Skepsis und Verzweiflung am Telefon. Bei meiner Schweden-Connection, überzeugte Europäerin, pro Euro, vor Jahren bei den EU-Beitrittsverhandlungen aktiv dabei, liegen die Nerven blank. Vor der Abstimmung am Sonntag führen die Gegner in den Umfragen, und das politische Establishment ist ratlos. Premier Göran Persson, bei den Sozialdemokraten so unbeliebt wie alternativlos, will selbst bei einem Ja nicht ausschließen, dass Schweden den Euro erst viel später einführt. Ein Ja wäre also auch ein kleines Nein.
Wer hinter der Ablehnungsfront allein konservativ-religiöse Kräfte vermutet, liegt völlig falsch. Alle Parteien sind in dieser Frage tief gespalten - vorneweg Politiker der Linkspartei und der Grünen, die mit der europäischen Idee erstaunlich wenig anfangen können.
Warum passiert das ausgerechnet in einem Land, in dem die Bürger von Kindesbeinen an sich sprachlich und kulturell über den nationalen Tellerrand hinausbewegen? Können die Schweden den lange gepflegten Spagat zwischen eigenen Traditionen und einer weit fortgeschrittenen Internationalisierung, zwischen dem Nationaltanz Hambo und dem globalen Techno, nicht länger aushalten?
Noch immer unterscheidet sich Schweden sozial- und arbeitsmarktpolitisch wohltuend vom restlichen Europa. Aber vielleicht lockt trotzdem die gute alte Zeit des "schwedischen Modells". Weltweit stand man im Mittelpunkt des politischen Interesses, die Arbeitslosenquoten lagen bei zwei Prozent, schwedische Unternehmen waren Vorreiter der späteren Globalisierung - und in Krisenzeiten standen radikale Abwertungen der Krone zur Rettung bereit. Auch wenn diese Therapie seit dem EU-Beitritt nicht mehr anwendbar ist - die sichtbare Abwahl der eigenen Währung kommt für alle einem lauten Türknall gleich, der auch die letzten Illusionen zunichte macht.
Trotz einer gewissen Endzeitstimmung ist die Euro-Kampagne ganz anders verlaufen als die hitzige Debatte von 1994, als es um die Aufnahme in die EU ging. Damals war von Prostituierten die Rede, die ins Land strömen, von einer bevorstehenden Vorherrschaft der katholischen Kirche und - auf der Gegenseite - von einem goldenen Zeitalter. Abgesehen von einem peinlichen Zwischenfall, für den die Parteivorsitzende der Zentrumspartei Maud Olofsson sorgte, indem sie die heutigen Euro-Befürworter mit Adolf Hitlers Ziel einer Gleichschaltung Europas verglich, gab es solche Zuspitzungen dieses Mal nicht.
So ruhig die Diskussion, so unübersichtlich ist aber jetzt auch die Lage. Unter den Euro-Protagonisten sind sowohl Linke als auch Rechte zu finden, während sich im gegnerischen Lager gleichermaßen anarchistische Jugendliche und Großunternehmer tummeln.
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