Zum zweiten Mal innerhalb von knapp zwei Monaten hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Finanzmärkte mit billigem Geld geflutet. Diesmal griffen 800 europäische Banken zu, um 530 Milliarden Euro an EZB-Krediten mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren und zu einem lachhaft niedrigen Zins von einem Prozent abzurufen. Im Dezember waren es 500 Finanzinstitute, die sich mit 489 Milliarden Euro zu gleich günstigen Konditionen (ein Prozent auf 3 Jahre) bedienen konnten. Das heißt, alles in allem hat die EZB in Rekordzeit mehr als eine Billion Euro auf den europäischen Geldmarkt gepumpt. Der einzige kleine Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Tranche: Diesmal akzeptierte die Zentralbank keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheiten für die Kredite. Andere riskante Papiere – etwa Kreditverträge mit ihren Kunden – durften die begünstigten Banken aber sehr wohl als Pfand hinterlegen.
Wie schon Ende Dezember haben die Kredit-Nehmer auch diesmal einen Großteil der geliehenen Milliarden gleich wieder als Angstkasse zum Nulltarif bei der EZB geparkt. Gedacht war es anders: Das Kapital sollte zum Kauf von italienischen, portugiesischen oder spanischen Staatsanleihen dienen, für die Vergabe von Krediten an Unternehmen und private Haushalte oder für den Interbanken-Verkehr. In der Folge sind die „Übernacht-Einlagen“ bei der Zentralbank auf dem höchsten Stand seit Juni 2010. Diese Depots sind wegen der minimalen Zinsen für die Banker ein schlechtes Geschäft. Das lässt erahnen, mit welchem Misstrauen sie einander noch immer beäugen. Also übt sich die EZB im Bankenretten und sekundiert den EU-Regierungen in der Schuldenkrise, auch wenn sie die Kreditklemme im europäischen Bankensektor mit den beiden Mega-Krediten nicht zu beheben vermag.
Gunst der Stunde
Mario Draghi, der EZB-Präsident, klopft sich dennoch an die Brust: Den ganz großen Kreditausfall habe man verhindert. Tatsächlich wurde – besonders mit dem Geldsegen vom 29. Februar – Vorsorge getroffen, die Verluste einiger prominenter europäischer Geldhäuser beim griechischen Schuldenschnitt in Grenzen zu halten. Die meisten dieser Institute werden sich ohnehin beim Spiel mit den hochverzinsten, hoch rentierlichen spanischen, italienischen, portugiesischen oder irischen Staatspapieren weiter goldene Nasen verdienen. Und die EZB hat mit der halben Billion – nicht so ganz nebenbei – auch etwas für sich getan. Sie tritt momentan nicht mehr als Käufer von Staatsanleihen der Euroländer in Erscheinung. Schließlich wurden die Geschäftsbanken so großzügig mit Geld versorgt, dass der Ball nun bei ihnen liegt.
Nur benutzen die das frische Kapital zunächst einmal, um eigene Anleihen zu refinanzieren, weil ihnen das im Interbanken-Verkehr nicht mehr gelingt. Viele Banken haben außerdem die Gunst der Stunde genutzt, um ältere EZB-Darlehen abzulösen – das Geld strömt insofern gleich wieder zum Ausgangspunkt zurück. Noch ein weiterer Effekt verdient Beachtung: Dank der EZB-Hilfen werden potenzielle Pleitekandidaten unter den Privatbanken durch die Krise gelotst. Konkursverschleppung heißt das gewöhnlich.
Aber es gilt das Prinzip, einen möglichen Bankenkrach aufzuschieben, solange es nur eben geht. Dazu gebraucht wird der öffentliche Kredit. Sowohl Staats- als auch Zentralbank-Kredite verdienen diese Einstufung. Natürlich gibt es europäische Banken, die der EZB den Gefallen getan und fleißig Schuldverschreibungen von Euro-Staaten gekauft haben – mit Ausnahme der griechischen Papiere, die man augenblicklich gern den Hedgefonds überlässt. Vorrangig Spanien und Italien haben von der Geldflut der EZB profitiert, spanische Banken kauften im Januar für 23 Milliarden Euro Staatsanleihen ihres Landes, italienische Kreditanstalten legten rekordverdächtige 20,6 Milliarden an. Premier Mario Monti darf sich freuen, muss doch der italienische Staat im März und April jeweils weitere 45 Milliarden an Anleihen refinanzieren – die 19 Milliarden vom Februar waren ein Kinderspiel dank der Füllhörner der EZB.
Macht der Gewohnheit
Alle großen Zentralbanken der Welt – die Federal Reserve in Washington oder die Bank von England – tun im Moment das Gleiche, alle fluten – als sei es eine liebe Gewohnheit – den Finanzmarkt im eigenen Land mit billigem Geld. Alle retten bedrohte Institute vor dem Untergang. Aber nur die EZB wird daran gehindert, als Kreditgeber der letzten Instanz die Staatsanleihen der Euroländer zu finanzieren, mithin zu garantieren. Also tut sie, was sie nicht darf, auf einem Umweg, indem sie ihren Klienten in der europäischen Bankenwelt mehr Geld nachwirft als alle anderen Zentralbanken, damit die Begünstigten die Staatsschulden der Euroländer refinanzieren.
So kauft man sich Zeit, immer ein paar Monate mehr, während der Berg der Staatsschulden dank des billigen Geldes wächst und wächst. Stur, verbissen, unbelehrbar wird weiter die falsche Krise mit den falschen Mitteln bekämpft. Die Insolvenzkrise überschuldeter europäischer Banken behandelt man als Liquiditätskrise. Das Phänomen der steigenden Staatsverschuldung wird mit der Krisenursache – dem Produktivitätsgefälle in der Eurozone – verwechselt.
Wohin führen die goldenen Geldbrücken, an denen die EZB mit erstaunlicher Nonchalance weiter baut? Gewiss nicht ans rettende Ufer eines von Innovations- und Investitionswellen getragenen Konjunkturaufschwungs in der Eurozone. Da ein Ende der Krise wegen der prozyklischen Sparpolitik europaweit in immer weitere Ferne rückt, wird eben unverdrossen an den Geldbrücken gebaut. So sicher wie das nächste Rettungspaket für Griechenland kommt die nächste Geldschwemme der EZB für die europäischen Banken.
Michael R. Krätke ist Director of the Institute for Advanced Studies der Lancaster University. Im Freitag schrieb er zuletzt über die Konditionen beim griechischen Schuldenschnitt
Kommentare 3
Der mit Abstand beste Artikel, den ich im Freitag je zur Schuldenkrise gelesen habe! Dank der zwei LTRO-Schübe (Long Term Refinancing Operation) der EZB konnten die Ausfallrisiken gekonnt (teil)privatisiert werden- womit der Ball zur Abwechslung einmal wieder bei den Banken liegt: Ein kluger Schachzug! Doch ein Grossteil des praktisch aus dem Nichts erschaffenen Geldes floss anschliessend direkt wieder zur EZB zurück: So sind die eintägigen Einlagen der Geschaftsbanken bei der EZB kurz nach der europäischen "Big Bazooka"-Aktion am letzten Freitag um über 300 Milliarden auf einen Rekordwert von 776,9 Milliarden Euro angestiegen. Zum Vergleich: Im Jahr 2007 - also kurz vor der ersten Finanzkrise - galt schon ein einstelliger Milliardenbetrag als ungewöhnlich. Mit der Eskalation der Finanzkrise im Herbst 2008 und im Zuge der Euro-Schuldenkrise legten die Einlagen aber immer stärker zu. Erstaunlich, was das System alles unternimmt, um sich selber um jeden Preis am Leben zu erhalten! Mittlerweile haben wir nicht nur europäische Zombie-Banks (Paul Krugman), sondern auch Zombie-Countries. Man darf zu Recht gespannt sein, was jetzt als Nächstes kommt- und ob die LTRO-Aktionen in Wirklichkeit nicht doch das Finanzpolster für einen unkontrollierten Bankrott Griechenlands sein sollen: Der Schuldenschnitt steht schliesslich immer noch auf der Kippe...
@Michael Krätke
Die EZB bildet mit ihrer Geldflutwut von über 1 Billion € den Großen Haufen Geldes ab, den ihr die Banken bereits schulden. Damit das an den Internationalen Finanzmärkten nicht so auffällt, packt die EZB noch Geld dazu, damit sich die Banken noch weiter verschulden.
Das ist keine Geldfluss- Politik mehr, sondern die Politik der Befreiung der Welt vom Wert Sinn des Geldes. Wobei die Großen Haufen Geldes eine abschreckende Wirkung gegenüber vagabundierendem Geld entfalten sollen, wie einst die Pyramiden der Pharaonen die kriegerischen Nomadenvölker vor Überfällen auf Ägyptenland abschrecken sollten. Was einige Zeit tatsächlich gelang.
Die Not der EZB, als Reparaturbetrieb der Politik missbraucht zu sein, kündet von den Unterlassungen, dem Organisationsverschulden der Finanzpolitik der Staaten der EU, sonders der Eurozone.
Bisher sind solcher Art geld- und finanzpoltisch unbekümmerte Geldmengen- Operationen historisch in Vorkriegszeiten zu verifizieren.
U. a. in den Jahren von 1933- 1938 unter der Regie des Reichsbankräsidenten Hjalmar Schacht mit seiner unheilschwanger verdeckten Hand der scheinlegalen Mefo- GmbH Handelsscheck Praxis, um den Geldfluss im Rahmen einer insgeheimen Aufrüstung des deutschen Reiches unter den beauftragten Unternehmen im In- und Ausland wundersam in Gang zu halten.
siehe:
www.freitag.de/community/blogs/joachim-petrick/greift-griechenland-zur-option-der-zwangsentschuldung
07.03.2012 | 01:41
Greift Griechenland zur Option der Zwangsentschuldung?
griechenland eurozone eurokrise ezb fed staatsbankrott zwangsumschukdung schuldenschnitt börsencrash
Löst Griechenland, per Ansage, weltweit am Donnerstag, 8. März 2012 ab 21.00 Uhr "geordneten", Börsencrash aus, der in der Unbekümmertheit der Akteuere/innen an den GAU des AKW Blocks III in Tschernobyl/Ukraine am 26. April 1986 erinnert?
Welch irrsinniges Geldsystem, welches dem gesunden Menschenverstand Hohn lacht. Welch Ohnmacht der Zentralbank, die nur hoffen und glauben darf, ob sich ihre Erwartungen erfüllen. Dies ist keine Geldpolitik, dies ist eine Farce.
Das so harmlos klingende "Kreditsystem der fraktionalen Reserve", die Quelle allen Übels, ist abzuschaffen, siehe: monetativeordnung.blogspot.com