A
AC/DC Es gibt ungefähr so viele AC/DC-Coverbands auf der Welt, wie AC/DC Platten verkauft haben. Ich halte das für einen realistischen Vergleich. Und das stimmt mich nachdenklich, denn – ganz wertfrei gesagt – die wenigsten davon sind irgendwie gut. Auf Sommer- und Stadtfesten treten sie aber trotzdem immer wieder auf. Was ist es also, das dieses Phänomen der Doors-Cover-, Beach-Boys-Revival- und ABBA-Tribute-Bands am Leben hält? Der Künstler und Kapitalismuskritiker Guy Debord würde diese Frage vermutlich in etwa so beantworten: dass wir nämlich in einer Gesellschaft des Spektakels leben, in der uns die bloße Vorstellung, die Attrappe von etwas Gutem und Wahrem reicht, um unsere Bedürfnisse zu stillen. Und so kommt es dann wohl, ja, anders kann ich mir das wirklich nicht erklären, dass wir auch die schlechten Coverbands durchstehen können: weil die falsche Band immerhin die richtigen Lieder spielt – und wir all die Songs und Ohrwürmer zumindest in unserem Kopf dann doch so hören, wie wir sie kennen und mögen. Aha. AC/DC hat mich noch nie so sehr verwirrt. Felix-Emeric Tota
B
Bundespräsident Wer etwas auf sich hält, macht mit einem Sommerfest nichts verkehrt. Dementsprechend gibt es jedes Jahr auch eine Bellevue-Gartenparty. Bis 2012 war das tendenziell eine teure und exklusive Angelegenheit, zu der die wichtigen Personen geladen waren. Nun war es aber eben jene Nähe zu gehobenen Unternehmerkreisen, mit der der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff gar nicht gut ankam. Und vielleicht hat sich auch deshalb der Charakter des Präsidenten-Sommerfests verändert, seit Joachim Gauck im Amt ist. Aus dem Sommerfest ist ein zweitägiges Bürgerfest geworden. Alles ist nun ein bisschen günstiger, bescheidener und eben bürgernäher. Eine Art Tag der offenen Tür, bei dem gleich auch noch das Ehrenamt gefeiert werden soll. Zwar gibt es weiterhin geladene Gäste, sie werden mit der Einladung aber für ihr Engagement geehrt. Am zweiten Tag dann steht Bellevue allen offen. In den vergangenen beiden Jahren hat das schon über 30.000 Leute interessiert. Benjamin Knödler
Bundeswehr Wo gefeiert wird, erscheint vieles gleich in einem besseren Licht. Vielleicht war es diese Strahlkraft, die auch die 1. Panzerdivision der Bundeswehr dazu bewogen hat, in Hannover ein alljährliches Sommerfest zu veranstalten. Und weil das Fest eben von der Bundeswehr ist, nennt sich diese sommerliche Imagepolitur Sommerbiwak. Nach eigenen Angaben soll das Sommerfest die Verbindung zur Zivilbevölkerung herstellen und vertiefen. Und es soll zeigen, wie sehr die Bundeswehr in die Gesellschaft eingebunden ist. Es ist, so heißt es auf der Homepage der Veranstaltung, „die wichtigste öffentlichkeitswirksame Großveranstaltung der 1. Panzerdivision“. Dabei ist das Sommerbiwak, das nun schon zum 41. Mal stattfindet, eine geschlossene Veranstaltung für Angehörige und Nahestehende der 1. Panzerdivision, für die sogar der Stadtpark Hannover gesperrt wird.
Öffentlichkeit bekommt die Veranstaltung trotzdem: Denn gerade wegen des Sommerfestcharakters stößt das Sommerbiwak auch auf Kritiker. Sie wehren sich dagegen, dass Krieg und Todesopfer gefeiert werden, und organisieren jedes Jahr Protestaktionen. BK
F
Facebook Die Onlineplattform eignet sich hervorragend für die Partyorganisation. Man kann verabreden, wer Salat schnippelt und Grillgut besorgt. Eine Facebook-Einladung kann aber auch schiefgehen – wie bei Thessas Partyaufruf 2011, den sie vergaß, als privat zu markieren. Rund 15.000 Leute kündigten sich an, 1.600 kamen – und verursachten Unbill. Das Setzen des falschen Facebook-Häkchens ist generationenübergreifend. Auch die CDU in Dietzenbach erlitt eine digital gemachte Sommerfestpanne. Vielleicht auch, weil die Bundespartei zum Verbot von Facebook-Partys aufrief, führten 2011 zigtausend Zusagen zur Absage für den kleinen Parteifesttag. Aber nicht immer ist Verlass auf das Neuland. Die CSU-Facebook-Party von Horst Seehofer floppte. Er hatte in die Münchner Schnöseldisko P1 geladen, 150 Journalisten kamen, aber kaum Gäste. Tobias Prüwer
Festivals Festspiele sind fast so alt wie die Menschheit selbst. Open-Air-Theater und Musikdarbietungen gibt es als Festivalvorläufer seit der Antike. Auch an den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Höfen wurde das künstlerisch-unterhaltende Freiluftvergnügen genossen – wenn auch fernab der breiten Öffentlichkeit. Mit der Bürgerkultur folgte dann der demokratisierte Musikfestgenuss, die Populärkultur goss diesen im 20. Jahrhundert in die Form des Massenspektakels. Aus den Salzburger Festspielen wurde 1969 Woodstock. Letzteres gilt mit seinen 500.000 Besuchern als Mutter aller Festivals, auch wenn es gar nicht das erste seiner Art war: Schon zehn Jahre zuvor fand in den USA das Newport Folk Festival statt. Die Idee schwappte alsbald über den großen Teich – zunächst mit mäßigem Erfolg. So versank das Love-and-Peace-Festival auf der Insel Fehmarn in Chaos und Gewalt. In England konnte sich das erst sporadisch zustande kommende Glastonbury Festival ab 1985 als eins der weltweit größten Freiluft-Events etablieren. Hier gibt es auch Theater und Zirkus, die BBC berichtet live, und der Initiator, ein Milchbauer, wurde gar zum Ritter ernannt. Rock am Ring, das erstmals 1985 veranstaltet wurde, gilt als das erfolgreichste Festival Deutschlands und diente vielen anderen als Vorbild. Rund 100 Musikfestivals gibt es mittlerweile im Land, und die Kommerzialisierung hält an. Über den Heavy-Metal-Giganten Wacken stöhnen schon viele Fans als Ausverkauf. Dem Alternativfest Fusion ergeht es nicht anders. Und das Rock am Ring fand 2014 letztmalig auf dem Nürburgring statt – die Betreiber kündigten den Vertrag, weil ihre Forderung nach höherer Gewinnbeteiligung nicht erfüllt wurde. TP
G
Grillmeister Er hält die Wurstzange wie ein Zepter in der Hand und belädt selbstlos, ja fast mütterlich die Teller der Hungrigen, die in Scharen um ihn stehen – doch sobald er seine Position in Gefahr sieht, verteidigt er diese mit eiserner Hand. Es kann nur einen geben – und den gibt es auch immer: den Grillmeister. In jeder, wirklich jeder Gruppe von Menschen, die einen Grill aufbauen, ist er zu finden. Und er tut sich meist schon bei der Entzündung der Kohle hervor. In einem Radius von 150 Metern um die Feuerstelle herum ist er die Personalunion aus Legislative, Judikative und vor allem: Exekutive. Seine Wedel- und Wendetechnik ist die effektivste, so wird es gemacht, alles andere ist Scharlatanerie. Die Machtübernahme wird meist dankbar, aber auch eher in stillem Einverständnis von der restlichen Grillgesellschaft hingenommen. Im Idealfall hat der Grillmeister ab diesem Moment seine Ruhe und kann sich auf das Wenden und die Verteilung des Grillguts konzentrieren. Es soll Alphagriller geben, die den Garzustand des Grillguts an der Tonfrequenz des Brutzelns erhören können. Die Chancen, als Grillmeister geboren zu werden, stehen jedoch lediglich bei eins zu zwölf. TOT
N
Nazis Kein Fest für Nazis: Das Pressefest der Deutschen Stimme, das sich zum größten Nazi-Sommerfest des Landes entwickelt hatte, fällt in diesem Jahr aus. An wechselnden Orten rief das NPD-Organ Funktionäre und „Freie Kräfte“ zum Stelldichein und Kennenlernen. Bis zu 8.000 Besucher kamen, mussten Reden ertragen, um dann einschlägigen Bands wie Sleipnir oder dem Liedermacher Frank Rennicke zu lauschen. Immer wieder kam es zu Protesten und Blockaden durch Antifa und Zivilgesellschaft. Letztlich war es aber die Ökonomie, die zum Aufgeben zwang. Weil 2011 nur noch 1.000 Leute kamen, verzichtete der finanziell angeschlagene Verlag bereits 2013 auf das Fest und sah dann auch heuer keine Chance. TP
P
Parteien Es ist ein geliebtes Ritual des politischen Berlin: Vor der Sommerpause des Bundestags versorgen die Sponsoren die Parteien, Verbände und Landesregierungen noch mal mit massenhaft Freibier, das dann unter Politikern, Lobbyisten und Journalisten verteilt wird. Das ist eine schöne Möglichkeit der Kontaktpflege – oder ein weiterer Beleg für die Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Medien. Die Sommerfeste sind beliebt – und zwar unabhängig von der politischen Couleur. Linke schauen hier genauso tief ins Glas wie gestandene CSU-Kampftrinker. Wie am letzten Schultag besteht die Stimmung aus einer Mischung aus Wehmut und Vorfreude, nicht mehr jeden Tag dieselben Nasen sehen zu müssen. Und nach zwei Monaten direkten Wählerkontakts freuen sich die meisten dann wieder auf einen Willkommensdrink – gern bei einem Herbstfest. Julian Heißler
T
Tischdekoration Die normale Bierbankgarnitur ist ein sehr leistungsfähiges aber auch ein – im besten Sinne des Wortes – sehr opportunistisches Außenmöbel. Klassische Farbwahl und eine klare Formensprache – es sieht einfach überall gut aus und erfüllt seinen Zweck. Doch genau das reicht vielen erlebnisorientierten Gastgebern nicht. Sie versuchen, durch eine pfiffige Tischdekoration mehr Persönlichkeit in das Fest zu bringen, mit dem erklärten Ziel, das Ambiente zu maximieren. Aber schnell kann aus ein paar kreativen Nuancen ein exzessiver Wahn werden – und sogar richtig riskant: Blumensträuße beispielsweise locken mit ihren Düften und ihren teilweise schrillen Farben gerne Bienen und Wespen an. Die Verhältnisse steigen dabei stets parallel. Je mehr Blumen auf dem Tisch, desto mehr potenzielle Bienen- und Wespenstiche im Gesicht. Richtig stimmungsförderlich ist das nicht. TOT
U
Unwetter „Ist es schlimm?“ – „Nee, Schlamm!“ Modder gehört zu einem richtigen ➝ Festival unbedingt dazu. Sonne macht ja albern und so. Ist die Schlammdosis zu hoch, vergeht allerdings leicht der Spaß. So versank das Extrem-Metal-Festival Partysan vor vier Jahren im Thüringer Waldboden bei Weimar. Drei Tage-Dauerregen auf Lehmboden brachten fast den Abbruch des Festivals, das nur weiterging, weil man nicht wusste, wie man 1.000 Autos aus dem Schlamm zieht. Dramatischer wetterte es im Juli 2012 beim With Full Force. Duch Blitzeinschläge wurden auf dem Hardcore-Festival in Sachsen 51 Menschen verletzt. Mehr Glück im Unglück hat man aber gemeinhin bei der verregneten Gartenparty. Die Feierlaunigen flüchten ins Trockene eines Zelts oder der Wohnung, für irgendeine Schlechtwettervariante wird schon gesorgt sein. Nur einer hat das Nachsehen: der ➝ Grillmeister. Er muss den Grill hüten und steht im Regen. TP
Z
Zeit Wir befinden uns hier in sommerfestfeindlichen Breitengraden. Wohl dem, der da ein Zelt oder einen Pavillon besitzt. Diese Menschen sind die Könige des Gartenfests, die sich von einem bisschen Regen nicht unterkriegen lassen und die zitternden Gäste einfach unter ein zugiges Dach einladen. Da steht man dann, das Lagerfeuer wegen Schmelzgefahr fürs Zelt in weiter Ferne, umweht vom Duft des nassen Grases – das typische deutsche Sommerfestgefühl. Und das nur dank der großzügigen Zeltbesitzer! Gut, ein paar Nachteile gibt es: Man stolpert über Heringe, bei jeder Bö fliegt die Plane fast weg, und nach dem ersten Einsatz ist das Dach schon mal leck. Und trotzdem: Ohne ginge es bei uns eben überhaupt nicht. BK
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