sie kocht ...

... und ich schaue ihr dabei zu. sitze auf dem sofa und zappe ein letztes mal Ö1 an, gefasst, beinahe gleichmütig, gerade so, als wäre alles ...

... und ich schaue ihr dabei zu. sitze auf dem sofa und zappe ein letztes mal Ö1 an, gefasst, beinahe gleichmütig, gerade so, als wäre alles vorangegangene an mir vorbei und durch. dann ein zur erholung gedachter schluck aus dem campariglas, verstohlener blick über anrichte und tisch hinüber zum herd, auf dem es brodelt und zischt. stählernes, porzellanenes und gläsernes türmt sich rundum. schwungvoll wirft sie eine hand voll gewürze in die pfanne, drauf ein glas jener flüssigkeit, die uns alle umzuwerfen pflegt. meterhohe blutspritzer, patsch, der deckel! weil und darum und überhaupt! rot/grün/ausgewaschen sträubt sich ihr haupthaar, das sie neuerdings ungleich lang trägt. hexe, das hast du von mir, ich nehme noch einen schluck, ich schlucke. eng anliegendes in flammenmuster und hosen so beinfrei wie das bein lang ist. darunter netzstrümpfe, deren löcher zu klein waren, sodass sie in kreativer anwandlung größere hineinfabrizierte. sie spreizt das eine bein in seltsamer verrenkung ab, deckel runter! sie stampft das andere wiehernd in den fußboden, dass die holzspäne wirbeln. der stählerne stapel wankt, sie lässt ihn krachen und lacht. derweil sie den deckel hochhält, hantelt sie weitere gewürze vom regal, rote, grüne und schwarze. wusch und hinein damit, aufgießen! sie hat es gelernt, das muss man ihr lassen. rundum pulvern und perlen sich die reste. drohend dreht sie ihren schopf in meine richtung und blitzt giftgrün durch den raum. und jetzt das gemüse. fleischermesser her und schnippel und schnappel. wieder spritzt rotes auf. wieder läuft flüssiges über. geifer aus ihren lippen, von keiner schminke verdorben. darum! sie wankt, nur einen moment lang könnte sie weinen, und weiter. klopf, raspel, schüttel und zappel. den nacken bös nach hinten geworfen, den buckel gemacht. porzellanenes von zuunterst aus dem stapel gefischt, dass er wankt. die hände zu fäusten, dann, zisch, aus dem topf, sie verschwindet im dampf. sie schreit: kannst du nicht endlich! das hast du von mir, schlucke ich und schlucke die erwiderung runter. der dampf färbt sich blau, die schwaden legen sich klebrig auf die kästen und fliesen. gläsernes wankt, die küche klirrt. stocksteif die netzstrumpfbeine, zehen durch löcher nach draußen gebohrt. ich lache. sie schnaubt. rührt in ihrer suppe, dass einem das erbarmen kommt. heute wie immer das ewig gleiche. sichelförmiger auswurf scharfer zutaten, das gemüse zu heben. zuletzt angedünsteter knoblauch, damit die teufel am ende doch draußen bleiben. ich bin fast achtzehn, sagt sie in bewusst heiliger ruhe. fast achtzehn, der rechte beweis für alle möglichkeiten und alles mögliche. streicht über die ringe an ihren fingern, versunken, stolz. plötzlich bockt sie auf und patsch, deckel ab! jetzt drückt sie verzückt das blut aus den ringen in die fast garen speisen. jetzt wirft sie uns alle um! sie boxt uns aus dem ring! sie rührt und rührt und geräuschvoll schmeißt sie den kochlöffel von sich. soll heißen, ich will raus hier! und weiter, weil doch so schön: schwenkt, gart, bäckt, hebt unter, gießt aus, gießt auf. wenigstens lässt du mich kochen, dümpelt es aus den atemkanälen meiner tochter, das, sage ich, hast du ja auch von mir. hau ab, schreit sie, beinahe schon lachend. sie kocht nicht mehr vor wut. ich bin erwachsen, sagt sie, und: das essen ist fertig.

Erika Wimmer, geboren 1957 in Bozen, lebt als Literaturwissenschaftlerin und Autorin in Innsbruck. Sie schreibt Hörspiele und Theaterstücke, im Deuticke-Verlag erschienen ihre Romane Manchmal das Paradies (1999) und Im Winter taut das Herz (2002).

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