Schall und Rauch

Kommentar Selbstverpflichtungen des Kapitals

Geht es nach dem Willen der Tabakindustrie, wird die Tabaksteuer nicht um einen Euro pro Packung erhöht. Das koste zehntausende Arbeitsplätze, ruiniere noch mehr Tabakgeschäfte und, schlicht, belaste Deutschland. In ganzseitigen Zeitungsanzeigen fordert sie Gesundheitsministerin Schmidt daher zum Dialog auf - mit dem Ziel, eine "gemeinsame Lösung" zu erarbeiten. Nur - wie das so ist mit Lösungen, sie sollten auch zu einem Problem passen. Was das Problem denn ist, sagen die Unterzeichner aber nicht. Und geben ihr eigenes Dialogangebot damit unverzüglich der Lächerlichkeit preis. Ergebnisoffenheit ist eben etwas anderes als Ziellosigkeit. Davon abgesehen, enden solche Gespräche regelmäßig in Selbstverpflichtungen der Industrie. Die aber sind weniger wert als das Papier, auf dem sie stehen.

Eben erst hat das Beispiel Dosenpfand gezeigt, dass Unternehmen Vereinbarungen mit der Regierung dazu benutzen, die Umsetzung verbindlicher Verpflichtungen zu verzögern und möglichst ganz zu verhindern. Nach jahrelang bekanntem Recht waren Handel und mittelbar auch die Getränkeindustrie verpflichtet, zu Jahresbeginn ein Rücknahmesystem für bestimmte Einwegverpackungen anzubieten. Sehenden Auges haben sie sich dessen verweigert - und dann das schräge Klagelied der allzu plötzlichen auf sie zukommenden Regelungen angestimmt. Umweltminister Trittin hat sich auf einen Aufschub der vollen Verpflichtung bis zum 1. Oktober eingelassen. Ergebnis: Schon Monate vorher ist klar, dass auch diese Vereinbarung nicht eingehalten wird. Die Vermutung liegt allzu nahe, dass es von vornherein nicht um eine erleichterte Umsetzung ging. Handel und Getränkeindustrie haben das System des Dosenpfands gegen die Wand fahren lassen. Der umweltpolitische Clou, dass etliche Supermärkte die Einwegverpackungen wegen des Chaos´ jetzt ganz ausgelistet haben, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das System der Selbstverpflichtung gescheitert ist.

Andere vermeintliche Kooperationen stranden mit weniger glimpflichem Ausgang: Frühere Versprechungen zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen etwa oder die Selbstverpflichtung der Banken, ein Konto auf Guthabenbasis für jedermann zu errichten. Die Verbraucherzentralen klagen, dass Menschen ohne Bankverbindung die mangelnde Bonität auf der Stirn geschrieben steht. Fehlt nur noch das Angebot der Unternehmer, bei einer Abschaffung aller Steuern demnächst freiwillig den doppelten Steuersatz zu zahlen. Vertrauen ist gut, aber gegenüber unsicheren Kantonisten ist Kontrolle besser. Die Zeit, in der die Politik mit einem gewissen Recht glauben durfte, sich auf Selbstverpflichtungen der Unternehmer verlassen zu können, ist längst vorbei. Also Stärke zeigen, aber bitte die richtige - und das ist die Tabaksteuererhöhung gewiss nicht.

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