Sie wussten etwas

Kommentar US-Untersuchungsausschuss zum 11. September 2001

"Was wusste der Präsident, und wann wusste er es?" lautete die berühmte Frage des Untersuchungsausschusses zur Watergate-Affäre, die Richard Nixon zu Fall brachte. 30 Jahre später stellt der Untersuchungsausschuss zum 11. September 2001 die gleiche Frage. Aus dem vom US-Kongress eingerichteten Gremium kommen immer neue Hiobsbotschaften für George Bush. Am 24. März trat Richard Clark in den Zeugenstand. Er diente vier US-Präsidenten als Anti-Terror-Spezialist und war bis Sommer 2001 Mitglied in Bushs Nationalem Sicherheitsrat. Er warf besonders Sicherheitsberaterin Rice vor, seine Warnungen im Vorfeld missachtet zu haben. Und dann sprach er die unerhörten Sätze: "Den Angehörigen der Opfer des 11. September ... sage ich: Ihre Regierung hat Sie im Stich gelassen. Jene, deren Auftrag es war, Sie zu schützen, haben versagt."

Nach dieser Attacke war die bisherige Position des Weißen Hauses, Sicherheitschefin Rice dürfe nicht vor dem Ausschuss aussagen, nicht mehr zu halten. Bei ihrem Auftritt am 8. April musste sie zugeben, dass dem Präsident am 6. August 2001 ein CIA-Memorandum mit dem bemerkenswerten Titel Bin Laden zu Angriffen in den Vereinigten Staaten entschlossen vorlag. Darin war von "verdächtigen Aktivitäten" die Rede, die mit "Flugzeugentführungen ..." in Beziehung stehen könnten.

Und CIA-Chef George Tenet bezeugte am 14. April vor dem Ausschuss, er habe Bush nach dem Presidential Daily Briefing am 6. August 2001 nicht mehr persönlich gesprochen. Tags darauf dementierte ihn sein eigener Sprecher: Tenet sei am 17. und 31. August auf Bushs Farm gewesen, bis zum 8. September sei der Präsident "mindestens sechs weitere Male über neue Hinweise in Kenntnis gesetzt worden". Ebenfalls am 15. April platzte eine weitere Bombe. Die Agentur AP meldete um 6.44 Uhr: "Wenige Monate vor den Anschlägen vom 11. September haben US-Militärexperten ein Manöver vorgeschlagen, bei dem der Absturz eines entführten Passagierflugzeuges auf das Pentagon simuliert werden sollte." Bis dato war aus dem Weißen Haus immer zu hören gewesen, man habe sich den Einsatz von Flugzeugen als Waffe niemals vorstellen können.

Diese AP-Meldung wurde in fast allen deutschen Medien ignoriert, das CIA-Memo vom 6. August 2001 teilweise gar als Entlastung für Bush gewertet. "Für alle Verschwörungstheoretiker bietet das Dokument kein Futter", höhnte die Zeit auf ihrer Website. Kurz darauf behauptete allerdings ausgerechnet Zeit-Autor Oliver Schröm, in dem veröffentlichten CIA-Text fehlten größere Passagen. Für ein Zeit-Dossier Ende 2002 hatte er über das CIA-Papier geschrieben, dass es "statt der sonst üblichen zwei bis drei diesmal elfeinhalb bedruckte Seiten" umfasse. Davon waren nach Freigabe des Dokuments am 10. April 2004 nur noch knapp zwei Seiten übrig - man fragt sich: Wo ist der Rest?


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