Schluss machen

A–Z Nach der weltweiten Schockstarre über das Ehe-Aus von Brangelina beginnt nun die Phase der Aufarbeitung. Auch der Dalai Lama hat sich bereits geäußert. Das Wochenlexikon
Ausgabe 40/2016
Schluss machen

Foto: EentertainmentPictures/Imago

A

App Dating-Apps gibt es für die gängigen Betriebssysteme wie Sand am Meer, aber auf die simple Idee, eine App für das Beenden einer Beziehung zu schreiben, ist offenbar noch niemand gekommen. Dabei braucht man nicht einmal eine große Datenbank. Manuelles Eintragen der aktuellen Beziehungen ist in wenigen Minuten erledigt. Zusätzlich müsste man nur ein paar Programmfeatures hinterlegen, etwa den simplen Versand einer SMS oder Whatsapp-Nachricht inklusive wählbarem Grund für das Beziehungsende („Wir haben uns auseinandergelebt“, „Du schmatzt beim Essen“ und so weiter).

Zahlende Kunden bekommen mehr: Vom automatisierten Ändern des Beziehungsstatus auf Facebook bis zum Sperren des Zugangs zum gemeinsamen Bankkonto ist alles möglich. Falls Sie Entwickler sind, melden Sie sich bitte über die Redaktion des Freitag bei mir. Gemeinsam können wir so reich (➝ Brangelina) werden, dass „Du bist zu arm“ als Grund schon mal ausscheidet. Uwe Buckesfeld

B

Brangelina Gewalttätigkeit, politisches Überengagement, Alkohol, Unstimmigkeiten bei der Kindererziehung, eine andere Frau – die Spekulationen über das Ende von Brangelina sind vielfältig. Der Superlativ der Promiliebe (➝ Conscious Uncoupling) braucht offensichtlich auch ein Maximum an Schlussmachgründen. Zudem soll nicht nur das FBI ermitteln, auch der Dalai Lama hat sich bereits geäußert. Laut Bunte sagte er zum Ehe-Aus: „Häufig ist die Ehe nur eine Vorbereitung auf die Scheidung.“ Dabei hatte die Beziehung im Boulevard anfangs ein eher negatives Image. Pitt habe für Jolie ja die herzensgute Jennifer Aniston verlassen. Doch die Skepsis verflog, und Brangelina avancierte zur Marke. Der nette Brad wurde cool, die verruchte Angelina UN-Sonderbotschafterin. Weitere Information finden Sie im sozialen Netzwerk Ihres Vertrauens unter dem Stichwort #braxit. Nina Rathke

C

Conscious Uncoupling Schön sind Trennungen meist nicht, oft sogar ziemlich schmerzhaft, und so gibt es immer wieder ehrenhafte Versuche, Beziehungen etwas angenehmer zu beenden (➝ Selbstoptimierung). Eine Option: das sogenannte Conscious Uncoupling, zu deutsch etwa: Bewusstes Loslösen. Bekannt wurde es durch die Trennung von Schauspielerin Gwyneth Paltrow und Coldplay-Frontmann Chris Martin. Die Idee: Statt in einen Rosenkrieg zu geraten, sollten die Beteiligten auf sich selbst und ihre Sorgen und Nöte blicken. Die Beziehung soll so nicht völlig zerstört und, quasi als Teil der Partnerschaft, zu einem guten Abschluss gebracht werden. Rückbau statt Abriss.

Wem das zu verschwurbelt vorkommt, dem liegt vielleicht das andere Extrem, das „Ghosting“, näher, das eher unter der Rubrik „Kurz und schmerzlos“ läuft. Schmerzlos bleibt es aber wohl nur für die eine Hälfte des Paars. Denn Ghosting bedeutet nichts anderes, als plötzlich jeglichen Kontakt zu kappen. Was eben noch Partner war, ist auf einmal gestaltloser Geist. Und schon ist er wieder da, der Trennungsschmerz. Benjamin Knödler

H

Heinrich VIII. Im 16. Jahrhundert nahm der König die Trennung allzu wörtlich. Mit zwei seiner sechs Ehefrauen machte er Schluss, indem er ihnen den Kopf abschlagen ließ. Für Anne Boleyn ließ er extra einen auf das Schwert spezialisierten Scharfrichter aus Frankreich einschiffen. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 328 Frauen ermordet. Für die Hälfte von ihnen führt das BKA Ehemann oder Lebensgefährte als Täter an. Jede vierte Frau hat hierzulande schon Gewalt durch den Partner erfahren. Wenn sie die Liaison beenden will, gerät sie, statistisch gesehen, in Lebensgefahr. Beziehungsgewalt eskaliert oft während der Trennungsphasen (➝ Tragödie) – vor allem, wenn die Frau Schluss macht. Susann Sitzler

K

Kranzgeld Den in ➝ serieller Monogamie lebenden Menschen von heute mag das Beenden einer Beziehung ein munterer Zeitvertreib sein. Sie wissen nicht, dass früher der § 1300 BGB existierte, der Kranzgeld-Paragraf. Demnach konnte eine „unbescholtene Verlobte“ Schadenersatz fordern, wenn sie dem Verlobten „die Beiwohnung“ gestattet, der aber hernach das Verlöbnis gelöst hatte. Die letzte Verurteilung in Höhe von 1.000 DM erfolgte 1980 in Korbach. Später war den Gerichten die Regelung endgültig zu gaga, Klagen wurden regelmäßig abgewiesen, 1998 strich der Bundestag den Paragraphen dann vollends. Die DDR beendete den Unfug schon 1957. Uwe Buckesfeld

P

Putin Seit drei Jahren ist der russische Präsident Wladimir Putin von seiner Frau Ljudmila Alexandrowna Putina geschieden. Die Trennung sei eine gemeinsame Entscheidung gewesen, denn „jeder lebt sein eigenes Leben“, sagte Putin. Die Gerüchte über das Beziehungsleben des Kremlchefs sind allerdings nie verstummt. Wiederholt wurde ihm etwa eine Affäre mit der ehemaligen Weltmeisterin in rhythmischer Sportgymnastik und Ex-Duma-Abgeordneten Alina Kabajewa zugeschrieben. Seitdem kommt jährlich kein Direkter Draht, Putins TV-Sprechstunde, ohne Fragen nach privaten Dingen aus.

Auf harmonische Pressefotos (➝ Wulffs) muss indes nicht verzichtet werden. Immerhin lebt Putin mit Buffy zusammen. Wobei damit nicht die vampirjagende Sarah Michelle Gellar gemeint ist, sondern ein sechsjähriger Karakatschan, ein bulgarischer Hirtenhund, der, gemeinsam mit Yume, einem Akita, in Putins Moskauer Residenz wohnt. Anna Brazhnikova

S

Selbstoptimierung Das neoliberale Gebot der Selbstoptimierung war meiner Gedankenwelt als Teenager noch fern, als sich jenes Telefonat mit meiner damaligen, wie ich selbst etwa 14 Jahre alten Freundin entspannt. Es muss schon eine Stunde angedauert haben, als ich die Intention ihres Anrufs endlich verstand: Sie wollte die Beziehung nach etwa zwei Monaten beenden, ohne dabei selbst diejenige zu sein, die Schluss machte. Sie wollte mich dazu bringen, Schluss zu machen, damit nicht ihr der Makel der Verlassenden anhaftete. Und damit im Freundeskreis nicht mir das Mitgefühl für den Verlassenen zuteil würde.

Bald zwei Jahrzehnte später (➝ Zu spät) ist zu konstatieren, dass ihr Vorgehen wohl keiner perfiden Spielart der Foucault’schen Sorge um sich selbst entsprang. Nach einiger Entrüstung meinerseits verständigten wir uns darauf, die in ihrer Belastbarkeit ohnehin prekäre Bindung einvernehmlich zu lösen. Es gab also keine strafende Macht und kein ausgeliefertes Subjekt, und so haftete auch niemandem ein Makel an. Wir waren froh, dass es vorbei war. Sebastian Puschner

Serielle Monogamie Zwar ist die Anzahl der Scheidungen in den vergangenen Jahren zurückgegangen, doch eine Scheidungsrate von rund 43 Prozent im Jahr 2014 legt zumindest nahe, dass Trennungen im Grunde einfach dazugehören. In Zeiten, in denen zunehmend höhere Ansprüche an Beziehungen gerichtet werden, ist das nicht allzu verwunderlich. Entsprechend haben sich heute neue Partnerschaftsmodelle etabliert.

Eine Form, in der die stets normaler werdende Trennung eine zentrale Rolle spielt, wird von Soziologen als serielle Monogamie bezeichnet: Ein Paar führt eine gewisse Zeit eine feste Beziehung, in der Seitensprünge allerdings nicht gern gesehen sind. Wenn dann allerdings endgültig die Luft raus zu sein scheint, ist die Trennung kein No-Go mehr. Stattdessen wird sie zu einem Startpunkt in einen neuen Lebensabschnitt (➝ Urlaub). Benjamin Knödler

T

Tragödie Überaus blutverschmiert ist die Welt des Abschiednehmens im Theater. Ohne Mord geht es selten aus, ja erst durch den Gewaltexzess (➝ Heinrich VIII.) wird die Tragödie wirklich glaubhaft. Die Liebe von Romeo und Julia bezeugt ihr gemeinsames Dahinscheiden. Würde man darüber in der Presse heute eigentlich als „Ehrenmord“ oder „Familiendrama“ berichten? Amazone Penthesilea richtet wiederum die Waffe gegen sich, weil ihr die anschmiegsame Heldenbrust verwehrt bleibt. Dido stürzt sich ins Schwert, weil ihr Kerl abhaut; Medea ermordet aus Rachsucht ihre Kinder. Dass die meisten dieser Tragödien mit einer verklausulierten Vergewaltigung anfingen – Europa durch Zeus in Stiergestalt, Seherin Kassandra durch Ajax –, wird unterdessen oft weniger klar erzählt. Tobias Prüwer

U

Urlaub Den Alltag hinter sich lassen und endlich Zeit zu zweit verbringen. Der idyllische Pärchenurlaub mag manchen als letztes Residuum der Romantik erscheinen, funktioniert de facto aber oft als endgültiger Liebeskiller. Wie die Umfrage eines Datingportals (➝ App) unter 3.000 Singles ergab, hat sich ein Viertel von ihnen schon mal direkt nach den Ferien getrennt. Kein Wunder: Zwangsnähe und Erwartungsdruck führen zielsicher zum Streit. Optimisten buchen dann aber am besten gleich die nächste Reise. Viele Singles halten sich im Urlaub nämlich für aufgeschlossener und flirten offensiver als zu Hause. Eine Trennung gilt übrigens nicht als Reiserücktrittsgrund. Es ist vielmehr ein individuelles Lebensrisiko. Nina Rathke

W

Wulffs Die Stille nach dem Schluss hielten die Wulffs nicht aus und rappelten sich beziehungstechnisch wieder zusammen, um wieder als lächelndes Paar durch die Boulevardpresse zu flanieren. Zumindest aus aufmerksamkeitsökonomischer Perspektive sieht das so aus. Mag es also tatsächlich ein gefühlsechtes Liebes-Happy-End sein, zupass kam Christian und Bettina Wulff das große Aus vom Aus medientechnisch sehr wohl.

Die Vorgeschichte ist derweil rasch erzählt. Gelangweilt vom Wohnen im Großburgwedeler Klinkerbau mit Panikraum, griff der niedersächsische Ministerpräsident nach den Sternen. Er wurde 2010 der jüngste Bundespräsident, Bettina die jüngste Präsidentengattin – und in Berlin wohnten sie nun auch. Christian stolperte über einen fragwürdigen Kredit (➝ Kranzgeld) und einen Strafprozess wegen Vorteilsnahme, Bettina schrieb ihre geharnischte Autobiografie. Beide trennten sich – und schweben seit einem Jahr wieder im Eheglück. Das Haus sind sie auch losgeworden. Tobias Prüwer

Z

Zu spät Warum hast du mir das angetan, eiskalt lässt du meine Seele erfrieren, wir sind dabei, uns zu verlieren, es ist vorbei, bye-bye, love, du liebst mich einfach nicht, mein Herz schlägt schneller als deins, nothing compares to you, verpiss dich, I will survive, don’t speak – es wäre ein Leichtes, eine komplette Zeitungsseite mit wohlbekannten Popsong- und Schlagertexten zu füllen, die sich an trennungsverzagtes Publikum (➝ Putin) wenden. Die Bandbreite reicht von schwer depressiv (Sinéad O’Connor) über einfach nur traurig (Rio Reiser) und paralysiert-verzweifelt (Andreas Bourani) bis zu trotzig (Gloria Gaynor) oder gar übel rachsüchtig (Alanis Morissette). Manche Musiker schaffen es gar, den Schmerz in eine Partyhölle-hölle-hölle zu verwandeln. Ironie findet man bei Verletzten indes selten. Da sind die Ärzte mit ihrem Evergreen Zu spät eine echte Ausnahme. Sophie Elmenthaler

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