Sender im Dienst der NATO

Libyen Auf die Unterstützung der Medien können sich die Interventionsstrategen mittlerweile fast blind verlassen. Allen voran auf die des ZDF

Mittlerweile ist aus der so genannten humanitären ­Intervention in Libyen ein hässlicher Krieg geworden. Still­schweigend hat sich das Ziel der UN-Resolution, die Zivilbevölkerung zu schützen, in die erklärte Absicht der NATO verwandelt, das Gaddafi-Regime zu beseitigen. Wer hätte das gedacht? Eigentlich jeder, der halbwegs bei Sinnen ist und sich mit den Interventionsstrategien des Westens ein wenig auskennt. Und die Interventionsstrategen können sich mittlerweile auf eine Kraft schier blind verlassen: die Medien.

Nun gut, Journalisten sind keine Historiker und selten sensible Seelen, doch selbst in Kreisen rustikaler Einfalt müsste sich doch herumgesprochen haben, dass Kriegsgründe stets mit Propagandaschlachten verbunden sind. Mit anderen Worten, es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. So war das zuletzt in Jugoslawien, mit dem Irak oder Afghanistan. Medien haben weitergereicht, was ihnen interessierte Regierungen oder bezahlte PR-Agenturen gerade an Massakern oder Massenvernichtungswaffen frei Haus lieferten. Hinterher sah es dann meist anders aus – auch wenn man es vorher mit ein bisschen Recherche hätte wissen können. Doch statt vorsichtig zu werden, haben unsere Medienvertreter mittlerweile alle Scheu abgelegt. In ihren Augen ist nicht der Krieg der Zivi­lisationsbruch, sondern die Verweigerung des Bombardements. Niemand verkörpert diese Haltung mit mehr schauriger Grandezza als Claus Kleber vom ZDF. Abend für Abend bringen Kleber und die Seinen ihren gerechten Krieg in moralische Höchstform. Wir hören allein von getöteten, verletzten, bedrohten und geschundenen Rebellen. Menschen, die wir angeblich nur mit Bomben retten können. Wir in unseren Sesseln müssen bloß ein bisschen zustimmen, den Rest erledigt dann schon die NATO. Man muss schon gründlich suchen, um ein paar Informationen darüber zu finden, wer diese Rebellen denn eigentlich sind. Und dann könnten einem schon erhebliche Bedenken über die Lauterkeit ihrer Revolte kommen. Besser also gar nicht erst darüber berichten.

Tapfer tut man so, als kämpfte in Libyen ein ganzes Volk gegen den verhassten Diktator. Doch es sieht so aus, als stünde ein erheblicher Teil der Bevölkerung hinter Gaddafi. Und das heißt für den Krieg, den unsere Journalisten unbedingt führen wollen, nichts Gutes. Besser also nicht darüber berichten.

Punkt für Punkt machen sich Journalisten dumpfste NATO-Propaganda zu eigen. Folglich stehen Verhandlungen überhaupt nicht mehr zur Debatte. Kann man gleich vergessen, erklärt uns ZDF-Mann Stephan Hallmann: „Gestern Abend hat hier auf einer Pressekonferenz der Sprecher der Regierung das Blaue vom Himmel versprochen: Waffenstillstand, freie Wahlen, Demokratie, wenn die Aufständischen nur mit Gaddafi verhandeln würden. Aber das fällt ihnen natürlich schwer. Sie weisen darauf hin, dass Gaddafi sie vor Kurzem noch als Ratten bezeichnet hat.“ Das ist ja empörend! So ganz beiläufig erfährt man, dass politischer Spielraum bestünde, doch noch bevor NATO-Generäle Nebelkerzen werfen können, entlarven unsere Journalisten alle Diplomatie als üblen Trick, der nur den schönen Lauf des gerechten Krieges stört.

Über Libyen wissen wir fast nichts, schon gar nicht, wie viele Menschen­leben die smart-bombs des Humanismus bislang gekostet haben, doch eines ist schon jetzt gewiss: Die Bereitschaft des Journalismus, sich in den Dienst der Kriegspropaganda zu stellen, hat ein erschreckendes Niveau erreicht.

Der Publizist Walter van Rossum lebt in Köln und Marokko

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