Schub für die Geschlechterdemokratie

FRAUEN Traudel Klitzke über die Gleichstellungsförderung bei VW

FREITAG: Trotz nachlassenden politischen Drucks halten in den USA viele Unternehmen an gleichstellungspolitischen Maßnahmen fest, weil sie sich als betriebswirtschaftlich sinnvoll erwiesen haben. VW ist ja hierzulande eines der wenigen Großunternehmen, das auf freiwilliger Basis Frauenförderung betreibt - aus ähnlichen Motiven?

TRAUDEL KLITZKE: Es gibt in der Tat eine ganze Reihe ökonomischer Argumente, die für eine betriebliche Frauenförderung sprechen. So haben wir zum Beispiel festgestellt, dass gemischte Teams kostengünstiger und effektiver arbeiten als rein männliche. Dazu kommt ein Imagegewinn für das Unternehmen, der angesichts der Tatsache, dass mehr als dreißig Prozent unserer KundInnen Frauen sind, ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist. Dennoch stehen diese rein ökonomischen Überlegungen für uns nicht im Vordergrund. Was wir wollen, ist die Realisierung einer prospektiven und zugleich nachhaltigen, tragfähigen Personalpolitik, die beiden Geschlechtern gerecht wird. Und das schließt die Berücksichtigung der unterschiedlichen Arbeits- und Lebenslagen von Frauen und Männern natürlich notwendig mit ein.

Wie sieht eine solche Unternehmenspolitik konkret aus?

Wir haben 1992 ein Bausteinprogramm Frauenförderung entwickelt, das alle Zielgruppen von Frauen im Unternehmen umfasst, also von der Montagearbeiterin über die Meisterin, die Ingenieurin bis hin zur Managerin. Die Bausteine beinhalten unter anderem Themen wie Arbeitszeitgestaltung, Wiedereinstieg, partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz, Mentoring - also genau jene Punkte, die auch im Gesetzentwurf als mögliche Handlungsfelder ausgewiesen werden. Darüber hinaus spielt die breite Sensibilisierung für die Geschlechterfrage in der betrieblichen Praxis eine entscheidende Rolle. So führen wir zum Beispiel seit 1998 im Rahmen unseres Mentoringprogrammes für den weiblichen Führungsnachwuchs gezielt Gendertrainings für Topmanager durch, um ihnen die Augen zu öffnen, wo die Barrieren für Nachwuchsfrauen liegen - hauptsächlich in der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Erziehungsarbeit, aber eben auch in anderen Bereichen. Dabei haben wir übrigens die Erfahrung gemacht, dass Manager, deren Töchter vor eben solchen Barrieren stehen, oft sehr viel aufgeschlossener für diese Problematik sind. Gleichzeitig ist eine breite Bewusstseinsbildung eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Projekte, mit denen wir die tatsächliche Situation der Frauen im Unternehmen erheblich verbessern konnten, keine Eintagsfliegen darstellen, sondern dauerhaft verankert werden. Das betrifft insbesondere das Wieder-Einstiegs-Programm für Eltern nach der Babypause, unser Ziel, 30 Prozent Frauen ins Management, die Perspektiven für Facharbeiterinnen, die Arbeitszeitgestaltung sowie das Programm gegen sexuelle Belästigung von Frauen.

Die deutsche Wirtschaft läuft derzeit fast unisono Sturm gegen das geplante Gleichstellungsgesetz: Überflüssig, zu regulativ und zudem beschäftigungsfeindlich, heißt es von Arbeitgeberseite. Teilen Sie diese Bedenken gegenüber einer gesetzlichen Regelung der betrieblichen Frauenförderung?

Im Gegenteil. Wir erhoffen uns von dem Gesetz einen neuen Schub in der Geschlechterdemokratie und zwar durchaus eigennützig: Schließlich haben wir in Deutschland ein eklatantes Defizit beim Thema Frauen in Fach- und Führungspositionen. Unter anderem deshalb, weil an den Universitäten noch zu wenig getan wird, um Studentinnen in naturwissenschaftlich-technischen Fächern auszubilden. Da setzen wir auf die Sog- und Breitenwirkung eines gesetzlichen Handlungsrahmens, denn als "Endabnehmer" wünschen wir uns verstärkt junge weibliche Potentiale direkt von den Hochschulen.

Das Gespräch führte Karin Nungeßer

Traudel Klitzke ist Diplompsychologin und leitet seit 1992 die Frauenförderung in der VW-Konzernzentrale in Wolfsburg

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