Schumi in der Schweiz

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Der Mann ist kaum zu verstehen. Irgendetwas hat nicht geklappt, wir müssen telefonieren. Ist schon komisch, denke ich. Er nennt es Hochdeutsch. Wir reden weiter, dies und das, ich war noch nie in der Schweiz, soll doch mal vorbeikommen, wunderschöne Landschaft und so. Ja denk ich. Aber es ist weit bis in die Schweiz, die Landschaft muss warten. Dann fällt der Name Schumacher und die Stimme des Mannes wird langsamer, als wolle er, dass ich ihn genau verstehe. Was ich höre, verschlägt mir die Sprache. Der Schumi hatte sich niederlassen wollen, im Kanton, gleich nebenan, in der Gemeinde. Und er, er hat dagegengeschrieben, dagegengeredet. Fünfzehn Hektar für Schumi. 15 Hektar bekommt sonst nur ein Landwirt. Es gibt Gesetze, sagt er, in der Schweiz. Ja, Gesetze. Hat dagegen geschrieben, ist auch nicht irgendwer, er, Autor, Verleger, Schillerpreisträger und so. Sie tun, als wär der Schumacher ein halber Gott, mindestens, der neue Franz von Assisi. Dabei kann der nur Auto fahren und immergleiche abgehackte Sätze sprechen. Ob ich das verstehe? Ich lache. Schumi ist mir egal. Ihm war Schumi nicht egal. 15 Hektar mit Hubschrauberlandeplatz. Wo Hubschrauber landen, landen keine Vögel mehr, Naturschutz und so. Gibt auch Gesetze. Aber die Gemeinde wollte Schumi, den Helden, den halben Gott. Über eine Million Steuern im Jahr. In Deutschland wären es über 30 Millionen. Irre. Aber über eine Million ist auch viel. Dafür hätte er Bäume abholzen können, auch wenn es Gesetze gibt und so. Nun, Schumi ist woanders hingezogen, Genfer See. Die Vögel hier können weiter landen, schön. Für die Vögel. Für ihn nicht. Wird geschnitten seitdem. Kann fast nicht mehr in den Wald spazieren gehen. Wird beschimpft, auch angegriffen, tätlich. Morddrohungen gab es auch. Klingt wie ein Sujet für´n Roman, denke ich. Sage ich. Er lacht bitter. Sein Verlag hat ihn rausgeschmissen, Begründung: zu negativ. Und in die Gaststätte der Freundin, kleine gemütliche Wirtschaft, kommen kaum noch Leute. Geht an die Existenz, sagt er. Ist kein Spaß. Sie suchen schon ein anderes Haus. In anderer Gegend. Kann nicht mehr leben hier, sagt er. Dabei macht der Schumacher nichts weiter als Auto fahren, der Held, der Gott. Aber was ist der Schillerpreis gegen einen roten Ferrari, ein Schriftsteller gegen Breitreifen, ein Gesetz gegen Hubschrauber. Sowieso können immer weniger Leute lesen. Wir beenden das Gespräch, ich lege auf, der Hörer liegt. Ich stehe und schweige. Draußen nieseln die Tropfen vom Himmel, die eigentlich Schneeflocken sein sollten.

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