Schöpferische Zerstörung

Kulturkommentar Wenn Unis kreativ werden müssen: Im Zeitalter von Exzellenzclustern und Spitzenförderung wird manch zweifelhaftes Forschungsprojekt eingereicht, denn es geht um Millionen

Die Maschine der Antragsproduktion und Begutachtung läuft. Im März soll entschieden werden, welche Projekte aus den Hochschulen ihre Vollanträge einreichen sollen. Wer dann im Sommer den Zuschlag bekommt, darf sich freuen: Graduiertenschulen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses können jährlich bis 2,5 Millionen Euro erhalten; Exzellenzcluster zur Förderung der Spitzenforschung werden mit bis zu 8 Millionen jährlich subventioniert. Für „Zukunftskonzepte“ zum Ausbau der universitären Spitzenforschung sind insgesamt rund 142 Millionen pro Jahr eingeplant. Verglichen mit den 18 Milliarden Euro, mit denen die Commerzbank stabilisiert wurde, mögen die 2,7 Milliarden staatlicher Förderung für die Hochschulen gering erscheinen, bei den chronisch unterfinanzierten deutschen Universitäten lösen die Zahlen hektische Betriebsamkeit aus.

Ein unverbrauchter Begriff muss her

Den finanziellen Versprechen des Ministeriums begegnen die Universitäten ihrerseits mit Leistungsversprechen. Und so entstehen zuerst einmal große Worte. Die Anträge für Exzellenzcluster und Zukunftskonzepte müssen gewichtig klingen und ihre Bedeutsamkeit bereits im Titel führen. Die Markierung der eigenen und neuen Position ist wichtig – besonders in den Geistes- und Kulturwissenschaften, die über einen raschen Wechsel von Themen und Paradigmen nicht zu klagen haben. Diesem rasanten Spiel gibt die Exzellenz-Initiative einen Kick.

Von monetären Zusagen angespornt, müssen Konzepte gefunden werden, um Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen und Forschungstraditionen unter einem Dach zusammen zu bringen. Doch die Mühe im Kampf um „Alleinstellungsmerkmale“ – so die Maßeinheit der Förderungswürdigkeit – zahlt sich aus. An der Freien Universität Berlin dürfen Wissenschaftler aus über 20 Disziplinen über „Languages of Emotion“ forschen; an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg arbeiten 250 Wissenschaftler in mehr als 50 Teilprojekten an „Shifting Asymmetries in Cultural Flows“.

... oder ein alter wird aktualisiert

Was aber tut man, wenn keine unverbrauchten Begriffe zu finden sind? Man besinnt sich auf eingeführte Konzepte, die aktualisiert und auf gegenwärtige Problemlagen zugeschnitten werden. An der Berliner Humboldt-Universität etwa sollte der vom Wirtschaftstheoretiker Joseph Schumpeter bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts fruchtbar gemachte Begriff „kreative Zerstörung“ die Klammer für kultur- und sozialwissenschaftliche Disziplinen bilden, die sich um Förderung eines Exzellenzclusters bewarben. Das gelang nicht.

Erfolgreich war dagegen die Bewerbung zur Cluster gestützten Unter­suchung von „Security and Risk“; auf die Ergebnisse darf man gespannt sein. Ebenso spannungsvoll zu erwarten sind die Resultate eines von der Universität Leipzig beantragten Clusters mit dem vielversprechenden Titel „Secularities and Cultural Dynamics“, das seinen einprägsamen Namen der bereits aktiven Graduiertenklasse „Säkularitäten und kulturelle Dynamik“ an der Leipziger alma mater verdankt. Die Kopplung des befremdlichen Neologismus mit einem zum Schlagwort verkommenen Begriff zeigt deutlich, worum es geht: Um die Konstruktion möglichst breiter Auffangbecken zur Sammlung möglichst großer Summen staatlichen Geldes. Was würde nur Max Weber dazu sagen?


Ralf Klausnitzer lehrt deutsche Literatur an der Humboldt-Universität Berlin

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