Skepsis und klammheimliche Freude

Aufbruch links von der SPD Die Meinungen in den Gewerkschaften sind geteilt - einige sehen die Chance, andere die Spaltung

Geht es darum, für die SPD in Landesparlamente oder gar den Bundestag einzuziehen, sehen sich Gewerkschaftsfunktionäre nicht vor Probleme gestellt. Sie tun dies "im Interesse der Mitglieder" und halten ihre politischen Ambitionen mit dem Gedanken der Einheitsgewerkschaft für vereinbar. So sitzt etwa der bayerische DGB-Vorsitzende Fritz Schösser für die SPD im Bundestag und mit ihm gut ein Dutzend amtierender oder ehemaliger Gewerkschaftsfunktionäre. Hört man sich aber derzeit unter dieser Klientel zum Thema neue Linkspartei um, so sieht man viele Mandatsträger auffallend schmallippig werden und ein "einerseits - andererseits" abwägen. In der ersten Reihe wird gar das "Gespenst der Spaltung" an die Wand gemalt. So von DGB-Chef Michael Sommer, der meint, eine Spaltung der Linken habe stets den Konservativen genützt.

Allerdings verließen während der vergangenen zwei Jahre viele Gewerkschafter die SPD, allen voran der letzte Vorsitzende der IG Medien, Detlef Hensche. Auch die Chefs der DGB-Landesbezirke Hessen und Thüringen, Frank Spieth und Dieter Hooge, haben ihr Parteibuch zurück geschickt. Hooge ist inzwischen nicht mehr im Amt und betätigt sich bei der WASG, in der die IG-Metall-Funktionäre Thomas Händel und Klaus Ernst den Ton angeben. Auch sie haben längst die Illusion verloren, die SPD könne wieder nach links rücken.

"In der Partei ist kein Platz mehr für Arbeitnehmerinteressen", sagt auch Meike Lüdemann von der IG Metall Hamburg-Bergedorf. An der Basis höre sie viel Unmut über die offizielle Politik. Auch Franz Münteferings Kapitalismuskritik könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPD vom linken Pfad abgekommen sei. Doch nach Oskar Lafontaines Ankündigung, möglicherweise für eine gemeinsame Liste von PDS und WASG zu kandidieren, verspürten viele Gewerkschafter einen "frischen Luftzug".

Nur eine solche Verbindung hat für Lüdemann eine realistische Chance, in den nächsten Bundestag einzuziehen. Einer offenen Liste der PDS erteilt sie eine Absage: "Das hat doch einen Grund, wenn bisher 6.000 in die WASG eingetreten sind und nicht in die PDS." Bernd Rixinger, Vorsitzender des Stuttgarter Zweigs der Dienstleistungsgewerkschaft verdi, empfindet Lafontaines Offerte als "Geschenk an die Linken", das die nicht fahrlässig ausschlagen dürfe. Und für das ehemalige IG Metall-Vorstandsmitglied Horst Schmitthenner - er ist heute Beauftragter des Verbindungsbüros soziale Bewegungen - stellt eine "Wahlpartei" unter Beibehaltung der Eigenständigkeit von WASG und PDS eine "historische Chance" dar, um soziale Alternativen ins Parlament zu tragen. Andere Gewerkschaftslinke halten die Strategen der WASG für "blauäugig" - gleichwohl wollen sie ihre Skepsis nicht öffentlich äußern, um "unseren Freunden in der WASG nicht zu schaden", wie es ein Mitarbeiter der Grundsatzabteilung von verdi formuliert. Wie auch immer - über den Achtungserfolg der WASG in Nordrhein-Westfalen mit aus dem Stand erzielten 2,2 Prozent empfinden viele Gewerkschafter bis in die Spitzen der Einzelgewerkschaften hinein "klammheimliche Freude", doch sei für ein Engagement in einer solchen Partei die Zeit noch nicht reif. Der saarländische DGB-Vorsitzende Eugen Roth - zugleich SPD-Landesvize und Landtagsabgeordneter - hält das Linksprojekt für "ziemlich riskant". Er sei zwar froh, dass im politischen Raum wieder "Klartext gesprochen wird", doch komme es auf die Wirkung an. Er sei skeptisch, ob es möglich sein werde, der SPD etwas entgegen zu setzen. Vorläufig bleibe die Angst vor einer schwarz-gelben Bundesregierung größer als der Mut zum Aufbruch.


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