Schluss mit der Gewalt?

Baskenland Der baskische Linke erklärt den bewaffneten Kampf um eine Autonomie für beendet. Offen bleibt, was das für den Eta-Untergrund bedeutet

„Nichts Neues“, kommentiert der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba die neue Friedensinitiative, die 110 Aktivisten der baskischen Linken gerade in Altsasua (Navarra) verkündeten. Und auch die – im Anti-ETA-Kampf weitgehend gleichgeschalteten – spanischen Medien schenkten der Initiative keine größere Beachtung. Doch tatsächlich läuft die Erklärung von Altsasua auf das Ende des bewaffneten Kampfs im Baskenland hinaus.

Das Dokument, dem eine mehrjährige Diskussion vorausging, interpretiert dieses Ende nicht als Scheitern, sondern sinnvollen Strategiewechsel. So wird zunächst auf die Erfolge der baskischen Linken verwiesen. Ihr sei es seit den siebziger Jahren immer wieder gelungen, die franquistische Kontinuität Spaniens sichtbar zu machen und breite soziale Bewegungen gegen die herrschende Politik zu mobilisieren. Dem Autonomie-Statut fehle es im Baskenland heute an Legitimität. Die Mehrheit der Bevölkerung sei davon überzeugt, dass die Menschen in der Region selbst über ihre politische Zukunft entscheiden müssten – genau das jedoch ist der Kern des Konflikts mit Madrid.

Gleichzeitig – so die Erklärung weiter – sei die Situation blockiert. Madrid und Paris sei es gelungen, den politischen Konflikt mit ihrem Anti-Terror-Diskurs zu vernebeln. Vor diesem Hintergrund – so die zentrale These – müsse die „Konfrontation mit dem spanischen und französischen Staat nun auf jenes Terrain verlagert werden, auf dem diese am schwächsten sind – auf das der Politik.“

Ende von ETA?

Einseitig und ohne Einschränkung bekennt sich die baskische Linke in der Erklärung zu einem „demokratischen Prozess“, in dem die Bevölkerung „frei, demokratisch und ohne Gewalt entscheiden“ solle. Sie beruft sich dabei auf die Mitchell-Prinzipien, die einen Gewaltverzicht beinhalten und in den neunziger Jahren den nordirischen Friedensprozess möglich machten. Baskische Beobachter fragen, warum das Dokument die Kernaussage nur indirekt formuliert. Wenn von einer „neuen Phase“ der Auseinandersetzung die Rede ist, in der man mit „ausschließlich friedlichen und demokratischen Mitteln“ agieren werde, dann impliziert das ein Ende der ETA. Hier geht es offenkundig um eine Haltung: Die baskische Linke, die mit dem Dokument mögliche Bündnispartner ansprechen will, verweigert jede Unterwerfungsgeste unter den spanischen Staat. Sie erklärt, dass sie ihre Politik nicht aufgrund der Madrider Repression ändere, sondern weil sie davon überzeugt sei, auf politischem Weg mehr erreichen zu können. Dieses Statement ist auch deswegen wichtig, weil der Strategiewechsel selbstverständlich umstritten ist. Sowohl bei der Partei Batasuna als auch innerhalb der ETA wurde in den vergangenen Jahren heftig über die richtige Reaktion auf die Politik der Regierung in Madrid debattiert.

Mehr Chancen als Risiken

Für Madrid, nicht zuletzt Premier Zapatero, ist die aktuelle Konstellation komfortabel: Die gelegentlichen ETA-Anschläge lassen sich innenpolitisch ausschlachten, und das Verbot Batasunas hat den spanischen Sozialisten eine – fragwürdige – Mehrheit im baskischen Regionalparlament beschert. Eine Neuformierung der Unabhängigkeitsbewegung könnte die Koordinaten in Spanien gehörig durcheinander wirbeln. Aus diesem Grund ist es deshalb auch unwahrscheinlich, dass sich ETA der Initiative verweigern könnte. Die Untergrundorganisation war an der Diskussion selbst beteiligt, sie weiß, dass ein Strategiewechsel mehr Chancen als Risiken birgt. Zwar ist nicht auszuschließen, dass es zu Verwerfungen kommt. Doch andererseits hat die ETA schon 2007 während der in der Schweiz geführten Gespräche mit der spanischen Regierung eine Selbstauflösung angeboten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die ETA ihre Unterstützung für den Strategiewechsel öffentlich machen wird.

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