Sollten Sie sich erneut einer Wahl stellen

Brief nach Nikaragua Zu politischen Rechten und Todesurteilen

Sehr geehrter Ernesto Cardenal,

In der jüngsten Ausgabe der Zeitung Freitag ist ein Artikel von Ihnen zur aktuellen Situation in Kuba abgedruckt. Die damit fortgesetzte Debatte hat natürlich weniger mit Kuba als mit dem Demokratieverständnis der deutschen Linken zu tun. Trotzdem liefert sie uns eine gute Vorlage, um einige grundsätzliche Probleme zu besprechen. Sie haben für Ihren Artikel, mit Absicht, wie ich vermute, einen etwas vereinfachenden, ja polemischen Stil gewählt. Daran möchte ich mich auch orientieren.

Meines Wissens waren Sie einige Jahre Minister einer sandinistischen Regierung, welche zu meinem Bedauern in demokratischen Wahlen abgewählt wurde. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie sich erneut einer Wahl stellen, an der ich mich als Wähler beteiligen könnte: In Fragen der Eigentumsverteilung, Versorgung mit Bildung, Medizin und so weiter hätten sie wohl meine weitgehende Zustimmung. Die Tatsache, dass Sie als Priester mit der katholischen Kirche einer sehr fragwürdigen internationalen Organisation angehören, würde ich in Kauf nehmen.

Was die Frage politischer Rechte angeht, müssten wir uns über folgende Punkte noch einigen: Ich möchte meine Regierung sowohl kritisieren als auch unter Einsatz von Parteigründungen, Demonstrationen, öffentlichen Ansprachen und so weiter abwählen können, sofern ich einmal nicht mehr zur Minderheit gehöre. Mehr als eine Beleidigungsklage - sollte mein Temperament mit mir durchgehen - möchte ich nicht befürchten müssen. Es wäre mir auch recht, die Regierungschefin oder den Regierungschef nicht als "Führer" ansehen zu sollen. Selbstverständlich gedenke ich auch weiterhin, die Stimme gegen Todesurteile - wo auch immer - zu erheben. Sollte sie in einem von mir bewohnten Land vollstreckt werden, möchte ich mich natürlich um so deutlicher dagegen aussprechen können.

Bis zur Klärung dieser Fragen können Sie jederzeit auf meine Unterstützung rechnen, wenn Sie die Blockadepolitik der USA gegenüber Kuba kritisieren, bei der Verteidigung der politischen Repressionen auf Kuba müssen Sie leider auf mich verzichten.

Mit freundlichen Grüßen,Hans Peter Kramer, Köln

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden