Schau mal, wer das tippt

Informationspolitik Der Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz will einige Auswüchse der computerisierten Arbeitswelt bekämpfen. Deren immanentem Kontrollzwang kommt er freilich nicht bei

Dieser Schritt ist lange überfällig gewesen: Nach der nicht abreißenden Kette von Bespitzelungsskandalen in deutschen Unternehmen – etwa bei der Bahn, der Telekom oder Lidl – hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Entwurf für das neue Gesetz zum Arbeitnehmerdatenschutz vorgestellt.

Eine Videoüberwachung im Betrieb soll nicht mehr rechtmäßig sein. Auch dürfen private Emails oder Telefonate, die von Firmengeräten abgehen, nicht mehr kontrolliert werden. Zudem soll es Personalabteilungen verboten werden, Informationen über Jobbewerber etwa im Online-Netzwerk Facebook zu sammeln – eine Websuche mittels Google bliebe allerdings legal. Ebenfalls eingedämmt werden soll die Unsitte, dass Bewerber einen Bluttest machen müssen. Der soll künftig Unternehmen vorbehalten sein, die begründen können, dass die Ergebnisse solcher Tests für die Tätigkeit unverzichtbar sind.

Es ist zwar schön, dass Arbeitnehmer demnächst wieder unbeobachtet auf die Toilette gehen oder Freunden einen Bürowitz zumailen können, ohne anschließend Rede und Antwort stehen zu müssen. Das Grundproblem der „informatisierten“ Arbeitswelt wird das neue Gesetz aber nicht aus der Welt schaffen: Wo Betriebsabläufe wesentlich über Computer abgewickelt werden, entstehen Datenschatten. Und die eignen sich hervorragend für etwas, was gelegentlich schon als „digitaler Taylorismus“ bezeichnet wird, in Anlehnung an die Lehre von Frederick Taylor, nach der Anfang des 20. Jahrhunderts die Bewegungen von Fabrikarbeitern „optimiert“ wurden.

Vor allem größere Unternehmen setzen Softwaresysteme ein, um Arbeitsabläufe zu planen, zu dokumentieren und zu steuern. In so genannten Wissensmanagementsystemen können - und sollen - Arbeitnehmer außerdem ihre Ideen einbringen, aber auch Erfahrungen mit Kunden und Know-How für ihre Kollegen hinterlegen. Auf diese Weise entstehen automatisch und legal wachsende Datenprofile. Anhand derer bewerten Personalabteilungen, wie effizient jemand seine Aufgaben erledigt. Der digitale Taylorismus ist die Übertragung des klassischen fordistischen Kommandosystems auf den Dienstleistungsektor und die computergesteuerte Produktion.

Dass dieses Kommandosystem in den vergangenen Jahren auch ungenierte Überwachung umfasste, passt gut ins Bild. Ebenso, dass mancher Mahner bereits vor einem Milliardenverlust für den deutschen Einzelhandel warnt, den das neue Gesetz verursachen würde. Denn künftig würde es für die Unternehmen schwieriger, ihre Mitarbeiter beim Warendiebstahl zu erwischen. Man darf der Innovationskraft der boomenden Sicherheitsindustrie vertrauen, dass ihr hierfür eine elegante und gesetzeskonforme technische Lösung einfallen wird.

Arbeitnehmerdatenschutzgesetz

Bereits die erste rot-grüne Regierung plante 1998 im Koalitionsvertrag ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz. Der DGB, der bereits 1999 Vorschläge formulierte, hat angesichts der Häufung von Vergehen in diesem Bereich erneut Forderungen vorgelegt. Ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz müsse gezielte Beobachtung und Überwachung von Beschäftigten am Arbeitsplatz, aber auch im privaten Umfeld ausdrücklich verbieten.

Weitere Forderungen:

Screenings oder scorings seien grundsätzlich ausgeschlossen. Die elektronische Datenverarbeitung berge besondere Risiken in Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Soweit der Schutz von Anlagen eine Überwachung notwendig macht, ist dies durch Betriebsvereinbarungen zu regeln. Nur bei begründetem Verdacht auf eine strafbare Handlung oder schwerwiegende Schädigung des Arbeitgebers, kann auf gesetzlicher Grundlage eine Überwachung im Einzelfall zulässig sein.

Genau geregelt werden sollte zum Beispiel die Bewerbungssituation und das Fragerecht bei der Einstellung von Mitarbeitern. Bei Einstellungen dürfe der Arbeitgeber lediglich fragen, was für die konkrete Tätigkeit von entscheidender Bedeutung ist. Außerdem müsse vor Anordnung aller ärztlichen Untersuchungen die Zustimmung des Betriebsrates vorliegen.

Die Rechtsposition des betrieblichen Datenschutzbeauftragten müsse, etwa durch Kündigungsschutz, verbessert werden.

Der DGB fordert bei Verletzung der gesetzlichen Regelungen abschreckende Sanktionen. Die Betroffenen, deren Persönlichkeitsrecht verletzt wurden, sollen Anspruch auf Entschädigung haben. Der Eingriff in Persönlichkeitsrechte sollte nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit gelten, sondern mit Strafen belegt werden.

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