Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Der Sommerschlussverkauf geht los, der Juli ist fast vorbei, aber - haben Sie´s gemerkt? - das Sommertheater ist diesmal so ganz anders. Klar, da ist immer noch das Krokodil im Rhein, das täglich Frischfleisch vom Ufer holt. Aber das interessiert nicht wirklich. Auch sonst kein Spermaraub, fünf Mark für den Liter Benzin, Radfahrersteuer und ähnlicher Schwachsinn auf den Titelseiten. Stattdessen fühlt sich fast jeder zum Thema Arbeitsmarkt berufen. Sage keiner, Rot-Grün hätte die Republik nicht verändert!
Ob die Grünen mit der Kombilohnidee aufwarten, fast alle Forschungsinstitute den Druck auf Arbeitslose erhöhen wollen, die FDP deregulieren und die SPD bei all dem nichts übers Knie brechen will. Von links bis rechts, von kompetent bis ahnungslos. Es ist ganz einfach hip, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Zwar sind alle Vorschläge und Positionen längst bekannt. Auch war die Zahl der Arbeitslosen schon weit höher. Dennoch ist die Sommertauglichkeit des Themas ein untrüglicher Beleg, dass Otto Normalarbeitslos auf Änderungen vorbereitet werden soll.
Einerseits ist das ein gutes Zeichen, denn kaum ein anderer Politikbereich braucht dringender Veränderungen als die Arbeitsmarktpolitik. Und sie sind zu begrüßen, wenn sie dazu beitragen, den betroffenen Arbeitslosen in einer fairen Balance zwischen Druck und Hilfestellung die Reintegrationschancen zu eröffnen. Schon diese Zielstellung bedarf gewaltiger Veränderungen und jede Menge Investitionen in Vermittlung, case management und Qualifizierung. Ob Schröder, der seinem Minister Müller mit dessen Wirtschaftsbericht die Ouvertüre überließ, diesen Theaterdonner erwartet hat, darf nach seiner prompten Ablehnung amerikanischer Politikvorbilder bezweifelt werden. Ist doch in dieser Legislaturperiode weder finanziell noch politisch Platz für wirklich neue, ungewohnte Reformen. Vorerst runterkochen heißt die Devise.
Schön, dass da nicht alle - auch nicht der kleine Koalitionspartner - mitmachen wollen. Und auch bei ernsthaften Stücken auf dem Spielplan muss das Publikum ja nicht zwangsläufig auf Höhepunkte verzichten. Hält sich das Thema, kommt also nicht doch noch etwas dazwischen, nimmt Jan Ullrich zum Beispiel wirklich nur Asthma-Spray, wofür bei seiner Platzierung einiges spricht, dann gibt es schon bald den Schlussakkord der großen Vorsitzenden. Angela Merkel als unbeugsame Rächerin ostdeutscher Langzeitarbeitslosen bei Sabine Christiansen, das allein ist Grund zum Ausharren. Danke, Kanzler! Fasten seat belts. And speak to us, Madame.
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