Sieger und Verlierer in Personalunion

Frankreich Die Nationalversammlung hat den europäischen Fiskalpakt verabschiedet. Das Regierungslager kam zwar auf eine eigene Mehrheit, doch 20 Sozialisten stimmten dagegen
Der Wind bläst Hollande von vorn ins Gesicht. Und der Herbst beginnt erst
Der Wind bläst Hollande von vorn ins Gesicht. Und der Herbst beginnt erst

Foto: Patrick Kovarik / AFP / Getty Images

Bevor das Resultat des Votums über den Fiskalpakt, den Nicolas Sarkozy und Angela Merkel Euro-Staaten diktiert haben, bekannt wurde, waren Sieger und Verlierer schon ausgemacht. Sie fallen in einer Person zusammen – François Hollande ist der Sieger und zugleich der Verlierer. Sieger ist er, weil eine Mehrheit im Parlament zustimmen wird. Verlierer ist Hollande, weil er im Wahlkampf und gleich nach der Wahl laut verkündete, er wolle den Vertrag – der definitiv nicht seiner war – neu aushandeln. Mit diesem Vorhaben biss er in Berlin auf Granit. Die virtuell gesamteuropäische Sparkommissarin Merkel wich kein Jota vom Vertrag ab, beharrte auf Ihrem „So-oder-gar-nicht“ und setzte sich mit dem Spardiktat durch, das kein vernünftiger Ökonom als „alternativlos“ bezeichnet. Als Placebo erhielt Hollande von Angela Merkel den „EU-Wachstumspakt“ zugestanden, der im Wesentlichen nur aus umgeschichteten und umgewidmeten EU-Finanzmitteln besteht, die so gering sind, dass man damit keinen Wachstumsmotor zum Laufen bringen kann. Mehr als eine symbolische Konzession, die Hollande nicht ganz nackt dastehen lässt, war das nicht.

Frankreichs Präsident konnte sich früh als Sieger fühlen, weil die oppositionelle UMP ankündigte, sie würde auf jeden Fall für den Vertrag und die damit verbundene Austeritätspolitik stimmen. Der linke Flügel der Sozialisten dagegen äußerte starke Bedenken gegen den Fiskalpakt. Kein Mensch konnte mit Sicherheit voraussagen, wie viele sozialistische Abgeordnete sich der eigenen Regierung verweigern würden. Im Parlament verfügen die Sozialisten über eine eigene Mehrheit, sind also auf grüne Stimmen nicht angewiesen.

Veto der grünen Mehrheit

Bruno Le Roux, der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten, bearbeitete die oppositionellen Abgeordneten des PS einzeln und konnte auf eine eigene Mehrheit der Regierungspartei für den Fiskalpakt rechnen – also mindestens 289 von 557 Stimmen. Vor einer Woche gab es in einer Probeabstimmung zum Fiskalpakt bei den Sozialisten immerhin 13 Neinstimmen und 2 Enthaltungen.

Die Grünen („Europe Écologie. Les Verts“) – stille Teilhaber an der Regierung mit zwei Ministern – lehnten den Fiskalpakt auf ihrem Parteitag fast mit Zweidrittelmehrheit ab, was umgehend zu einer Parteikrise führte. Ihre Wahlkampf-Lokomotive Daniel Cohn-Bendit lässt seither seine Parteimitgliedschaft ruhen, behält also einen Fuß in der Tür. Sein riskantes Spiel könnte für den 68-Jährigen zu einem unschönen Abgang aus der französischen Politik aber auch zum Zerfallen „seiner“ Partei führen.

Gegen den Fiskalpakt stimmten Kommunisten, Linke, die meisten Grünen, der Front National und einige versprengt Rechte – zusammen 70 Parlamentarier, hinzu kamen 21 Enthaltungen. Linke und Gewerkschaften riefen schon am vorletzten Sonntag zu einer großen Demonstration auf und Zehntausende kamen. Der Wind bläst Hollande – dem Sieger, der ein Verlierer ist –, von vorn ins Gesicht. Und der Herbst beginnt erst.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden