Als wär´s das Neueste vom Neuen, wird derzeit auf vielen Podien das offenbar problematische Verhältnis von Politik und Medien debattiert. Ein Unbehagen liegt in der Luft. Das Spiel, das in der heiligen Trias von Journalisten, Politikern und PR-Beratern gespielt wird, ist freilich bekannt: Schwarzer Peter.
So auch auf den 37. Mainzer Tagen der Fernsehkritik, einem traditionellen Termin für den durchs Land wandernden Medienzirkus. Info ohne - tainment? hieß das Thema und das Fragezeichen sollte suggerieren, es ließe sich vielleicht wieder etwas rückgängig machen. Wo doch jeder weiß, in welchem Ausmaß die Trennschärfe zwischen Information und Unterhaltung in den letzten Jahren geschwunden ist - es jedenfalls wissen sollte, spätestens
spätestens seit die ARD-Tagesschau an vorderer Stelle über den an einer Großpackung Gurkengläser verunfallten RTL-Klon Daniel Kübelböck berichtete.Auffallende Widersprüche. Es wächst einerseits der Anspruch an Information mit Tiefenschärfe, objektiv wie auch im Bedürfnis der Zuschauer, jedenfalls der öffentlich-rechtlich orientierten. Weshalb das ZDF auch ankündigt, Informationsprogramme zur tragenden Säule zu machen. Andererseits diagnostizierte der Jenaer Wissenschaftler Georg Ruhrmann, Fernseh- Nachrichten würden tendenziell immer unpolitischer (was man auch dem Augenschein entnehmen kann) und 30 Prozent der Zuschauer würden sie gleich wieder vergessen oder ganz ignorieren.Wie es bei den vielen Fernseh- Magazinen aussieht, formulierte in Mainz der Medienjournalist Joachim Huber: Marketingjournalismus, Aufgeregtheit, Panikmache und kontextlose Stimmungsmache. Auch bei den öffentlich-rechtlichen. Huber wunderte sich, dass sich die Magazineure niemals wundern, wenn die Welt immer noch steht, die sie eine Woche zuvor haben untergehen sehen. "Aber frag mal nach den Zusammenhängen und den Hintergründen. Da wird´s abstrakt, komplex, kompliziert - drei Begriff, bei denen der gemeine Magazineur in Ohnmacht fällt".Dazu das allumfassende Quotendenken, das der Kommunikationswissenschaftler Siegfried H. Schmidt mit der Verantwortung der Macher konfrontierte: "Wenn die Verantwortlichen sich als bloße Reaktoren auf sogenannte Nutzerbedürfnisse präsentieren, dann gestehen sie damit ein, dass lediglich einen leer laufenden Zirkel von Produkt und Bedürfnis, Bedürfnis und Produkt in Gang halten." Auch keine neue Diagnose, aber treffend.Neuerdings vermehrt auf den Podien anzutreffen sind Medienberater. Es besteht offenbar Erklärungsbedarf. Die Selbsterklärung der Medienberater in Mainz lautete: es werde nicht zuviel, es werde zu wenig beraten, jedenfalls in strategischen politischen Fragen, etwa im gestörten Verhältnis von Wirtschaft und Politik. Am weitesten griff noch die Diagnose von Matthias Machnig, der einst die "Kampa" der SPD organisierte und nun dem Vorstand der Unternehmensberatung Booz Allen angehört. Er sieht das Hauptproblem in einer "dramatischen Veränderung der Öffentlichkeit" hin zu einer "fragmentierten Öffentlichkeit", zu "vielen Teilöffentlichkeiten", in denen "gesellschaftlicher Diskurs" nicht mehr stattfinde.Das als Thema etwas grundsätzlicher auszubreiten, hätte den Mainzer Tagen gut angestanden. Aber sie finden eben beim Fernsehen statt und also in dessen Koordinaten. Und die heißen Aktualitätsdruck und Personalisierung von Politik. Weshalb die Diskussion dann doch wieder bei der Frage landete, ob Finanzminister Hans Eichel, von seinem Medienberater als sparsamer Hans positioniert, damit ins richtige Licht gerückt worden sei. Von politischen Prozessen und demokratischen Vorgaben ist in all diesen Überlegungen keine Rede mehr.Weshalb die in Mainz agierenden Politiker denn auch die Frage der Medienberatung lieber klein halten wollten. Dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller wollte eigentlich nur einfallen, dass ihm zu langen schwarzen Socken geraten worden sei, damit in Talkshows kein nacktes Bein sichtbar würde- der gleiche Peter Müller, der vor zwei Jahren aus Anlass des Zuwanderungsgesetzes eine angeblich spontane Empörung im Bundesrat inszenierte. Er hält das heute noch für "legitimes Theater". Die Inszenierung sei richtig gewesen, weil die CDU ja tatsächlich empört gewesen sei. Und NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück hat beschlossen, sich nicht auf den Veranstaltungen des rheinischen Karnevals zu zeigen, weil ihm seine Frau gesagt hat, dass das nicht zu ihm passe. Wer ihm gesagt hat, dass das für ihn passende Aufmerksamkeitsmanagement eher darin bestehen sollte, gelegentlich Krach mit den koalierenden Grünen anzufangen, um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern, hat er nicht gesagt.Ob und wie Fernsehjournalisten sich durch solches politisches Agenda-Setting von der Politik in Dienst nehmen lassen, und zwar dank der Tätigkeit von Medien-Beratern - davon war auf den Mainzer Tagen nur gelegentlich und beiläufig die Rede. Eine kritische Stellungnahme kam ausgerechnet von Wolfgang Kenntemich, Chefredakteur des MDR, wo der investigative Furor sonst eigentlich eher selten anzutreffen ist. Sie würden zu oft reflexartig "das transportieren, was eine politische Kaste in Berlin sich als Agenda ausdenkt", monierte Kenntemich. Man müsse mehr Zeit und neue Sendeformen investieren, "wo wir selber die Themen setzen können". Neue und mehr Sendungen als Antwort auf publizistische Defizite kündigte auch ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender an. Von solchen Ausrutschern einmal abgesehen, zeigten sich aber die Fernsehjournalisten in den Mainzer Debatten erstaunlich selbstsicher. Kein Zweifel, dass sie ohnehin alles richtig machen, Besonders auffällig beim ZDF, wo schon die kleinste kritische Anmerkung ganze Hauptabteilungen zur Verteidigung in die Schießscharten treibt.Da muss man sich doch schon wundern über den Wunsch von Hans Leyendecker, dem obersten Rechercheur und Investigationsjournalisten im Lande. Weil die Printmedien auf absehbare Zeit in stärksten finanziellen Nöten steckten und investigativen Journalismus nicht mehr bezahlen könnten, möge doch das öffentlich-rechtliche Fernsehen einspringen. Das dürfte, selbst wenn man einrechnet, dass die Tagesschau mit Kübelböck an einem Faschingsdienstag verunfallte, ein frommer Wunsch bleiben.