Shoa in Dresden

Geschichte Kaum etwas erinnerte daran – jetzt zeigt eine Ausstellung das Grauen, aber auch die Hoffnung
Ausgabe 07/2014

Sie steht vor dem Dresdner Rathaus und gilt als eines der wichtigsten Denkmäler der Stadt: die Trümmerfrau des Bildhauers Walter Reinhold. Ginge es aber nach Gorch Pieken, müsste neben dieser Trümmerfrau noch eine weitere Figur stehen. Nicht alle seien damals nämlich „so proper und schön“ gewesen wie jene Trümmerfrau und hätten erst im Mai 1945 begonnen, die Zerstörungen des Krieges zu beseitigen. „Monate vorher gab es ausgemergelte, geschundene Menschen, die 1,65 Meter groß waren, 35 Kilo wogen und zu Trümmerarbeiten zwangsverpflichtet wurden.“ 500 Juden, sie kamen aus Konzentrationslagern, hätten damals die Shoa für die Dresdner Tag für Tag sichtbar gemacht. „Aber heute erinnert in dieser Stadt nichts mehr an sie“, sagt Pieken.

Pieken ist Wissenschaftlicher Leiter des Militärhistorischen Museums hier und konfrontiert die sächsische Landeshauptstadt mit unbequemen Wahrheiten. Pünktlich zum 13. Februar, dem Jahrestag der Zerstörung Dresdens durch die Alliierten im Jahr 1945, hat er die Ausstellung „Schuhe von Toten. Die Shoa in Dresden“ eröffnet. Pieken will damit den Blick auf die Schicksale von Juden lenken, die ab dem Jahr 1933 systematisch aller Rechte beraubt, vertrieben und ermordet wurden.

Die Ausstellung erzählt die Geschichte von 33 Familien, die von ganz normalen Bürgern zu „Sternträgern“ wurden. Und sie macht klar, dass es für die verheerenden Bombenangriffe auch eine zweite Lesart gibt: Sie zerstörten eine ganze Stadt und töteten rund 25.000 Menschen. Und waren doch Zeichen der Hoffnung für jene Juden, die durch die Trümmerarbeit der Deportation entkamen. Eine Hoffnung auf Überleben, so Pieken, die sich für viele jedoch nicht erfüllt habe: Je näher das Kriegsende rückte, desto brutaler und unerbittlicher sei der Gewaltexzess der „Volksgemeinschaft“ geworden. In den sogenannten „Endphasenverbrechen“ machten sich nicht nur SS-Schergen schuldig: „Wir haben Aufzeichnungen darüber, wie ganz normale Hausfrauen sich an der Steinigung von Zwangsarbeitern beteiligt haben.“

Erinnerung nicht pervertieren

Was Pieken und sein Team in ihrer Ausstellung zutage gefördert haben, ist schwere Kost für die Stadt, die sich mit ihrer Erinnerungskultur immer schwergetan hat. Jahrelange peinliche Diskussionen waren nötig, bis man sich von einem Konzept des allzu „stillen Gedenkens“ verabschiedete und den Neonazis geschlossen etwas entgegensetzte, die jedes Jahr in perversen „Trauermärschen“ an die Dresdner Bombenopfer erinnern. Inzwischen ist die Menschenkette, die die Innenstadt vor den Rechten schützt, fester Bestandteil der Gedenkveranstaltungen. An denen beteiligt sich auch das Militärhistorische Museum seit seiner Eröffnung im Herbst 2011 immer wieder.

Doch das ist für Pieken nicht genug. Er will erreichen, dass es nicht nur am 13. Februar ein Glockengeläut aller Kirchen der Stadt gibt, sondern auch am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. „Weil es nicht ausreicht, nur an einen Teil der Opfer zu erinnern und den anderen zu verschweigen.“ Darauf, dass diese Botschaft gehört wird, gibt es zarte Hinweise: Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) lange Zeit dagegen, das Andenken an die Toten mit einem deutlichen Bekenntnis gegen rechts zu verknüpfen, hat in diesem Jahr vor den offiziellen Veranstaltungen der Stadt einen Termin in Piekens Ausstellung, für die sie auch die Schirmherrschaft übernahm. Auch wenn die wehtut.

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