Schlicht macht glücklich

Games Spiele, in denen die Arbeit von Landwirten, LKW-Fahrern oder Bauarbeitern simuliert wird, sind der Hit. Warum?
Ausgabe 46/2014

Leicht belächeln lassen sich Spiele, die Berufe simulieren: keine richtige Herausforderung, keine Story, langweilig. Gegenüber den Feuerwerken an Fantasie, die manche Games abfackeln, wirken Simulationsspiele wie Streber, mit denen keiner etwas zu tun haben will. Doch der Eindruck täuscht: Simulatoren der Arbeit von Landwirt, Bauarbeiterin oder Lokführerin sind gefragt wie nie. So reicht das Franchise des Landwirtschafts-Simulators mittlerweile über das klassische PC-Spiel hinaus auf Plattformen wie Nintendo 3DS und Playstation Vita. Über vier Millionen Exemplare wurden weltweit verkauft; die neue Version soll im nächsten Jahr auch auf der kommenden Konsolengeneration von PS4 und Xbox One erhältlich sein. Eine Version des Landwirtschafts-Simulators schaffte es sogar bis in den japanischen Handel, und der Stand mit dem Spiel lag auf der Gamescom dieses Jahr prestigeträchtig neben dem von Sony.

Führt zu der Frage, woher der Erfolg rührt, wer ausdauernde Freude daran hat, im Spiel das Leben in einem Landwirtschaftsbetrieb, als Zugführerin oder Bauherr auszuprobieren. Eine Antwort von Susanne Schübel von Astragon, dem Publisher des Landwirtschafts-Simulators, ist die große Zielgruppe: „Manche Eltern kaufen ihren Kindern Simulationsspiele, um sie an erste Videospielerfahrungen heranzuführen. Zugleich gibt es ältere Fans, die uns mitteilen, dass sie mit den Spielen ihren Ruhestand verbringen möchten.“ Zu den typischen Casual Gamers, also Hobbyspielern, gesellt sich mancher Hardcore-Gamer, für den die klare, scheinbar monotone Struktur der Simulatoren Entspannung verspricht nach intensiven Stunden mit Shootern.

Schübel kennt die Spielerstruktur auch deshalb so gut, weil der Kontakt zu den Fans eng ist. Simulatoren sind wegen ihrer Baukastenhaftigkeit offen für von Spielern erstellte Erweiterungen. Die werden nicht nur geduldet, sondern gefördert – und betreffen mal ein nicht serienmäßig enthaltenes Modell einer bestimmten Maschine, mal den Hof, den die Großeltern noch in der Realität bewirtschafteten und der – ins Spiel programmiert – anderen zur Verfügung gestellt werden kann. Für das Modding, wie die Praxis der Erweiterungen durch die Spieler genannt wird, hängt dem Landwirtschafts-Simulator eine extra Anleitung an. Dabei sind die Fans keineswegs isoliert; es gibt Communitys, in denen sie sich austauschen, in Multiplayermodi wird kollaborativ an der jeweiligen Simulation gewerkelt.

Die Faszination der Simulatoren steckt gerade in der tendenziell endlosen Schlichtheit der Tätigkeiten, dem Bauen und Anbauen durchs Modden. Dass sich mit so etwas Alltäglichem wie stupider Arbeit Leidenschaft verbinden kann, ist dann nur auf den ersten Blick merkwürdig. Nicht selten verlängern die Simulatoren diese Arbeit in die Freizeit hinein, spielen also Lkw-Fahrer, die täglich mehrmals dieselbe öde Strecke von Hamburg nach Berlin fahren, nach Feierabend Simulatoren, in denen sie neue Strecken, neue Lkw und andere Frachten ausprobieren.

Geschichten oder ein übergreifendes Ziel sucht man in Simulationsgames vergeblich; die Spielerinnen und Spieler selbst formen ihre eigenen Storys. In anderen Simulationsspielen wie Sims 4 oder Sid Meier’s Civilization stehen einprägsame Persönlichkeiten mit Charakterzügen und Emotionen oder die Spielstrategie im Vordergrund. Bei den Berufssimulatoren bieten dagegen einzig die Abläufe, das Prozessuale von Arbeit, Ablenkung von langweiliger Realität.

Der Landwirtschafts-Simulator 15 von Giants Software ist seit 30. Oktober bei Astragon erhältlich (ca. 24 €)

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