Sensible Objekte

Dokumentation Wie UN-Inspektor Richard Butler den Vier-Tage-Krieg vom 16. bis 19. Dezember 1998 herbeiführte

Der ehemalige UN-Waffeninspektor Scott Ritter hat bei mehreren in jüngster Zeit geführten Interviews auch darüber gesprochen, wie es beim Inspektionsregime der UNSCOM-Mission zwischen 1992 und 1998 möglich war, Vorfälle zu inszenieren, mit denen der Irak einer Verletzung der Spielregeln beschuldigt werden konnte. Als besonders gravierend beschreibt Ritter Ereignisse vom November/Dezember 1998, die zu mehrtätigen Luftangriffen der USA führten. Wir dokumentieren den Extrakt seiner Aussagen.

Am 30. November 1998 traf sich ein ranghohes Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates der USA mit UN-Chefinspektor Richard Butler, um diesem mitzuteilen, die USA planten für Mitte Dezember Luftangriffe auf militärische Ziele im Irak. Die Inspektionen sollten nach Möglichkeit einen Vorwand dafür liefern. Butler begann damit, einen Inspektionsplan mit heiklen Kontrollzielen zu erstellen, von denen zu erwarten war, dass sie die Iraker provozieren würden.

Man muss dazu wissen, dass im Juni 1996 der Schwede Rolf Ekeus als UN-Emissär nach Bagdad geflogen war, um "Modalitäten für die Inspektion sensibler Einrichtungen" auszuhandeln. Danach sollte zunächst jeweils nur vier UNSCOM-Inspektoren der Zutritt zu jedem gewünschten Objekt garantiert werden - allerdings nur um zu prüfen, ob dieses Objekt etwas mit Massenvernichtungswaffen zu tun haben könnte oder es sich um ein aus irakischer Sicht "sensibles Objekt" handelte, auf das sich der UNSCOM-Auftrag nicht bezog.

Diese Modalitäten wurden vom Sicherheitsrat gebilligt, sie waren praktikabel, wenn auch nicht perfekt. Anfang Dezember 1998 erklärte Butler nach seinen Kontakten mit der US-Regierung gegenüber Inspektorengruppen, die sich auf einen Einsatz im Irak vorbereiteten, sie sollten nach ihrer Ankunft die geltenden Modalitäten für null und nichtig erklären. Butler veranlasste das ohne Abstimmung mit dem Sicherheitsrat. So fuhr eine UNSCOM-Gruppe in Bagdad zum Hauptquartier der Baath-Partei, vor dem ihr erwartungsgemäß der Zutritt verweigert wurde: Das sei eine "sensible Einrichtung", hieß es, was die Inspektoren sofort zurückwiesen, Begründung: der 1996 ausgehandelte Konsens sei hinfällig. Die Iraker akzeptierten daraufhin den Kompromiss, ausnahmsweise für sechs UNSCOM-Leute die Tore zur Baath-Zentrale zu öffnen - die fanden nichts.

Folglich forderte der Leiter des Teams freien Zugang für eine größere Gruppe von Inspektoren - die Iraker lehnten ab, UNSCOM zog sich zurück. Richard Butler formulierte unmittelbar danach einen Bericht, in dem er den Vorfall als Beispiel für die "eklatante Missachtung des Mandats des UN-Sicherheitsrates" anführte und zum Anlass nahm, sämtliche Inspektoren abzuziehen. Er brach damit das Versprechen, das er dem Sicherheitsrat gegeben hatte, nie einseitig UNSCOM-Mandate zu annullieren. Schließlich waren die Inspektoren im Auftrag der Weltorganisation und nicht der USA oder des UNSCOM-Chefinspektors im Irak. Doch Butler telefonierte in Bagdad lediglich mit US-Botschafter Peter Burleigh und zog seine Crews zurück. Das war am 14. Dezember 1998 - zwei Tage später begannen die Bombardierungen.

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