Sie schauen, immer schon

Flanieren Der männliche Beobachter schrieb Literaturgeschichte. Der weibliche Blick ist bis heute marginalisiert
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 34/2019
Sie schauen, immer schon

Foto: Universal History Archive / Universal Images Group / Getty Images

Herbst 2014, nachts. So wie fast jede Nacht gehe ich draußen spazieren. Das hilft gegen Einsamkeit, so kenne ich es aus meinen Lieblingsbüchern von Patrick Modiano und Wilhelm Genazino. Meistens halte ich es keine paar Stunden in meinem überteuerten 4-m²-Zimmer aus. Ich laufe gerade über den Place de la Bastille, Paris. Ich kenne den Mann nicht, wir haben uns vorher kein einziges Mal gesehen, kein einziges Wort miteinander gewechselt. Als ich an ihm vorbeigehe, trifft mich seine Rotze genau zwischen die Schulterblätter.

Es ist weder das erste, noch das einzige Mal, dass ich Street Harassment am eigenen Leib erfahre. Im Gegenteil, für mich und alle Frauen die ich kenne, ist es Alltag, begafft, angefasst und öffentlich erniedrigt zu werden. Und das nich