Sind so kleine Fäustchen

NSA Die Bundesregierung kann wenig gegen das Ausspähen ihrer Bürger durch ausländische Geheimdienste tun. Das wissen auch die Wähler
Ausgabe 31/2013

Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily hat in einem Spiegel-Interview den Versuch unternommen, seine Partei, die SPD, zur Besonnenheit bei dem Thema „Snowden und die Folgen“ zu mahnen. Er hat nachdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig den Sozialdemokraten und ihren Wählern stets das Thema innere Sicherheit gewesen ist.

Die Diskussion der letzten Wochen hatte ja den bizarren Einfall hervorgebracht, es gebe für die Bürger kein Grundrecht auf Sicherheit. Schily geht nun als Jurist den komplizierten Weg, aus dem Artikel 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) auch die Verpflichtung des Staates abzuleiten, die Würde das Menschen zu schützen, wozu eben auch der Schutz des Lebens gehört. Das ist richtig. Einfacher aber ist es, bei den Philosophen nachzuschlagen und sich etwa von Thomas Hobbes darüber belehren zu lassen, worin die Grundlage des Verfassungsstaates besteht. Der Staat garantiert dem Bürger Sicherheit, dafür leistet der Bürger den Gesetzen des Staates Gehorsam. So funktionieren Polizei und Justiz. Ist alles kein Geheimwissen.

Über Geheimwissen verfügen Geheimdienste, und es ist längst ein Gedankenspiel kreativer Geister, ob und in welchem Umfang Geheimdienstchefs ihre Regierenden über alles unterrichten, was sie wissen. Sie wissen viel, sie wissen immer mehr, die Technik macht’s möglich.

Sollen die dem Rechtsstaat verpflichteten Regierenden da eingreifen, indem sie die Nutzung technischer Möglichkeiten drosseln? Bei der Bespitzelung eigener Bürger durch die eigenen Dienste mag das möglich sein. Ausländische Dienste an dem Versuch zu hindern, herauszubekommen, was sie wissen wollen, ist weitaus schwieriger. Vor allem sollte man die Rhetorik mit dem Stichwort „unter Freunden“ aus dem Spiel lassen. Staaten kennen keine Freunde.

Als Angela Merkel vor dem Brandenburger Tor zu Obama von der „unverbrüchlichen Freundschaft“ zu den USA sprach, verriet das Adjektiv die Phrase, die sie ursprünglich gelernt hatte – „zu den friedliebenden Völkern der ruhmreichen Sowjetunion“. Im Warschauer Pakt waren die Staaten ebenso wenig befreundet wie in der Nato. Wer will, kann von Wertegemeinschaft reden. Besser spricht man von Interessen.

Als Wahlkampfthema taugt das alles nicht. Wie unglücklich muss sich die SPD fühlen, dass sie es dennoch versucht. Auch wer heftigen Abscheu vor dem Ausgespähtwerden durch amerikanische Dienste – und die der Engländer und der Franzosen – empfindet, weiß doch auch, wie wenig eine deutsche Regierung mit dem Pochen auf deutsche Gesetze dagegen ausrichten kann.

Dass Frau Merkel nach Washington fährt und mit ihren kleinen Fäustchen auf den Tisch des Präsidenten haut, will doch niemand. Und wer von ihr daheim krachende Worte erwartet, wünscht der sich den Kaiser Wilhelm mit seinen berüchtigten Reden zurück? Gewiss nicht, gewiss auch die SPD nicht. Das ist das Problem ihres Wahlkampfs. Die Wähler wissen, dass die Sozialdemokraten hier wie auch sonst nichts anders machen würden als die Union. So ist es.

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