Spenden all'italiana

DEMOCRAZIA CRISTIANA Mit ihr kann die CDU noch nicht mithalten

An "italienische Verhältnisse" reicht die CDU-Spendenaffäre denn doch noch nicht heran. Zum einen haben die deutschen Christdemokraten - soweit bekannt - nicht annähernd so viel kassiert wie ihre Freunde von der Democrazia Cristiana (DC). Zum anderen lag der Korruption in Italien eine andere Systematik zu Grunde: Zu den Begünstigten gehörten auch die übrigen Regierungsparteien, allen voran die Sozialistische Partei (PSI); gezahlt wurde flächendeckend und auch für Dienstleistungen (etwa Baugenehmigungen), auf die der Antragsteller einen Anspruch hatte. Während die Schurken in der hiesigen Korruptionsaffäre weitgehend auf Unternehmer und Spitzenpolitiker einzugrenzen sind, ist die Zahl der Täter in Italien sehr viel größer.

Das zeigt die Affäre, die im Februar 1992 den Skandal von "Tangentopoli" ("Stadt der Schmiergelder") auslöste, anschaulich. Damals wurde in Mailand der sozialistische Sektionssekretär Chiesa verhaftet, als er ein Kuvert mit sieben Millionen Lire (nach damaligem Kurs 10.000 DM) Schmiergeld entgegen nahm. Als Präsident eines Waisen- und Altersheims hatte Chiesa einer kleinen Reinigungsfirma einen Auftrag verschafft - und als Gegenleistung eine "Spende" für seine Partei verlangt. Der Kleinunternehmer ging zur Polizei und der Politiker in die Falle.

Als weitere geschröpfte Unternehmer Aussagen machten, wurden Struktur und Ausdehnung des Schmiergeldsystems deutlich. Wer an öffentliche Aufträge kommen wollte, musste zahlen - einerlei, ob es um die Reinigung eines Altersheims oder den Ausbau von Fußballstadien anlässlich der Weltmeisterschaft ging. Zehn Prozent der Auftragssumme war der Regelsatz; das so eingenommene Geld teilten DC, PSI und die kleineren Regierungsparteien unter sich auf. In erheblich geringerem Umfang profitierten auch Kommunalpolitiker des PCI (ab 1991: PDS).

Die Wahlen im April 1992 brachten den Christdemokraten Verluste von 5,1 Prozent und ließen die Quasi-Staatspartei auf ein historisches Tief absinken. Auch die Strahlkraft der Sozialisten begann zu verblassen.

Bald wurden die ersten Prominenten belastet, darunter Craxis Sohn "Bobo". In Venedig stürzte der "rote Doge", Außenminister De Michelis (PSI). Und schließlich gerieten die drei eben noch mächtigsten Männer in Verdacht: der Sozialist Craxi und die Christdemokraten Andreotti und Forlani, die als informelles Triumvirat die italienische Politik jahrelang nach Belieben dominiert hatten.

Verglichen mit dem flächendeckenden "Geben und Nehmen" bleiben die auf höchster Ebene betriebenen Geschäfte eine Kategorie für sich. Bei der direkt vorangetriebenen Fusion der Staatsholding ENI mit dem Privatunternehmen Montedison zur ENIMONT strich Raul Gardini, Präsident von Montedison, 800 Milliarden Lire ein; seine Partner in der Politik kassierten 150 Milliarden Lire Schmiergelder. Das meiste floss in die Parteikassen von DC und PSI, zusätzlich erhielten einzelne Politiker und Staatsbeamte ansehnliche Provisionen. Als die Sache aufflog, nahmen sich Gardini und der ehemalige ENI-Präsident Cagliari das Leben, während Craxi, Forlani und Andreottis Spezi Pomicino vor Gericht gestellt und verurteilt wurden.

Bei der Schmiergeldaffäre im Gesundheitswesen hatte das zuständige Ministerium - gegen entsprechende "Gebühr" - nicht nur Preiserhöhungen von Medikamenten abgesegnet, sondern auch nutzlose oder gar schädliche Arzneien genehmigt und tüchtig abkassiert. Die Diskreditierung der DC erreichte ihren Höhepunkt, als die guten Beziehungen zur Mafia Gerichte und Medien zu interessieren begannen. Andreotti, von jeher hatte er seine Hausmacht auf Sizilien, konnte bis heute nichts bewiesen werden, einige seiner Parteisoldaten aber wurden überführt, mit der Cosa Nostra zusammen gearbeitet zu haben.

Zur Auflösung der christdemokratischen Partei gab es keine Alternative. Ihre diversen Nachfolgerinnen reklamierten allesamt einen "sauberen" Neubeginn und haben inzwischen wieder bestimmenden Einfluss auf die italienische Politik. Die "große Krise" brachte wenig Positives: Die ersten Wahlen danach gewann Craxis Geschäftsfreund Silvio Berlusconi - im Bündnis mit dem Rechtspopulisten Umberto Bossi von der Lega Nord und dem Neofaschisten Gianfranco Fini (MSI/ Alleanza Nazionale).

Was nicht dagegen spricht, der CDU Mut zu machen: Lernt von Italien, löst die Partei auf, konstituiert euch neu und vertraut auf das kurze Gedächtnis des Wahlvolks!

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