost hatten, zumal es in Griechenland "Autonome Gruppen" so gut wie gar nicht gibt.
Oder Putin toppt noch einen drauf und befiehlt eine UN-Intervention im Kongo, damit das Morden aufhört und der Konsument endlich nachhaltig-faire tausende Euros für sein Spielzeug hinblättert, weil er einfach zu vernagelt ist sogar billiger in den USA zu bestellen und zu faul, dafür beim Zoll zu warten.
Wahrscheinlich ist es sogar eher so, daß das Digitale nicht erst nach 20 Jahren Nutzung dement macht -Experiment zwar gescheitert, aber Rentner*innen, die dann nicht mehr in der Lage sind, ihre Rentenanträge zu stellen, sind prima für die Volkswirtschaft - sondern der Konsument bereits nach 5 Minuten zu einer korrupten Borgdrone mutiert.
Sollte sich hinterher raus stellen, daß die von Moskau z.Z. ignorierten Übersetzungsfehler daher rühren, daß es sich mit Washington bereits vor geraumer Zeit auf eine Aufteilung der Ukraine geeinigt hat, macht sogar einiges am westlichen Defätismus Sinn, genauso wie das rüstungsindustriefreundlche Verballern veralteter Raketen; die Geberkonferenzen zum Wiederaufbau kann man dann direkt live als Hollywood-Blockbuster verwursten.