Seelenbalsam

Militär als Mittel Bündnisgrüne Friedenspolitik ist klassische Sicherheitspolitik im nationalen Interesse

Zweifelsohne: viele Bündnisgrüne freuen sich, dass sie wieder Teil der Friedensbewegung sind. Das verdanken sie paradoxerweise genau der Regierung, die sie in den Kosovo-Krieg und den Kampf gegen den Terrorismus geführt hat. Wir erinnern uns: Sowohl die rot-grüne Koalition wie auch die grüne Partei wären daran fast zerbrochen. Das wohlige Gemeinschaftsgefühl inmitten von hunderttausenden von Anti-KriegsdemonstrantInnen ist daher Balsam für die grüne Seele.

Damit allerdings unterliegen sie einer Selbsttäuschung, denn die radikal-pazifistische Friedensbewegung hat sich von der Bundesregierung distanziert und klargestellt, dass die Kriegsdienstverweigerung der Bundesregierung nicht ausreicht, sie erwarte eine Totalverweigerung. Das kann sich die Regierung, die sich international sehr weit und in der Person Schröder etwas plump zum Fenster hinausgelehnt hat, gar nicht leisten.

Das Problem ist, dass es bei den Grünen keinen intellektuellen Platz mehr für friedenspolitische Vordenker gibt. Es fehlen Personen, die die reale Politik mit attraktiven Visionen verknüpfen können. Die öffentliche Kompetenz der Grünen hat sich inzwischen in die Sicherheitspolitik verlagert. Der Auslöser für den Wandel war die Kosovo-Debatte, in der es noch um Werte, Menschenrechte ging, der qualitative Umschlag war die Entscheidung für »Enduring Freedom«. Damit haben die Bündnisgrünen Sicherheitspolitik in ihrer eigentlichen Form als Verteidigungspolitik, Militär als Mittel von Politik anerkannt.

In der Friedenspolitik hat die Partei seit ihrer Gründung viele Anregungen aus der Friedensbewegung aufgegriffen, zum Teil selbst mitformuliert und in Regierungshandeln umgesetzt: Beispiele sind die Einrichtung des Zivilen Friedensdienstes und des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze. Dass Prävention eine große Rolle in der deutschen Außenpolitik spielt, geht auch auf die Grünen zurück. Jetzt noch aktive grüne Politiker in der Außen- und Sicherheitspolitik sind vor allem Vertreter des institutionellen Pazifismus wie zum Beispiel Ludger Volmer. Während die Selbstbeschränkung der Außenpolitik früher den Verzicht auf Militär bedeutete, ist heute ein moderater Gebrauch des Militärs damit gemeint. Der Begriff der erweiterten Sicherheit soll eine Brücke schlagen zwischen den grünen friedenspolitischen Vorstellungen und der Realität eines »unübersichtlichen« internationalen Systems.

Fakt ist: Die Ablehnung der Bundesregierung an der Beteiligung am Irak-Krieg entspringt keiner friedenspolitischen Motivation. Sie ist sicherheitspolitisch begründet - und im Falle des Außenministers zusätzlich durch die besondere deutsche Verantwortung für Israel und den Palästinakonflikt geprägt: Die Frage ist nicht, ob die irakische Bevölkerung leiden wird, sondern dass die Leiden aufgrund der zu erwartenden negativen Folgen für die Region nicht zu verantworten sind: eine ganz klassische stabilitätspolitische Begründung also.

Im Ausland wird die Politik der Bundesregierung gerade auch von kritischen Geistern positiver wahrgenommen als zum Teil bei uns. Noch vor den Angriffen der Koalition der Willkürlichen hat sich beispielsweise der linke Country-Rocker Steve Earle während eines Konzerts in Berlin beim Publikum für die deutsche Position zum Irak-Krieg bedankt.

Doch das Entscheidende an der Politik der Regierung Schröder/Fischer, was in der Friedensbewegung und bei vielen Grünen noch nicht wahrgenommen wurde, ist, dass mit der Entscheidung für »Enduring Freedom« und nicht mit dem Kosovo-Krieg die Normalisierung der bundesdeutschen Außenpolitik vollendet wurde. Das jetzige just-say-no folgt dem, was die gegenwärtige Regierung für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland hält. Auch das wurde im (grünen) Freudentaumel über die Anti-Kriegsstimmung noch nicht realisiert.

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