Sauna, Eisbaden, MDMA: Bas Kast und sein „Kompass für die Seele“

Rezension Für sein neues Buch hat Bestseller-Autor Bas Kast einen „Kompass für die Seele“ erstellt, gestützt auf neuesten Studien zum Thema Resilienz. Einzige Schwachstelle: Die Zusammenhänge zwischen Armut und Psyche berücksichtigt der Autor nicht
Ausgabe 13/2023
Dem „modernen Stadtneurotiker“ empfiehlt Bas Kast hin und wieder ein Eisbad – für den körperlichen Stress
Dem „modernen Stadtneurotiker“ empfiehlt Bas Kast hin und wieder ein Eisbad – für den körperlichen Stress

Foto: Mike Meyer

Fast nackt liegt Bas Kast in einem kleinen See, seinen Kopf zurückgelehnt auf einer dicken Eisschicht. Mit jedem Atemzug stemmt sich sein Brustkorb aus dem ein Grad kalten Wasser. Körperlicher Stress, zum Beispiel durch ein Eisbad, so erklärt es Kasts Stimme aus dem Off, sei wichtig für „uns moderne Stadtneurotiker“. Diese Szene, aus einem Werbevideo für Kasts neues Buch Kompass für die Seele, vermittelt: Ob es dir psychisch gut geht, das hast du auch selbst in der Hand.

Fünf Jahre nach seinem Megaseller Ernährungskompass möchte Kast erklären, was unsere Seele stark und widerstandsfähig macht. Dafür hat der Wissenschaftsjournalist wieder Studien gewälzt, seinen Anspruch aber etwas runtergeschraubt. Ging es beim Ernährungskompass noch um ein „Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung“, begnügt sich Kast diesmal mit den „neuesten Studien zu Resilienz und innerer Stärke“. Eine Bescheidenheit, die dem Buch guttut. Auch weil Kast, so schreibt er, alle vorgestellten Strategien selbst ausprobiert hat. Davon mögen die wenigsten überraschen: viel Sport, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf, regelmäßiges Waldbaden. Die Stärke von Kasts Buch ist aber weniger das Was, sondern das Warum: Warum tut uns das alles so gut?

Dafür nimmt uns Kast mit in teils spannende, teils gruselige Studien. Oft geht es darum, wie Körper und Psyche zusammenhängen. Wie das, was wir tun, beeinflusst, was wir fühlen. Zum Beispiel beim Essen: Kast zeigt zwei Hirnscans aus einer mittelgroßen New Yorker Studie. Person eins aß strikt mediterrane Kost, Person zwei nicht. „Wo früher einmal Gehirnmasse war, ist nun Wasser“, schreibt Kast mit Blick auf den Hirnscan von Person zwei. Geschrumpft war unter anderem der Hippocampus, der mit dafür zuständig ist, Stress und Emotionen zu regulieren.

Trips unter therapeutischer Aufsicht

Ähnlich anschauliche Studien und Experimente prägen das Buch. Körperlicher Stress, so eine Grundidee, stärkt jene Hirnregionen, die unsere Gefühle und Stimmung regulieren. Um das zu erreichen, empfiehlt Kast Sport – fünf Mal die Woche, 45 Minuten – sowie kurzes Fasten, kalte Duschen und Saunagänge.

In anderen Kapiteln rät er zum Meditieren – zwar überzeugend, aber auch etwas ausufernd über fast 50 Seiten. Und er preist, plötzlich recht empiriekarg, eine stoische Lebensweise: „Konzentriere dich auf das, was in deiner Macht steht“, und „Übe dich darin, das Unglück vorwegzunehmen“. Nicht uninteressant, aber über einen kurzen Ausflug in Philosophiebücher geht Kast hier leider kaum hinaus.

Große Augen dürften etwas konservativere Leser*innen bekommen, wenn Kast plötzlich von Psychedelika schwärmt. Er berichtet nicht nur von Forschungsergebnissen, die faszinieren und Hoffnung machen, sondern auch von eigenen Trips, teilweise unter Aufsicht einer Therapeutin. Doch auf Faszination folgt Enttäuschung, zumindest bei gesetzestreuen Leser*innen. Denn legal verfügbar sind Psychedelika kaum, bleiben nur MDMA-Behandlungen in der Schweiz und sauteure Trüffel-Wochenenden in den Niederlanden.

Damit haben wir auch die größte Schwachstelle in Kasts Kompass für die Seele identifiziert. Für ein Werk, das viele politische Fragen behandelt, bleibt es erstaunlich unpolitisch. Wenig ist zum Beispiel so gut untersucht wie der Zusammenhang zwischen Armut und psychischen Erkrankungen. Ein Eisbad mag auch depressiven Arbeitslosen guttun; das Komma auf ihrem Kontostand ein oder zwei Stellen nach rechts zu rücken, hilft ihnen jedoch mit Sicherheit nachhaltiger. Ob Zeit für regelmäßigen Sport, eine gesunde Ernährung, Saunabesuche oder der jährliche, ausgedehnte Natururlaub – eine starke, aufblühende Seele muss man sich vielfach erst leisten können.

Kompass für die Seele Bas Kast Bertelsmann 2023, 256 S., 24 Euro

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