Es ist eine bittere, tragische Realität, dass Frausein auch immer bedeutet, zu lernen, sich selbst zu schützen. Dumme Sprüche kontern lernen. Souverän auf schlecht fotografierte Pimmelbilder reagieren, die übereifrige Männer schicken. Selbstverteidigungskurse besuchen, in die man schon als Jugendliche geschickt wird, weil: Man soll sich ja wehren können.
Es gibt einen ganzen Wirtschaftszweig, der darauf ausgerichtet ist, die Wehrhaftigkeit von Frauen zu brechen. Männer geben Tausende von Euro aus, um in den Seminaren sogenannter Pick-up-Artists, die nichts anderes sind als in Philipp Plein (oder ähnliche Mode für Männer mit Geld und ohne Stil) gekleidete Vergewaltigungsapologeten, zu erlernen, wie man eine Frau dazu nötigt, mit ihnen Sex zu haben. Und falls das nicht funktioniert, gibt es immer noch den guten alten Plan B: Man überzeugt „die Schlampe“ notfalls mit ein bisschen Gamma-Hydroxybuttersäure.
GHB oder „K.-o.-Tropfen“ wirken in Kombination mit Alkohol sowohl enthemmend als auch die Urteilsfähigkeit und das Erinnerungsvermögen beeinträchtigend. Die geschmack- und geruchlose Substanz ist zudem schon nach einigen Stunden nicht mehr nachweisbar, weshalb GHB regelmäßig Verwendung als sogenannte Date-Rape-Droge findet. Seit 2012 wurden allein in Berlin 230 Fälle gemeldet, bei denen Täter ihre Opfer mit GHB betäubten. Die Organisation Weißer Ring e. V. geht von einer wesentlich höheren Dunkelziffer aus – viele Betroffene trauen sich nicht, die Tat anzuzeigen. In einer Gesellschaft, in der Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt werden, immer noch eine Mitschuld an dem Erlittenen attestiert wird, ist das leider wenig verwunderlich. Die Schuldumkehr kann von „Haben Sie nicht vielleicht doch einfach zu viel getrunken?“ bis hin zu „Jetzt bereut sie den Sex und schreit ‚Vergewaltigung‘ “ reichen.
Auch eine Freundin der Studentin Kim Eisenmann wurde mit der Droge betäubt. Um weitere Vorfälle wie diesen zu verhindern, hat Eisenmann zusammen mit einem Freund das Armband Xanthus entwickelt. Es funktioniert ein wenig wie ein Lackmustest für GHB: Man tupft ein paar Tropfen des Getränks auf das Testfeld des Armbands; verfärbt es sich blau, sollte man den Securitys, dem Barpersonal oder den Gastgeber*innen Bescheid geben, dass sich ein potenzieller Vergewaltiger unter den Partygästen befindet. Das Armband kann GHB erkennen, nicht jedoch andere sedierende Drogen. Dies soll jedoch bei den Nachfolgemodellen geändert werden. Xanthus gibt es inzwischen bei der Drogeriemarktkette dm zu erwerben – vier Armbänder mit je zwei Testfeldern für knappe zehn Euro.
Das ist selbstverständlich erst einmal begrüßenswert: eine weitere Möglichkeit für Frauen, sich zu schützen. Super Sache, oder? Nun können besorgte Eltern ihren Töchtern Xanthus-Armbänder zustecken, wenn diese feiern gehen.
So notwendig es ist, Mädchen zu lehren, aufzupassen, so tragisch ist es jedoch auch. Es wird eine Unmenge an Zeit, Geld und Energie investiert, um Mädchen zu lehren, nicht vergewaltigt zu werden. Ich habe einen Gegenvorschlag: Bringt Jungen bei, keine Vergewaltiger zu werden. Bläut ihnen ein, dass sie kein Recht auf einen anderen Körper haben, dass Sex ohne vorherigen Konsens ein Gewaltakt ist, dass es ihre verdammte Pflicht ist, Frauen und ihre körperliche Autonomie zu respektieren. Es sind Männer, die in die Verantwortung genommen werden sollten, Vergewaltigungen zu verhindern, nicht Frauen. Denn, wer weiß, in der Logik der Schuldumkehr könnte es womöglich bald heißen: „Selber schuld, dass sie mit GHB vergewaltigt wurde. Hätte sie mal ein Xanthus-Armband getragen.“
Kommentare 17
Wenn ich mein Fahrrad draußen abstelle ohne es abzuschließen, und es wird geklaut, sagt dann nicht auch jeder, du Depp, warum hast du es nicht abgeschlossen? #VictimBlaming
So richtig die Forderungen im letzten Absatz auch sind: In einer gewalt- und sexismusdurchwirkten Gesellschaft ist einschlägiges Verteidigungs-Knowhow bitter nötig. Ob Armbänder, Kickbox-Kenntnisse, CS-Gas oder entsprechendes Auftreten: Was hilft ist gut und gut ist, was hilft.
Ansonsten: Persönliche Vorsorge treffen heißt selbstverständlich nicht, politische Kampagnen für intergeschlechtlich friedvollere Zustände zu vernachlässigen.
Übst du das vor dem Spiegel? Sagst du die "Meinungen" erstmal deinem Spiegelbild ins Gesicht, damit du dann in elaborierter Lethe-Manier gegen sie polemisieren kannst? Mit dem obigen Artikel haben deine Entäußerungen jedenfalls nicht viel zu tun.
«dies nicht darauf schließen lässt, dass die Gesellschaft dieses Verhalten verharmlost oder positiv bewertet?»
Aber möglicherweise hervorbringt/generiert/begünstigt?
Von Verharmlosung und positiven Bewerten sprach i.Ü. niemand.
«"Beibringen" im "Brave New World"-Style oder eher à la "Die geschützen Männer"?«
Dir fallen keine anderen Möglichkeiten ein?
Soll heissen, Männer/Jungen sind halt so (zumindest ein gewisser Prozentsatz)?
mir fehlt die phantasie - wo alkohol alleine schon unkritisch macht und enthemmt, waszu dann noch ko tropfen? fuer nichtpaarungsbereite kaffee und apfelsaft trinkerinnen auf zwielichtigen partys? in der disco vor dem nachhausegehen, oder nachts zu zweit auf der parkbank in den wein, wer soll das sinnvollerweise wem wo einfloessen, sowas machen boese jungs doch eigentlich nicht, oder etwa doch?
«Wie denn?....Ich wüsste nicht...»
Es gab (und es gibt Sie heute noch- siehe: (z.B.)Volk der matriarchalisch organisierten Mosuo»; Gesellschaften, in denen (nicht nur) sexualisierte Gewalt nicht stattfand, es gab nicht einmal Wörter dafür.
Wäre doch vielleicht lohnenswert, sich damit zu befassen.
Eine, die das (u.a.) getan hat, ist Mariam Irene Tazi-Preve, die das in Ihrem Buch «Das Versagen der Kleinfamilie» thematisiert. Ansonsten hat die Matriarchats-Forschung da interessante Einblicke und Anregungen zu bieten.
«manche Menschen sind halt nicht so, wie brave Bürgerinnen sich das idealerweise vorstellen»
Das (allein) ist keine bahnbrechende Erkenntnis, nicht neu und keiner Erklärung nötig.
Interessant wäre aber herauszufinden, (siehe meinen Kommentar an ThomasF), was Vergewaltiger «entstehen» lässt, ob das wirklich eine Naturkonstante oder aber eher ein soziokulturelles Problem ist.
"Es sind Männer, die in die Verantwortung genommen werden sollten, Vergewaltigungen zu verhindern, nicht Frauen."
dem kann ich nur zustimmen. und doch ist es für den übergang sicherer, wenn frauen sich notfalls auch körperlich zur wehr zu setzen lernen. väter, kümmert euch um in jeder hinsicht starke und selbstbestimmte töchter! väter, lebt euren söhnen die stärke eurer persönlichkeit vor und nicht die eurer vermeintlichen körperlichen überlegenheit! das zu vermittlen ist in der tat nicht (nur) mütterarbeit.
Das liegt am GHB Konsum... Da vergisst man schon mal den zusammenhang
Der Tipp am Schluss ist sicher gut gemeint. Das Problem ist aber: Wer tut das? Oder wen möchte die Autorin ansprechen?
Da die Gesellschaft keine Hoheit über die Erziehung von Kindern hat, ist dieses ansinnen nur im schulischen Umfeld denkbar. Dort wird aber Knaben im allgemeinen nicht beigebracht Vergwaltiger zu werden. Mir ist auch kein anders Umfeld bekannt wo das so üblich wäre.
Erstaunlicherweise leben wir alle in einer Welt, in der wir umgeben sind von Straftaten jeglicher Art und müssen uns davor schützen. Es gibt Menschen, denen dabei ein besonderer Schutz zu kommen muss, weil sie nicht in der Lage sind sich selbst vor Mißbrauch zu schützen. Aber im allgemeinen gehören Frauen nicht zu dieser Gruppe.
Das es im zwischenmenschlichen zusammenleben immer wieder zu Verwerfungen und Unstimmigkeiten kommt ist ein anderes Thema. Aber nicht jeder der sich nicht zu benehmen weiss, wird automatisch zu einem Verbrecher.
Als Mann ist man ja durchaus auch solchen Menschen ausgeliefert und die Anzahl der Opfer z.b. durch Köperverletzungen liegt deutlich über denen in dem Artikel genannten Fälle.
Das sind aber Dinge die konkret in Schulen thematisiert werden. Mit den Fingern auf eine bestimmte Gruppe zeigen, das machen eigentlich nur Rechte und werden zu Recht dafür kritisiert, weil es für die Probleme an sich nicht hilfreich ist.
Es wird immer Menschen geben (nicht nur, aber naturbedingt vor allem Männer), die sich in geeigneten Situationen brutal, heimtückisch, rücksichtslos gegen andere (bevorzugt Frauen) verhalten, aber ich hoffe wie wahrscheinlich die meisten auf eine kommende Gesellschaft, in der man den Mitmenschen vertrauen kann, weil asoziales Verhalten die seltene Ausnahme ist. Unsere Gesellschaft ist eine sozialgestörte Gesellschaft, in der man selbst von Bekannten negativ überrascht werden kann und Fremden zunächst einmal ein vergleichsweise starkes Mißtrauen entgegenbringen muß. Die gegebenen Bedingungen zwingen uns, uns weniger naiv und offen als vielmehr strategisch zu verhalten. Das ist der beste Schutz. Aber für junge Menschen etwas viel verlangt. Sozialisation muß leider heißen, mit den Übeln vertraut machen.
Ansonsten ist der zivilisatorische Weg die Inanspruchnahme von Polizei und Rechtssystem. Wenn alle Übergriffe, auch bei voraussehbarer Erfolglosigkeit, zur Anzeige kommen, wird bei mehrfach Beschuldigten das Gewicht der Indizien exponentiell steigen. Verhindern kann man asoziales Verhalten nicht, aber man kann fortgesetztes Fehlverhalten effektiv rechtsstaatlich ahnden.
„Die Wahrscheinlichkeit, auf individueller Ebene Opfer zu werden, kann man durch adäquate Vorbereitung schon senken, indem man stärker ist.“ Richtig, nur setze ich die Präferenz „indem man mental stärker ist“. Ich spreche mich ja nicht kategorisch gegen einen kraftvollen Selbstschutz aus, aber Deine Empfehlung ist der Rat eines Bellizisten. Als Pazifist ziehe ich Abrüstung und kluge Defensive vor und möchte die härteren Waffen für die zuständigen öffentlichen Institutionen vorbehalten wissen. Abgesehen davon ging es um k.o.-Tropfen, dagegen hilft nur, den Gegenüber richtig einzuschätzen. Und das beschriebene Armband. Und der Vorschlag des Blogs, statt auf Verhaltensänderung der Mädchen und Frauen auf eine andere ansozialisierte Einstellung des männlichen Parts zu setzen ist ja auch eine Defensivstrategie, und eher die wichtigere.
Ein ärgerlich alberner Artikel, der mit seiner Argumentation unterstellt, dass Vergewaltigung quantitativ ein Massenphänomen wie das Übertreten von Verkehrsregeln sei.
Es dürfte keine Banalisierung der Vergewaltigung sein, wenn man dagegenhält, dass es nicht erforderlich ist, Jungen “einzubläuen“, dass sie Frauen nicht missbrauchen dürfen. Denn, nein, es ist nicht die Regel, dass Männer so etwas tun, wie uns die Autorin glauben machen will. Es ist genauso die Ausnahme, wie das Verüben anderer Gewaltdelikte. Dass Vergewaltigungen weit überwiegend von Männern an Frauen begangen werden, macht es zwar zu einem männlich dominierten Phänomen, was aber nicht bedeutet, dass jeder männliche Sproß dazu geprügelt (“einbläuen“) werden muss, nicht zu vergewaltigen, da dieses sonst unausweichlich wäre.
Dass ferner durch das Angebot einer Drogeriekette ein allgemeiner Zwang auf Frauen ausgeübt werde und dessen Nichtbefolgung zwangsläufig auf jene zurückfalle, ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, dass es schon wehtut. Auf was für Ideen doch ein dm-Besuch bringen kann ...
Volle Zustimmung, ohne Abstrich!
«...unterstellt, das Vergewaltigung quantitativ ein Massenphänomen ist....Es ist genauso die Ausnahme, wie das Verüben anderer Gewaltdelikte»
Sicher?
«Tatsächlich ist Vergewaltigung in Deutschland ein Massenphänomen. 2014 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) 7345 Fälle versuchter oder vollendeter Vergewaltigung zur Anzeige gebracht (mehr als 20 pro Tag). Experten gehen von einer sehr viel höheren Dunkelziffer aus. Einer Studie des Bundesfamilienministeriums von 2004 zufolge sind 40 Prozent aller Frauen in Deutschland seit ihrem 16. Lebensjahr bereits Opfer sexualisierter Gewalt geworden»
https://www.fr.de/politik/geschaendete-fakten-11114908.html
Ich habe nicht gesagt, dass Vergewaltigungen so selten wären, dass sie ein randständiges Gewaltphänomen darstellen. Natürlich ist jede Vergewaltigung eine zu viel und wir haben tatsächlich leider viel zu viele davon.