Die Queen macht´s möglich. Beim Staatsbankett der englischen Königin darf DGB-Chef Michael Sommer neben der schönen Prinzessin aus Monaco sitzen, die seit einiger Zeit Caroline von Hannover heißt. Blaublut meets Arbeiterführer. Warum nicht? Skurril wird´s erst, wenn Sommer seine Pressestelle anweist, in der bunten Fachliteratur für royale Angelegenheiten nach Artikeln über ihn zu fahnden. Eine Mappe für die Mutti - so fürsorglich kann die Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes sein.
Sommer betont immer wieder, wie sehr ihn seine Mutter geprägt hat und wie dankbar er dafür ist. Als uneheliches Kind einer Soldatenwitwe wächst er heran. "Wir beide haben in den fünfziger Jahren erfahren, was es hei&
as es heißt, diskriminiert zu werden", so Sommer während seiner Antrittsrede auf dem DGB-Kongress vor beinahe drei Jahren. Seht her, ich bin einer von ganz unten - in SPD- und Gewerkschaftskreisen hört man diesen Hinweis gern. Aber was ist auf dem Weg nach oben geschehen? Das Kokettieren mit der eigenen Herkunft kann schnell ins Peinliche umschlagen, wenn man damit die Hilflosigkeit in der Gegenwart verbergen will.Er ist eitel, überschätzt seine Möglichkeiten und hat Machtinstinkt - so charakterisieren Weggefährten den DGB-Vorsitzenden. Seine Eitelkeit mag er beim Empfang der Queen, beim Bundespresseball oder bei der Aids-Gala befriedigen. Anschließend die Fotos an die Mama schicken zu lassen - schön geordnet und geheftet -, ist schon merkwürdig genug. Noch abstruser wird es, wenn Sommer der Klatschpresse seine Urlaubslektüre verrät. Auf welches Buch er sich denn freue? "Auf das, das meine Frau gerade schreibt." Im Klappentext der mittlerweile erschienenen und eher dürftigen Kriminalgeschichte ist zu lesen: "Ulrike Sommer, geboren 1957, lebt als Schriftstellerin in Berlin. Die frühere Journalistin ist mit dem DGB-Vorsitzenden Manfred (!) Sommer verheiratet und kennt den politischen Betrieb in Berlin mit all seinen Tücken aus eigener Erfahrung." Wer möchte sie schon missen, die Weisheiten dieser beiden Hauptstadtprofis. Im Berliner DGB-Hauptquartier hält sich hartnäckig das Gerücht, so manche Rede, die Sommer vorträgt, sei am häuslichen Küchentisch entstanden.Die daheim gepflegte Machtbalance ist im DGB etwas schwieriger. Als Chef des Dachverbandes ist Sommer auf das Wohlwollen von acht Gewerkschaftsbossen angewiesen. Da wird der Machtinstinkt schnell zum Klotz am Bein. So wie der Kanzler gegenüber der Wirtschaft machtlos bleibt, hat Sommer bei Schröder keinen Einfluss. Aber die Grenzen seiner Rolle und vor allem seiner Person will er nicht sehen. Hier kommt die Selbstüberschätzung ins Spiel und paart sich mit sprunghafter Konzeptlosigkeit. Abseits der Mikrofone beschwert sich seine Stellvertreterin Ursula Engelen-Kefer, er würde das Interview, das er morgens im Radio gibt, abends in den Tagesthemen widerrufen.Widerruf statt Widerspruch - das scheint mittlerweile das Leitthema von Michael Sommer geworden zu sein. Während Norbert Walter, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, am 11. Februar in der Magdeburger Volksstimme verkündet, "dass manche von uns - wegen des intensiven Wettbewerbs mit Mittel- und Osteuropa - nicht so viel verdienen werden, wie sie in Deutschland zum Überleben brauchen", kapituliert Michael Sommer drei Tage später im Spiegel. Blockiert die Deutsche Bank solange, bis sich Walter verpflichtet, ein Jahr unter Hartz IV-Bedingungen zu leben - das wäre eine passende Antwort des DGB-Chefs gewesen. Stattdessen sagt er zur Agenda 2010: "Ich habe von meiner Kritik nichts zurückzunehmen, aber ich nehme zur Kenntnis: dieser Weg ist unumkehrbar eingeschlagen." Angenommen, die USA greifen mit deutscher Hilfe den Iran an, müsste der Pazifist Sommer folgerichtig sagen: "Die Truppen sind auf dem Weg nach Teheran nicht mehr aufzuhalten."Was will Sommer - vorausgesetzt, seine Kapitulation war kein spontaner Einfall - mit seiner Äußerung erreichen? Soll der DGB seinen Protest gegen Hartz IV aufgeben, damit Schröder im Gegenzug den Kündigungsschutz und die Mitbestimmung nicht antastet? Beim DGB heißt es, wer das Spiegel-Interview genau lese, erkenne sehr schnell, dass der Vorsitzende keinen Politikwechsel einläute. Er habe lediglich eine realistischere Sicht der Dinge angemahnt. Ob das die sonst wortgewaltigen Kollegen Jürgen Peters (IG Metall) und Frank Bsirske (ver.di) auch so sehen? Im Moment sind sie erstaunlich still. Aber das könnte auch mit einer Studie zusammenhängen, die den schönen Namen "Turnaround" trägt.Moderiert von Michael Jung, einem Mitarbeiter der berüchtigten Beraterfirma McKinsey, hat eine DGB-Arbeitsgruppe herausgefunden, dass die Krise der Gewerkschaften "schärfer ist als allgemein angenommen". In den kommenden Jahren sei ein Mitgliederschwund von jährlich 4,5 Prozent wahrscheinlich. Dem DGB fehle es an "ausreichend attraktiven neuen Kampfzielen und Konzeptionen zur Bewältigung des Strukturwandels". Welchen Sinn es haben soll, eine skrupellose Firma wie McKinsey für die eigene Selbstanalyse zu engagieren, fragen sich nun manche Gewerkschafter. Und andere fügen hinzu: Mit Michael Sommer wird es nie einen neuen Aufbruch geben. Wenn McKinsey doch wenigstens das geschrieben hätte.