Schneebesen sind doof

Dingsplatz Kolumne

Es gibt Gegenstände, für die gibt man selbst als begeistertes Mitglied der Konsumgesellschaft nur extrem ungern Geld aus. Nicht nur, weil sie furchtbar langweilig, sondern weil ihre Einsatzmöglichkeiten strikt begrenzt sind. Und also selbst von in der Bewältigung von Haushaltskatastrophen geübten Meistern, die Nägel notfalls mit dem stumpfen Ende eines Dosenöffners in die Wand schlagen oder den verstopften Abfluss des Spülbeckens mit einer kunstvoll verbogenen Gabel reinigen, nicht zweckentfremdet werden können.

Gegenstände, im Norwegischen übrigens adäquat mit dem deutschbasierten Wort "Dingse" bezeichnet, lassen sich entsprechend einfach in doof und nichtdoof, will heißen mono- und multifunktional unterteilen. Toaster eignen sich nicht nur zur Herstellung von Holzkohle aus Brotscheiben, sondern auch als Zigarettenanzünder. Woraus folgt: Toaster sind nichtdoof. Mit Schneebesen kann man dagegen nichts anderes anfangen als Flüssigkeiten durchzuquirlen oder aufzuschäumen, was jedoch durchaus auch mit einer Gabel erreicht werden kann, die jedoch idealerweise zuvor nicht verbogen und in einen verstopften Abfluss gesteckt worden sein sollte. Ergo: Schneebesen sind doof. Wie Salatbesteck, das nur dazu auf der Welt ist, sich beim Herausheben aus der Schüssel sowieso miteinander vermengende Salatingredienzien zu vermischen und dann, mit einer soliden Ölschicht überzogen, dazu beiträgt, dass der Abfluss in der Spüle genau in im allerungelegensten Moment verstopft.

Trotzdem stehen Dingse wie Quirle und Löcher-in-Milchdosen-Stecher und all der ganze andere nur begrenzt nutzbare Kram einem penetrant im Weg herum, wenn man einen dieser gemütlichen Einkaufsbummel macht, bei denen es darum geht, so viele hübsche Gegenstände wie möglich und das auch noch so günstig wie es irgend geht zu erstehen. Für doofe Dingse und ihre anscheinend äußerst hartnäckigen Fans gehört ein eigener Fachhandel eingerichtet, idealerweise große, schon von außen absolut unspaßig aussehende Läden, in deren trostlos beige gestrichenen Regalen monofunktionaler Gegenstand sich an monofunktionalen Gegenstand reiht. Der aus roten oder blauen Plastikclips bestehende notorische Handtuch-Aufhängerersatz kann dort neben dem Schneebesen und dem Dosenmilch-Locher wohnen, in langen, öden und verwaisten Gängen, auf denen das Verkaufspersonal unruhig hin- und herwandert, da eine dieser Verpackungen mit den klammerigen Vorrichtungen präsentabel zurechtzupft, mit denen Tischdecken am Wegfliegen gehindert werden sollen, und dort die Kollektion von Indoor-Wetterstationen neu ordnet.

Grelle Warnschilder, auf denen in Fettdruck und sicherheitshalber auch noch mittels leicht fassbarer Symbole verkündet wird, dass es sich bei dem Shop um einen Fachhandel für ausschließlich blöden Krams handelt, würden arglose Käufer, die einen hübschen Toaster erstehen wollen, bei dem man sich die Nasenhaare nicht versengt, wenn man sich beim Zigarettenanzünden aus Versehen ein bisschen zu tief hinunterbeugt oder Kunden, die nach kleineren, gleichwohl sehr unschönen Problemen mit ihrem Salatöl-geschädigten Küchenabfluss auf der Suche nach einer hübschen Gabel mit leicht zu verbiegenden Zinken sind, daran hindern, in dem blöden Laden ihre Zeit zu vertrödeln. Und diejenigen, deren Haushalte derart geordnet sind, dass ihnen niemals seltsame Dinge passieren, also diejenigen, die tatsächlich ihr Brot in Brotkästen aufbewahren und Handtücher mit Clipsen versehen, statt sie halt einfach über die Heizung zu hängen, können schön unter sich sein und mit dem Personal ausführliche Fachdiskussionen über Schneebesen führen.


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