Sat.1 zeigt´s keinem

Medientagebuch Die guten und die schlechten Nachrichten: Fernsehen ist kein Kulturgut

Dem Medienbürger boten sich in jüngster Zeit mal wieder allerlei Gründe, sich ungläubig die Augen zu reiben. Weil ihm jäh bewusst wurde, was die vierte Gewalt im Staate alles nicht ahnte und nun erstaunt bis gar entsetzt zur Kenntnis nehmen muss. Dass bei der Tour de France gedopt wird zum Beispiel: Welch grausames Erwachen für ARD und ZDF! Auch dass es den Privatsendern, i.e. Aktiengesellschaften, bei ihrer Programmgestaltung zuallererst ums Geld geht, wurde vielen offenbar erst klar, als Sat.1 die Absetzung seiner Magazine Sat.1 am Mittag und Sat.1 am Abend bekannt gab.

Tatsächlich waren die beiden Sendungen ähnlich überflüssig wie alle dieser Blitz, Taff oder Extra genannten Formate, die den Zusehern die Zeit zwischen den Werbepausen mit ein bisschen Sex, ein bisschen Gewalt, ein bisschen A-, B-, C-Prominenz und ein wenig Lebenshilfe verkürzen. Was viele jedoch nicht daran hinderte, sie zu "Nachrichten" zu adeln und in der Folge den Untergang des Abendlandes zu beschwören. So beginnt im Moment eine Debatte über Medieninhalte und -besitzverhältnisse - aus völlig falschem Anlass zwar, aber doch als sichtliches Merkmal eines Diskussionsbedürfnisses, welches sich umgehend Bahn bricht, bietet sich nur die geringste Chance dafür. Das ist kein allzu schlechtes Zeichen für den Zustand einer Mediengesellschaft.

Zudem sich ein realer Grund hinter der Menetekelmalerei verbirgt: Sat.1 hat als "Vollprogramm" gewisse Verpflichtungen, die Information eine davon; eben die zu erfüllen, war bislang auch die Aufgabe von Sat.1 am Mittag und Sat.1 am Abend. Doch auch ohne diese beiden bliebe - laut der zuständigen Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK) Ludwigshafen - der Informationsanteil hoch genug, als da doch noch wären (neben den Sat.1 News", die wohl Ende August eingestellt werden): das Frühstücksfernsehen, Blitz, Akte, Automagazin, 24 Stunden sowie ein paar extern produzierte Formate. "Ausgehend von der Rechtsprechung, nach der die Bereiche Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung zusammen einen Anteil von über 50 Prozent am Gesamtprogramm ausmachen sollen, kann ein reiner Informationsanteil von 23,4 Prozent jedenfalls als ausreichend angesehen werden", urteilt die LMK also über den Fall, nennt aber das Problem zugleich beim Namen: "Eine gesetzliche Definition der Begriffe Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung gibt es ebenso wenig wie eine für jeden einzelnen Bereich festgelegte Quote." Das nämlich ist des Pudels Kern: Die aktuelle Debatte spricht von Inhalten und Moral, der Begriff der Information ist jedoch höchstens formal zu fassen, der Unterschied von "guter" und "schlechter" Information für Juristen schwer denkbar. Doch just darum geht´s, weiß man doch kaum mehr, was man gruseliger finden soll: die hemmungslose Boulevardisierung der Privaten oder die öffentlich-rechtlich refinanzierte Doping-Tour.

Immerhin haben ZDF und ARD sich mittlerweile zurückgezogen von der "Tour de Farce", in die Bresche sprang Missetäter Sat.1: Ist der Ruf erst ruiniert ... Dies ungenierte Leben wurde abgestraft, sowohl Zuschauer als auch Werbekunden blieben fern, die sonst so liberale FAZ verkündete gar das "Ende des privaten Fernsehens". Auch Bernhard Vogel, als ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz einst Wegbereiter des privaten Rundfunks, sieht nun plötzlich das "Kulturgut Fernsehen" in Gefahr, beharrt aber trotzdem: "Davon unabhängig bleibt der Grundsatz bestehen: Konkurrenz belebt das Geschäft. Konkurrenz soll indes auch die Qualität fördern und sie nicht in Frage stellen." Dass das in den vergangenen 20 Jahren nicht geklappt hat, will er wohl nicht wahrhaben, jedenfalls ist eine Steigerung der Qualität auch weiterhin eher selten in Sicht, statt Lust am Neuen und Anderen herrscht gerade in Sachen Information weitgehend Einförmigkeit und Ideenlosigkeit.

Was keinesfalls des Zuschauers Schuld ist, denn um die eigene Relevanz hat sich das Fernsehen schon selbst gebracht, indem es wahllos eine Masse von gedankenlosen Zuguckern befriedigt, die längst erkannt haben, dass ihre Aufmerksamkeit hier zumeist nicht gefragt ist. Wandelte man die Privaten probeweise in Pay-TV-Sender um, würde sich vermutlich schnell zeigen, wie wenig sie ihren vermeintlichen Fans wert sind. Dass ein paar Leute ab und an mal hinsehen, wenn der Apparat eben läuft, mag vielleicht eine Quote machen, die sich in Werbepreise umsetzen lässt. Aber kein Programm, das man vermissen würde - weil es bis ins Hirn gar nicht erst gelangt.


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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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