Scheidung

A–Z Der Wahn sei kurz, die Reue lang, sagt Schiller. Über die Liebesheirat. Mit einer Scheidung lässt sich die Zeit der Reue verkürzen, nur passiert das heute immer seltener
Ausgabe 31/2014

A

Alimente Juristisch genau werden bei Scheidungen auch die Unterhaltszahlungen geregelt. 2008 wurde das Unterhaltsrecht umfassend geändert. Nun reichen die Zahlungen an den schlechter verdienenden Ex-Partner häufig nicht mehr aus, um den bisherigen Lebensstandard zu halten. So soll den neuen Rollenbildern Rechnung getragen werden und, wenn Kinder im Spiel sind, der betreuende Elternteil wieder ins Berufsleben gebracht werden. Gute Idee. Doch gleichzeitig fehlen die Voraussetzungen, um Alleinerziehenden Einstieg oder Rückkehr in den Beruf zu ermöglichen. Stichwort: Kita-Platz-Mangel. Betroffen sind vor allem Frauen, die zumeist die Betreuung der Kinder übernehmen. Sie haben es beim (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben weiterhin schwerer und verdienen im Schnitt weniger. Dazu passen auch die Studienergebnisse, die belegen, dass Frauen unter einer Scheidung wirtschaftlich stärker leiden als Männer. Benjamin Knödler

B

Bremen Soso, bundesweit ist die Zahl der Scheidungen um fünf Prozent zurückgegangen. Ehepaare halten es wieder etwas länger miteinander aus. Statt nach elf Jahren, wie noch in den 90ern, trennen sie sich jetzt erst nach 14 Jahren. Anders läuft es im Stadtstaat Bremen: Dort stieg die Scheidungsrate jetzt noch mal an, um ein Prozent. Dabei ist die Treue eine hanseatische Tugend. Nirgendwo regiert die SPD so sicher wie hier, und dem SV Werder ist man selbst nach einer miesen Saison noch treu. Warum also haben hier 1.404 Paare im letzten Jahr „Nein“ gesagt? Stadtmusikantische Dickköpfigkeit? Rückständigkeit? Das Rotlichtviertel, die Helenenstraße, ist abgewrackt, über den „Viertelmarkt“ schlendern verbitterte Öko-Paare, und wer die schweigenden Pärchen in den Konzertpausen der „Glocke“ beobachtet, weiß, dass er so nicht enden will. Vielleicht gibt es in Bremen einfach schon genug Alltagsfrust: Höchste Armut, miserable Bildung. Ewige Liebe lebt sich woanders leichter. Felix Brüggemann

H

Henry VIII. Man lässt sich nicht alle Tage scheiden, trotzdem gibt es auch unter den Geschiedenen wahre Routiniers. Ein wahrer Vollprofi, was Scheidungen anging, war Heinrich VIII., seines Zeichens König von England im 16. Jahrhundert, der ob seiner Scheidungspolitik in die Geschichte einging. Stolze sechs Mal war der Mann verheiratet. Allein, die Ehen hielten nicht das, was er sich von ihnen versprach. Folglich beendete er die Bünde fürs Leben – und das auf verschiedene, mitunter grausige Weisen. Um sich von seiner ersten Frau scheiden zu lassen, legte sich Heinrich VIII. mit der katholischen Kirche an. Am Ende dieser Auseinandersetzung stand die Gründung der anglikanischen Kirche. Auch von seiner vierten Frau ließ sich der englische König scheiden. Zweimal nahm er den Eheschwur „bis dass der Tod euch scheide“ jedoch auch zu genau: Er ließ seine zweite und seine vierte Frau enthaupten. Ziemlich kompliziert. Deshalb gibt es im Englischen einen passenden Merkspruch dazu: „Divorced, beheaded, died, divorced, beheaded, survived.“ BK

K

Kinder Es sei vorweg gesagt: Ich bin kein Scheidungskind. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn die Eltern sich dazu entscheiden, fortan getrennte Wege zu gehen – und man danebensteht, lethargisch und zustimmend nickt oder emotional komplett zerfällt. Ich weiß nicht, wie es ist, sich als Kind die Wochenenden, Ferien und die Feiertage möglichst gerecht aufzuteilen. Ich weiß nicht, was man tut, wenn der eine „Ja“ und der andere „Nein“ sagt. Ich weiß nicht, was es mit einem macht, wenn man nicht nur zwischen zwei Wohnungen oder sogar Städten, sondern auch zwischen zwei Leben pendelt. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 150.000 Kinder zu Scheidungskindern. Regelmäßig werden Vorurteile durch Studien verstärkt: Sie seien verhaltensauffällig, undiszipliniert und beziehungsunfähig. Ich weiß, dass man das alles nicht so einfach sagen kann. Lisa Leinen

Kirche Das jüdische Eherecht kennt die Institution der Scheidung, und auch im Islam gibt es eine solche – allerdings kann sie, je nach Auslegung, für Frauen schwer erreichbar sein. Die christliche Kirche erhob die Ehe erst im 12. Jahrhundert zum siebten Sakrament und machte sie dadurch unauflöslich. Wobei die Protestanten die Ehe allerdings als „weltliches Ding“ (Luther) ansehen, das von der kirchlichen Trauung lediglich begleitet wird. Bei den Katholiken ist die Scheidung getreu dem Spruch „bis dass der Tod euch scheidet“ tabu. Katholische Paare können ihre Bindung nur durch Ehe-Annullierung auflösen. Papst Franziskus deutete an, diese erleichtern zu wollen. So könnten auch Wiederverheiratete die Kommunion empfangen. Im Oktober soll das Thema einer Bischofssynode werden. Viele protestantische Gemeinden bieten mittlerweile aber sogar „gottesdienstliche Hilfen“ an, also ein priesterliches Begleitritual für „Menschen, deren Wege sich getrennt haben“. Tobias Prüwer

O

Online Internet, du böses, immer offenes Warenhaus. Ständig stehst du zur Verfügung: Klick, Kreditkartendetails, Klick, Lieferadresse ... Ob Bücher, elektrische Zahnbürsten, Kleider oder Konzertkarten – alles wird schnell und unkompliziert nach Hause geliefert. Praktisch, wenn man montags bis freitags überwiegend auf dem Bürostuhl sitzt und zu wenig Zeit hat, um Dinge zu besorgen oder sich mal was Gutes zu tun. Doch wie beschäftigt kann man sein, wenn man sich online scheiden lässt? „Scheidung ohne Stress“ oder „Scheidung für Eilige“ sind nur zwei der Werbesprüche, die aufleuchten, wenn man „Scheidung Online“ googelt. Die auszufüllenden Formulare werden via Mail versandt, jegliche Kommunikation läuft übers Internet ab. Das Haus verlassen müssen die Online-Mandanten nur zum Scheidungstermin vor Gericht. Eben dann, wenn schon alles geregelt ist. „Vielen Dank für Ihre Bestellung.“ LL

P

Party Allein bei diesem Wort steigt einem schon der Geruch von lauwarmem Prosecco in die Nase: „Scheidungsparty“. Erst berichteten hiesige Medien von einem Trend aus den USA, dann hieß es, der Quatsch komme aus Japan. Fakt ist: Immer sind angeschickerte Frauen in mittleren Jahren auf den Promo-Fotos entsprechender Party-Agenturen zu sehen, stets wirkt es wie eine krampfhaft nachgestellte Sex-and-the-City-Szene. Dass man es ordentlich krachen lassen will, wenn man den Alten los ist: klar! Aber einen „Ring-Toiletten-Weitwurf“veranstalten oder eine Wahrsagerin buchen? Das bietet etwa die österreichische Agentur „Traumscheidung“ an, für 800 Euro bei bis zu 20 Gästen. Dann doch lieber in die Männer-Stripshow. Katja Kullmann

Philosophie Philosophie ist die Wissenschaft der Scheidung. In der philosophischen Begriffsarbeit dreht sich alles ums konzeptionelle Scheiden beziehungsweise Unterscheiden. Das ist ihre „kritische“ Funktion: Kritik im Wortsinne heißt Differenzieren. Wie definieren sich etwa die Begriffe „Liebe“ und „Lebensbund“? Was bedeuten „forever“ und „beständig“? Und: Was ist Schmerz? Um zu wissen, dass Scheiden weh tut, muss man indes kein Philosoph sein. Diese Erkenntnis trällert schon das Volkslied: Winter ade. Roger Whittaker besang den Beziehungsbruch in Abschied ist ein scharfes Schwert. Schon klar: Am Scheideweg der Gefühle und/oder Eitelkeiten steht mehr als ein Tränchen auf dem Spiel. Da mag einem jedes Trostpflaster recht sein. Vielen Trennungen wird mit dem angeblichen Hermann-Hesse-Zitat „Und jedem Abschied wohnt ein neuer Anfang inne“ begegnet. Was er aber tatsächlich schrieb: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ TP

Politik In der Politik geht es mitunter amouröser zu, als man denkt. So kann es ganz gewaltig funken zwischen zwei Parteien, die dann am liebsten direkt den Bund fürs Leben eingehen wollen. Oder zumindest eine Koalition für vier Jahre. Geht es um Koalitionen, wird dann nur so mit den Ehemetaphern um sich geworfen. Oft ist dann etwa von einer Wunschehe die Rede. Vor allem Schwarz-Gelb wurde gern als solche bezeichnet. Nach den Koalitionsverhandlungen, die natürlich äußerst harmonisch verliefen, wird die Wunschehe mit einer Traumhochzeit besiegelt. Doch wie das so ist: Im Alltag schwindet das Liebesglück. Und am Ende vieler Enttäuschungen steht die Scheidung. Zumindest für eine gewisse Zeit gilt all das nichts mehr, was man am Partner geschätzt hat. Mit einem bisschen Abstand sieht dann allerdings alles wieder anders aus. Früher oder später kommt mindestens ein Partner reuig zurück. Beide hätten Fehler gemacht, jetzt werde alles anders, heißt es dann. Man solle es noch einmal probieren. BK

S

Statistik Mit der Scheidung geht es bergab, sie ist nicht mehr en vogue. Das zumindest legen kürzlich veröffentlichte Zahlen des Statistischen Bundesamtes nahe. Demnach wurden im Jahr 2013 insgesamt 169.833 Ehen geschieden. Was noch immer nach einer beachtlichen Zahl klingt, bezeichnet einen Rückgang von 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die höchste Zahl an Scheidungen wurde übrigens im Jahr 2003 verzeichnet. Damals ließen sich knapp 214.000 Ehepaare scheiden. Bedeuten die neuen Zahlen eine Trendwende? Schwer zu sagen, denn gleichzeitig ist auch die Zahl der Eheschließungen – wenn auch im selben Ausmaß – zurückgegangen. Zudem spricht der Umstand, dass nach derzeitigem Stand etwa 36 Prozent aller in einem Jahr geschlossenen Ehen im Laufe der nächsten 25 Jahre geschieden werden, nicht gerade gegen das Modell Scheidung. Auch über die Gründe für den Rückgang geben die Zahlen keine Auskunft, es ließe sich darüber nur spekulieren. Das aber ist nicht Aufgabe der Statistik. BK

T

Trennungsjahr Wenn ein Ehepaar sich entschlossen hat, dass der getrennte Weg schöner sein wird als der gemeinsame, ist eigentlich alles gesagt. Dabei hatte man sich doch früher mal geschworen, einander zu lieben und zu achten, in guten wie in schlechten Zeiten. Und jetzt ist man gefangen in den schlechten. Mit 15 sah die Welt noch anders aus, da hat man einfach Schluss gemacht. Aber als Ehepaar? Kann und sollte man so schnell nicht alles hinwerfen. Deswegen gibt es das sogenannte Trennungsjahr. In diesen zwölf Monaten – so ist es gedacht – sollen beide Partner noch einmal genau überlegen, ob es vielleicht doch noch Hoffnung gibt. Klingt schön, sogar etwas romantisch – ist es aber in den seltensten Fällen. Es sind einfach zwölf weitere Monate, in denen man sich nichts mehr zu sagen hat. LL

Z

Zaster Bei einer Scheidung leidet häufig nicht nur das Herz, sondern auch das Konto. Besonders faszinierend zu beobachten ist dies bei den Reichen und Schönen. Bei Dmitri Rybolowlew etwa. Der Multimilliardär musste seiner Ex-Frau Elena kürzlich nach sechs Jahren Rosenkrieg unglaubliche drei Milliarden Euro Abfindung zahlen! Die teuerste Scheidung der Geschichte, ließen die Anwälte verlauten. Da wirken die einst so sensationellen Scheidungen von Paul McCartney (32 Millionen), Madonna (90 Millionen) oder Steven Spielberg (100 Millionen) fast lächerlich. Wobei: Natürlich sind Millionenbeträge nicht lächerlich, aber im Zirkus der horrenden Summen verliert man als Außenstehender schon mal jegliche Dimension. LL

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