Schwarzers Werk und Merkels Beitrag

Bilanz Nach 15 Jahren Kanzlerinnenschaft stellt sich die Frage: Hat Angela Merkel etwas für den Feminismus erreicht?
Ausgabe 03/2021
Na, wer ist hier Feministin?
Na, wer ist hier Feministin?

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Vom Woman20-Gipfel, der 2017 in Hamburg stattfand, gibt es ein wirklich anrührendes Foto. Da sitzen Ivanka Trump, Christine Lagarde und Angela Merkel auf einem Podium. Trump und Lagarde heben die Hand, Merkel amüsiert sich und bildet mit ihren Händen eine sanft angetäuschte Raute um ein Mikrofon. Gefragt worden war, wer von den drei Frauen sich als Feministin sehe. Die Tochter des US-Präsidenten tut dies, die damalige IWF-Direktorin und nunmehrige EZB-Präsidentin Lagarde noch mehr, folgt man ihrem nach den Sternen greifenden Arm. Die mehrfach zur mächtigsten Frau der Welt gekürte Kanzlerin nicht. Zu der Zeit hätte es Angela Merkel wahrlich nicht mehr geschadet, zu sagen: Ich bin Feministin. Es wäre aber eine Lüge gewesen. Und die Frau, die wie kaum eine andere in der Lage ist, Dinge und Angelegenheiten bis zu Ende zu schweigen, lügt nicht. Auch wenn das nur in übertragenem Sinne haltbar ist; wir wissen, dass jeder Mensch lügt, im Zweifelsfall schon, wenn er „Guten Morgen“ wünscht.

Angela Merkel hat einmal sinngemäß gesagt, es läge ihr fern, sich auf etwas draufzusetzen, wofür andere (sie nannte Alice Schwarzer) hart gekämpft und noch härter bekämpft worden sind. Sie mochte sich „nicht mit der Feder schmücken“. Das war nicht bescheiden, sondern klug. Feministin zu sein, dazu gehört mehr, als ein hohes Amt zu bekleiden und sich 16 Jahre lang wacker und erfolgreich zu behaupten. Und egal, wie weit die Demokratie schon gekommen ist: Eine erklärte und wirkliche Feministin würde hierzulande nicht Kanzlerin werden. Ob sie nun in der CDU oder der SPD ist. Bei der SPD wahrscheinlich sogar noch weniger.

Hat sie aber, ohne sich damit schmücken zu wollen, etwas für den Feminismus bewirkt in diesen langen 15 Jahren, die ja auch bedeuten, dass eine ganze Generation heute junger Frauen mit Angela Merkel an der Spitze des Landes aufgewachsen ist?

Nein. Was nicht heißt, dass Angela Merkel nichts für Frauen und Gleichberechtigung und Verbesserungen in kleinen Schritten erreicht hat. Ganz und gar nicht. Auch wenn die Aufzählung dessen, was sich da faktisch nennen lässt, zeigt, dass es keine strukturellen Veränderungen gab. Es wäre ungerecht, ihr das anzulasten, Angela Merkel ist nicht das System und kann diesem System innewohnende Gesetzmäßigkeiten nicht außer Kraft setzen.

Jetzt kommt der Rollback

Die Einführung des Elterngeldes wird genannt. Gute Sache mit vielen Webfehlern. Eine 30-prozentige Frauenquote für Vorstände börsennotierter Unternehmen, nun eine Miniquote für Vorstände überhaupt. Dagegen steht: Kaum Verringerung beim Gender-Pay-Gap, der Frauenanteil im Bundestag unterirdisch, alleinerziehende Mütter so angeschmiert wie eh und je. Und nun haben sich drei Kerle um den CDU-Vorsitz beworben – was einem kleinen Rollback gleichkommt. Die Männer werden es vielleicht ausgleichende Gerechtigkeit nennen, 16 Jahre sind eine lange Zeit.

Es gibt weitere Fotos, die Legenden bilden. Merkel, Kramp-Karrenbauer, von der Leyen – Kanzlerin, neue Verteidigungsministerin, scheidende Verteidigungsministerin auf dem Weg nach Brüssel. „Ist schon Matriarchat?“, fragte Margarete Stokowski. „Die eiskalte Tupperparty“ titelte der Tagesspiegel und beschied, dass noch Generationen von Frauen davon reden würden, wie diese drei CDU-Frauen die Gleichberechtigung vorangetrieben hätten. Nun ja.

Dafür, dass dies überhaupt möglich war, haben andere Frauen, die Feministinnen waren, sich auch so nannten und deswegen bekämpft wurden, bis aufs Blut, gefochten. Das ist nicht Merkels Verdienst. Aber sie hat Achtung dafür verdient, dass sie etwas daraus gemacht hat.

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