Schlafmünzen

Gehilfen der Kommunikation Günter J. war soeben dabei, mit seinem Steuerberater zu prüfen, wie sich sein Honorar aus der Schlafmünzen-Werbung für die Deutsche Bundesbank so ...

Günter J. war soeben dabei, mit seinem Steuerberater zu prüfen, wie sich sein Honorar aus der Schlafmünzen-Werbung für die Deutsche Bundesbank so anlegen ließ, dass das bundesdeutsche Einkommensteueraufkommen nicht sprunghaft anstieg, da klingelte das Telefon. Ein Schuttunternehmer aus Nordfriesland behauptete, ihm sei heute Nacht ein Fünfmarkstück, das er vor Jahren vor seiner Frau gerettet und in der Nachttischlampe versteckt hatte, direkt ins Auge gesprungen. Günter J. war erstaunt. Er riet dem Mann, sich zu beruhigen und das Geld auszugeben, schüttelte aber nach dem Gespräch den Kopf. »Leute gibt es!«, grinste er zu seinem Steuerberater herüber.

Während er fachkundig die steuermindernde Beteiligung am geplanten FC Bayern-Stadion gegen den Kauf eines steuergünstigen Frachtschiffs mit Segelantrieb abwog, läutete das Telefon erneut. Eine sonore weibliche Stimme aus Niederorschel wollte besorgt wissen, ob Schlafmünzen nacheinander oder gemeinsam aufwachten. Sie habe in einigen 2-Liter-Wermut-Flaschen Tausende von Brautschuhpfennigen gesammelt und befürchte beim gleichzeitigen Aufwachen der Münzen ein Platzen der Flaschen mit gefährlichen Folgen. »Nein«, lächelte Günter J. beruhigend, »das ist nicht zu befürchten«, gab ihr aber den freundlichen Rat, das Geld bald zur Bank zu bringen oder aber doch ans Heiraten zu denken. Sofort notierte er die Frage für seine Quizsendung.

Als J. nach einem anregenden Gespräch mit dem bekannten Fußballmoderator Franz B. über Golfplätze in europäischen Steueroasen gerade den Hörer aufgelegt hatte, ging das Telefon schon wieder. »Kann man nicht wenigstens fünf Minuten ungestört sein?«, sagte er Hilfe suchend zu seinem Steuerberater. Er nahm ab und hörte eine schnaubende Männerstimme: »Hören Sie auf mit Ihrem Spruch ›Her mit den Schlafmünzen!‹ Meine Frau ist gestern von einem Verrückten angefallen worden!« J. erschrak, denn davor hatte ihn die Bundesbank nicht gewarnt. Wie sich herausstellte, waren die Knöpfe am Kostüm der Dame aus Pfennigstücken, die mit Leder umwickelt waren. »Sachen gibt´s«, murmelte J. vor sich hin und wollte mit seinem Steuerberater eben besprechen, ob es nicht sinnvoller sei, das Honorar aus der Schlafmünzenwerbung einem notleidenden Fernsehsender zu stiften, der mit seinen zeitversetzten Fußballübertragungen Schiffbruch erlitten hatte, als ihn das Telefon wieder aus der Ruhe brachte. »Jetzt reicht´s aber«, sagte er zu seinem Steuerberater und schaltete rasch auf den Anrufbeantworter, hörte aber mit.

Die Dame mit stark schwäbischem Dialekt, die sich als Gattin eines Handelsvertreters für Wundverbände zu erkennen gab, bedankte sich überschwänglich für die Schlafmünzen-Werbung. Sie habe gar nicht gewusst, dass ihr Mann so viel Geld im Haus versteckt habe. Heute Morgen, der Gatte war auf Reisen, wackelten plötzlich die Schränke im Büro ihres Mannes. Münzen sprangen aus allen Türen. Aber das Tollste: In einer Großpackung besonders steriler Wundverbände, die durch den Münzenhagel aufgeplatzt war, fand sie achtzigtausend Mark in Scheinen. »Achtzigtausend, der Kerl! Und mir sagt er die ganze Zeit, ich soll mich nicht um diese lächerlichen Münzen kümmern. Recht herzlichen Dank, Herr J., wirklich, nochmals ein herzliches Dankeschön. Und machen Sie weiter!«

Günter J. war glücklich und gerührt zugleich. Er rief gleich die Bundesbank wegen der nächsten Schlafmünzen-Werbung an. Wer so viel Gutes tut, sollte damit nicht aufhören. Und für sein Quiz notierte er sofort als 1-Millionen-Mark-Frage: »Wie werden aus Münzen Scheine?«

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