Friedrichstraße in Berlin: Draußen trubelt der Tourismus- und Einkaufsverkehr, drinnen sitzt Claus Offe in seinem mit Stapeln von Papier, Büchern, Broschüren, Aktenordnern gut gedämmten Uni-Büro und formuliert ein paar grundlegende Gedanken. Dabei geht es nicht um die kurzfristige Politik-Hektik der vergangenen Bundestagswahl oder der nun anstehenden Koalitionsverhandlungen, sondern um ein ursächliches Phänomen.
Offe, über Jahrzehnte ein Wortführer der intellektuellen Linken, fragt sich, warum die eigentlichen Themen nicht zur Sprache kommen. Was ist Fortschritt? Ist er noch möglich? Geht unser Wohlstandsmodell in Deutschland zur Neige? Eine Auseinandersetzung über solche Fragen zwischen den Parteien findet nicht statt. Die Themen werden totgeschwiegen. Warum?
der Freitag: Politische Parteien werben damit, das Leben der Bürger besser zu machen. Doch das Wort Fortschritt findet man in ihren Programmen kaum noch. Auch in den Koalitionsverhandlungen ist davon nichts zu hören. Warum ist dieser Begriff aus der Mode gekommen?
Claus Offe: Kaum jemand hat eine handfeste Vorstellung davon, wie dieser Begriff zu füllen wäre. Innovation? Wachstum? Vollbeschäftigung? Gerechtigkeit? Nachhaltigkeit? Fortschritt für wen und auf wessen Kosten? Es fällt der Politik schwer, diese Dinge in einen gedanklichen, geschweige denn praktischen Zusammenhang zu bringen. Das macht aber nichts. Die Politik hat sowieso alle Hände voll damit zu tun, Krisen zu managen, Bestände zu sichern, die Mindestabstände zu diversen Abgründen zu wahren. Nehmen Sie Artikel 10, das Grundrecht auf private Kommu-nikation. Oder nehmen Sie den Begriff der Vollbeschäftigung – jeder Arbeitssuchende findet eine sozialversicherte, tariflich bezahlte Vollzeitstelle. Dieser Anspruch ist in Europa selbst auf der deutschen Insel der Seligen unaktuell. Die Politik ist statt mit Fortschritt mit der Bewältigung oder auch der verharmlosenden Vertuschung von akuten Rückschritten befasst.
Nur die alte SPD verfügt über einen umfassenden Begriff von Fortschritt: Ihr geht es unter anderem um die Entfaltung des Individuums. Union und FDP reduzieren den Fortschritt dagegen auf technische Innovation und Wirtschaftswachstum. Und die jüngeren Parteien der Grünen und Linken reden kaum davon. Warum kommt ihnen offenbar der Optimismus abhanden?
Ein Grund ist, dass angebliche Fortschritte in der Vergangenheit erhebliche Zerstörungen verursacht haben. Denken Sie an Tschernobyl und Fukushima: Wachstum wie gehabt ist schlicht unerträglich. Vielleicht geht das Wachstumsmodell der industriekapitalistischen Modernisierung, das wir seit Ende des 18. Jahrhunderts praktizieren, seinem Ende entgegen. Wirtschaftswachstum findet in der OECD-Welt immer weniger statt, auch nicht unter künstlicher Beatmung seitens der Geldindustrie. Eine amerikanische Prognose besagt, dass die Expansion Mitte des 21. Jahrhunderts ausläuft. Im Jahr 2011 fand schon mehr als die Hälfte des globalen Zuwachses in China und Indien statt. Andererseits hat kaum jemand eine Vorstellung, wie man unter anhaltender Stagnation leben und regieren, vor allem investieren und arbeiten könnte oder sollte. Außerdem ist gut belegt, dass Wachstum nicht die allgemeine Lebenszufriedenheit steigert, also als fortschrittlich auch erlebt wird.
Aber ohne Wachstum können wir auch nicht leben?
So ist es. Wir stecken in einer Sackgasse. Wie wir da rauskommen, weiß niemand. Vielleicht, indem wir einen Gedanken des klassischen Ökonomen John Stuart Mill von 1848 ernst nehmen: die Utopie einer lebbaren Stagnation, Null-Wachstum bei dennoch oder gerade deswegen steigender Lebensqualität und -zufrieden-heit. Viele Leute beschäftigen sich heute im Alltagsleben, in der Wissenschaft, sogar in der Politik mit der Frage, wie so etwas organisiert sein könnte.
Dennoch hat es durch Wirtschaftswachstum enorme Fortschritte gegeben. In China und anderen Schwellenländern wurden Hunderte Millionen Menschen aus Not und Armut befreit. Das kapitalistische Weltsystem ist anscheinend immer noch erstaunlich erfolgreich.
Das ist wahr und bleibt selbst dann wahr, wenn man die fälligen ökologischen, menschenrechtlichen und sicherheitspolitischen Kosten und Risken gegenrechnen wollte. Nur hilft diese Einsicht wenig für die aktuelle Situation der OECD-Welt. Seit 1990 hat sich das effektive globale Arbeitsangebot verdoppelt. Frauen und Männer, deren Eltern Subsistenzbauern in Bangladesch waren, arbeiten heute als Hausangestellte und Bauarbeiter in den Emiraten. Autos werden zu-nehmend von chinesischen Arbeitern gebaut, mit mittelfristigen Effekten für Orte wie Wolfsburg oder Ingolstadt. So wird, jedenfalls ohne gewaltige Einkommensverbesserung in den Schwellenländern und einen entsprechenden Nachfrageschub, bei Stagnation der reichen Länder und anhaltenden Produktivitätsgewinnen ein globales Überangebot an Arbeitskräften absehbar, das wiederum die Löhne und Sozialeinkommen weltweit unter Druck setzt.
Vielleicht setzt die nächste technologische Revolution einen neuen langen Wachstumszyklus von Investitionen, Profit, Nachfrage und Wohlstandssteigerung in Gang?
Das ist bislang nicht absehbar. Die technologische Revolution müsste eine sein, die nicht nur viel Kapital, sondern auch viel Arbeitskraft absorbiert – wie es bei Eisenbahn oder Auto der Fall war. Selbst die Kriegsführung ist heute nicht mehr personalintensiv, sondern findet zunehmend am Bildschirm statt. Da scheint das Szenario einer Postwachstumsgesellschaft weit realistischer. Wie können wir uns Stagnation ohne Minderung des erlebten Wohlergehens leisten? Wie müssen wir unsere Vorstellung von Wohlergehen neu buchstabieren? Mit solchen Fragen beschäftigen sich heute viele kleine Denkfabriken, nur leider ohne dass eine praktikable Antwort absehbar wäre.
Ein Ansatz könnte sein, das Arbeitsangebot zeitlich zu kürzen, beispielsweise auf 21 Stunden pro Woche, und den Rest der Zeit mit anderen nützlichen Tätigkeiten statt mit Marktarbeit zu verbringen. Auch ein zeitlich beschränktes oder partielles bedingungsloses Grundeinkommen könnte eine Option sein. Die Emanzipation vom Wachstumszwang setzt jedenfalls die Befreiung vom Zwang zur Erwerbsarbeit voraus, für die Wachstum ja angeblich sorgt. Das wäre das Gegenteil von dem, was uns die Sozialdemokraten über sozialen Aufstieg für alle erzählen. Es geht vielmehr darum, den sozialen Abstieg derjenigen zu verhindern, die für den Arbeitsmarkt überflüssig sind oder ins Prekariat abgeschoben werden. Aber wer wollte so etwas dem wählenden Publikum als Perspektive anbieten?
Trotz allem produziert das alte System immer noch zivilisatorischen Fortschritt – in Europa beispielsweise in Gestalt der über Jahrzehnte friedensstiftenden Kooperation zwischen den Nationalstaaten. Wäre es nicht die Aufgabe von Politikern, die Gleichzeitigkeit von Fortschritt und möglichem Rückschritt ehrlich zu thematisieren, um aufgeklärte öffentliche Entscheidungen zu ermöglichen?
Auch die europäische Integration und ihr Fortschritt ist beides: eine marktschaffende Liberalisierungsmaschine, die sich der politischen Zähmung weitgehend entzogen hat, und Gegenstand schwacher Hoffnungen, dass man die Märkte dennoch irgendwie politisch einholen und an die Leine legen kann. Will sagen: Der fortschreitenden wirtschaftlichen Arbeitsteilung auf dem Kontinent und der gemeinsamen Währung steht noch keine europäische Demokratie gegenüber, keine gemeinsame Finanz-, Sozial- und Wirtschaftspolitik. Nur so könnte man den eindeutigen Rückschritt aufhalten, der in der Europäisierung der Märkte bei gleichzeitiger Renationalisierung der politischen Mentalitäten und Staaten besteht.
Wo manifestiert sich diese Gefahr des Rückschritts?
Die Peripherie ist Szene großer sozialer Notstände. In Ungarn, Griechenland und anderswo gewinnen antipolitische, antidemokratische, teilweise offen faschistische Parteien und Bewegungen Zulauf. Es besteht, wie wir wissen, die akute, in unserem Wahlkampf freilich lautstark beschwiegene Gefahr einer explosiven Spaltung der Währungsunion: das deutsche Europa gegen die Peripherie. Die weitere Vertiefung dieser Spaltung wäre auch wirtschaftlich ein Rückschritt, gerade für die vermeintlichen Gewinner. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sinngemäß gesagt: Wenn so etwas wie der Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers 2008 mit all seinen Folgen noch einmal passiert, dann können wir alle unsere Vorstellungen von liberaler Demokratie und Marktwirtschaft beerdigen. Hat die Politik seither dafür gesorgt, dass es nicht noch einmal passieren kann? Es sieht nicht so aus.
Die Optionen auf den Tisch zu legen, ist einer demokratischen Nation wie Deutschland durchaus zuzumuten. Warum findet das nicht statt?
Jürgen Habermas hat den treffenden Ausdruck: das „Dösen auf dem Vulkan“, in dem unsere regierenden Eliten sich gefallen: die teils opportunistische, teils einfach gedankenlos-schläfrige Art, die größten Herausforderungen der Zeit unbenannt, undebattiert und unentschieden zu lassen. Die Politik verweigert die Auskunft darüber, was passieren wird, was passieren sollte und was passieren kann, wenn nichts passiert. Sie ist, abseits der Öffentlichkeit, vom Krisenmanagement okkupiert und schon deswegen unfähig, eine Vorstellung des Fortschritts zu finden, der sie befähigen würde, den Rückschritten verlässlich Einhalt zu gebieten.
Das Gespräch führte Hannes Koch
Claus Offe, 73, arbeitet als Professor für Politische Soziologie an der Hertie School of Governance in Berlin. Der gebürtige Berliner war Ende der Sechziger Assistent bei Jürgen Habermas an der Uni in Frankfurt/Main. Seit Jahrzehnten ist er ein Wortführer linker, undogmatischer Gesellschaftswissenschaft. Er engagierte sich bei den Grünen und griff in Debatten bei der SPD ein. Offe plädiert für das bedingungslose Grundeinkommen.
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Noch mal zur Erinnerung:
Ein integrales Wirtschafts- und Bildungskonzept hat die Kraft ein BGE zu begründen und zu organisieren, durch innere und äussere Massnahmen. Die Superreichen müssten lernen zu verzichten und sich nur noch mit einfach Reinsein zufrieden stellen, zum Wohle des Individuums, der Gemeinschaft und der Mitwelt.
Integrale Politik | Breisacherstrasse 43 | CH 4057 Basel | T +41 61 811 39 49 11.01.2012
INTEGRALE WIRTSCHAFT
Kurzfassung der Positionen
Seit den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Marktwirtschaft stark im Interesse der Profitmaximierung und zugunsten des Finanzsektors ausgebaut. Es entstanden daraus problematische gesellschaftliche Entwicklungen wie die Verarmung der Mittelschichten und das Entstehen von Armut trotz Arbeit. Zudem verschlingt ein nicht nach ökologischen Kriterien reguliertes Wirtschaftswachstum die Ressourcen der Erde.
Vision
Wirtschaften dient der Erfüllung des Lebens und ist nicht Selbstzweck. Die entwicklungspolitischen Ziele der Wirtschaft (die derzeit auf Gewinnmaximierung und Massenkonsum ausgerichtet sind) richten sich vermehrt auf die Selbstentfaltung jedes Einzelnen und das Wohlergehen der Gesellschaft und unserer Erde.
Ziel
Integrale Politik möchte den Wunsch nach persönlicher Freiheit mit der Verantwortung für das Gemeinwohl vereinen:
· Der Markt findet ein neues Gleichgewicht zwischen Konkurrenz und Kooperation und orientiert sich neu am Ziel des Gemeinwohls und einer positiven Mitweltbilanz.
· Wirtschaftsentwicklung und Selbstverwirklichung des Menschen basieren beide auf qualitativem Wachstum. Damit nimmt der Verbrauch an nicht erneuerbaren Ressourcen ab und es steigen der Respekt gegenüber ökologischen Aspekten und das Interesse an nicht materiellen Ressourcen.
· Die neue Wirtschaft verhält sich konstruktiv, das heisst verantwortungsvoll gegenüber allen Menschen und der gesamten Mitwelt, qualitätsbewusst, kooperativ und kreativ.
Eine Wirtschaft im Dienst
der Welt –
durch inneres Wachstum
der Menschen
Die Wirtschaftsepoche, wie sie sich seit der industriellen Revolution bis heute entwickelt hat, geht ihrem Ende entgegen. Die Anforderungen an Produktivität und Wachstum entsprechen nicht mehr den heutigen oder künftigen menschlichen Bedürfnissen und den Herausforderungen unserer Mitwelt. Die Wirtschaft wird ihre Aktivitäten in den Dienst der menschlichen Gemeinschaft und unseres Planeten stellen. Die Wirtschaft wird so zu einer wichtigen Grundlage zur Schaffung einer neuen Gesellschaft.
Konkrete Vorschläge
1. Förderung von Unternehmen mit Gemeinwohlbilanzen
Wir unterstützen Firmen und Organisationen, die nach ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien geführt werden. Wir tun das durch aktive Förderung pionierhafter Initiativen, mit innovativen Bildungsprogrammen und interdisziplinären Forschungsprojekten. Die Triple-Bottom-Line (Planet, People, Profit) kann helfen, den Sozial- und Umweltbeitrag einer Firma zu messen.
2. Entschleunigung der virtuellen Märkte
Haltefristen für Wertpapiere und Finanzprodukte, Besteuerung von Finanztransaktionen (inspiriert durch die Tobin-Steuer) sowie Alternativen zum Zinssystem könnten helfen, eine neue Spekulationsblase zu vermeiden.
3. Banken dienen wieder der Realwirtschaft
Statt der Ausrichtung auf Vermögensverwaltung und Investment banking werden Banken wieder ihrem ursprünglichen Zweck dienen, nämlich mit Kreditvergabe und Dienstleistungen als Wertaufbewahrungsinstitute den Unternehmen der Realwirtschaft zur Verfügung stehen.
4. Lenkungsmassnahmen für nachhaltiges Wirtschaften
Die Preise beinhalten externe Sozial- und Umweltkosten (Internalisierung der Kosten). Ökologische Technologien und erneuerbare Energien werden finanziell und mit Steuererleichterungen gefördert. Giftstoffe und Verschmutzungen werden limitiert und ersetzt.
5. Höhere Konsumsteuern vermindern die Arbeitsbesteuerung
Eine gezielte Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Güter und Dienstleistungen mit einer negativen Sozial- und Umweltbilanz erlaubt eine Entlastung der Einkommenssteuer. Damit werden sowohl ein verantwortungsvollerer Konsum als auch die unternehmerische Kreativität gefördert.
6. Wir sorgen uns gemeinsam um Wasser, Erde und Luft
Die Sicherstellung einer nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen ist entscheidend zur Erhaltung einer lebenswerten Schweiz und einer zukunftsfähigen Gesellschaft. Dazu müssen wir, – die Gesellschaft –, uns gemeinsam um die natürlichen Ressourcen kümmern können. Wir möchten diesbezüglich in Betracht ziehen, den privaten Grundbesitz durch ein langfristiges Nutzungs- und Pachtrecht zu ersetzen, das vererbt werden kann.
Mögliche längerfristige Lösungsansätze
· Zur Sicherung der Existenz aller Bürger schlagen wir ein garantiertes Grundeinkommen vor.
· Wir möchten, dass der Begriff «Arbeit» um sämtliche Aktivitäten, die dem Gemeinwohl und der ganzheitlichen Entwicklung des Individuums dienen, erweitert wird.
· Die Einführung von Mindest- und Höchsteinkommen in einem Betrieb und die Beschränkung des Gesamteinkommens pro Bürger schafft eine grössere soziale Gerechtigkeit. Durch diese Verminderung der Einkommensunterschiede wird eine ausgeglichenere Wertschätzung der Arbeitsleistung erreicht.
· Neue Bewertungsmassstäbe (z.B. die Gemeinwohlbilanz) erfordern ein neues Verständnis der Unternehmensführung: Unternehmen werden nach ethischen, sozialen und nachhaltigen Grundsätzen ökonomisch – effizient und effektiv geführt.
· Forschung orientiert sich an inter- und transdisziplinären Lösungsansätzen für eine nachhaltige Gesellschaft.
· Eine Verringerung der Vermögensunterschiede durch entsprechende Änderungen der Vererbungskultur und der Erbgesetze und die Beschränkung der direkten Erbschaft auf ein angemessenes Maximum wird zu einer Erhöhung der Chancengleichheit führen. Ein noch zu definierender Erbenfond könnte geschaffen werden.
Wir freuen uns auf weitere Ideen und Initiativen dazu
Integrale Politik | Breisacherstrasse 43 | CH 4057 Basel | T +41 61 811 39 49 27.04.2011
INTEGRALE ERZIEHUNG
UND BILDUNG
Kurzfassung der Positionen
Dank der Vielfalt privater und öffentlicher Schulen wird es möglich, die überholten Aspekte des heutigen Schulsystems wie Schülerselektion, Konkurrenzverhalten, Leistungsdruck und Kontrolle zu verkleinern und bewusstseinsbildende Themen zu vergrössern. Die obligatorische Schule wird ersetzt durch eine obligatorische Bildung.
Vision
Ein integrales Bildungswesen basiert auf dem grundlegenden Wissen um die Verbundenheit allen Lebens. Es strebt die Entwicklung aller Menschen zur Intelligenz des Herzens an, indem alle Potenziale des Menschen, seine körperlichen, emotionalen, rational-intellektuellen und intuitiv-spirituellen gleichwertig gefördert und gefordert werden. Dies schafft den Raum für eine ganzheitliche Entfaltung zum Wohl des Einzelnen, der ganzen Menschheit, aller Lebewesen und der Erde.
Bildung ist eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft
Ein integrales Bildungswesen zeichnet sich aus
·durch eine wohlwollende Haltung gegenüber den jungen Menschen, die mit grosser Achtsamkeit beim Aufbau ihrer Beziehung zur Welt begleitet werden
·durch die Ermunterung, die individuellen Fähigkeiten zu entwickeln und die je einzigartigen Berufungen zu leben und dadurch ihren Beitrag zum Wohlergehen der Gesellschaft zu leisten
·durch die Berücksichtigung aller Aspekte des menschlichen Lebens, z.B. die Bewusstseinsentwicklung, die Herausforderung der Elternschaft, die Komplexität der menschlichen Beziehungen, das Verhältnis zu Tod und Sterben
·durch Unterstützung und Sensibilisierung der Eltern für ihre erzieherischen Aufgaben
·durch die Verbesserung der Kontakte zwischen den Generationen in Unternehmen und geeigneten Bildungseinrichtungen wodurch die Übertragung der Erfahrungen der Älteren auf die jüngere Generation gewährleistet wird
Ethisch verantwortlich für
die Erde sorgen –
mit ganzheitlich entfalteten
Menschen
Hauptaspekte eines integralen Bildungswesens
1. Die neuen Bildungsinhalte
Die neuen Bildungsinhalte orientieren sich vor allem:
·nach dem individuellen Lebenskontext und der persönlichen Motivation des Schülers
·nach der Vieldimensionalität des menschlichen Seins, die gleichzeitig die biologischen, psychischen, historischen, kulturellen, spirituellen und sozialen Aspekte umfasst und alle ihre Beziehungen untereinander
·nach einem systemischen Wissen, das fähig ist, die Bedürfnisse der Gesellschaft und der Erde zu erfassen
·nach ethischen Grundsätzen, die noch zu definieren sind
2. Die Anforderungen an die Forschung
Die Forschung auf Universitätsniveau definiert sich neu, indem sie interdisziplinäre und holistische Methoden entwickelt, die Evolution unserer natürlichen, sozialen und kulturellen Mitwelt berücksichtigt. Forschung beschränkt sich aber nicht nur auf die Universitäten, Forschung wird schon in der Jugend betrieben.
3. Das Bewertungssystem im Bildungswesen
Die Bewertung der Bildungsfortschritte ist je nach Altersstufe verschieden:
·Schulkinder werden in ihrer Entwicklung begleitet, indem mit ihnen Gespräche in Anwesenheit von Eltern und Lehrern geführt werden.
·Mittelschüler erhalten Bewertungen bezüglich ihrer Kompetenzen und Hinweise auf ihre persönlichen Potenziale.
·In höheren Schulen und Bildungsangeboten für Erwachsene erfolgt die Bewertung gemäss einem europäischen Punktesystem.
4. Die Organisation des Bildungswesens
Die Kantone und die Ausbildungsstätten erhalten die maximal mögliche Freiheit im Rahmen eines eidgenössischen Bildungsregulativs, das die Mobilität zwischen den Kantonen und den verschiedenen Schulmodellen sicherstellt und Minimalanforderungen definiert. Die Verbindungen zwischen Hochschulen, Berufsschulen und der Arbeitswelt entwickeln sich immer mehr. Beide Welten bereichern sich so gegenseitig.
Die ersten Schritte
1.Wir streben eine Grundschule an, deren Selektions- und Bewertungskriterien durch stärkere persönliche Begleitung ergänzt werden und die mehr Rücksicht nehmen auf das individuelle Potenzial des Schülers.
2.Wir unterstützen die Revision des Plans HarmoS in dem Sinn, dass sowohl für Lehrer wie für Schüler ein freier und leichter Übertritt zwischen den verschiedenen Schulsystemen ermöglicht wird.
3.Wir begrüssen die Schaffung und Anerkennung ganz verschiedener öffentlicher und privater Grundschulangeboten und befürworten die Freiheit der Schulwahl für alle.
4.Wir unterstützen Institutionen und pädagogische Initiativen, die Pionierarbeit leisten.
5.Wir helfen mit bei der Vernetzung des Bildungswesens, damit allen Interessierten die Informationen bezüglich neuer Erkenntnisse im Bildungswesen weltweit zur Verfügung stehen.
Wir freuen uns auf weitere Ideen und Initiativen dazu.
Lieber Claus Offe,
meiner Ansicht nach haben Sie versucht, schlau um den Brei herum zu reden.
Was bedeutete denn tatsächlich gesellschaftlicher Fortschritt (erweiterte Lebensqualität und Freiheit) bei gleichzeitiger Stagnation des Wirtschaftswachstums in den Metropolen?
Ich meine, Sie wissen das genauso gut wie ich. Mit dem derzeitigen global agierenden Kapitalismus ist Wachstum in den Metropolen abhängig vom enormen Nachholbedarf an Wachstum in der Peripherie, der dann ein paar Prozentsätze auch für die Metropolen abwerfen mag. Das geschieht weltweit mit der Konsequenz der Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich, ein Phänomen, das dem Kapitalismus immanent ist und das die Menschheit immer unfreier werden lässt.
Was also tun, um gesellschaftlichen Fortschritt zu sichern bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Stagnation?
Wir 68er haben bereits Antworten auf diese Frage gesucht, und haben das damals ehrlich getan. Heute hingegen haben sich die 68er in Universitäten und im Staatsapparat bequem gemacht und wagen aus Angst vor Verlust ihrer materiellen Privilegien und ihres sozialen Status' im Kapitalismus nicht mehr offen zu sagen, was Sache ist:
Gesellschaftlicher Fortschritt in Gestalt von grösserer Verteilungsgerechtigkeit, von erweiterten Mitspracherechten des Bürgers in einer Bürger-Republik statt BT-Parteien-Diktatur, von einem solidarischen Miteinander mit unseren europäischen Nachbarn und den Benachteiligten dieser Welt, von einem verantwortungsbewussten Umgang mit den natürlichen Ressourcen dieser Erde, ist nur zu haben über eine konsequente Veränderung unseres politischen und ökonomischen Systems. Die 68er-Generation wusste das bereits. Heute hat sie ihre eigene Polizei im Kopf, die ihnen verbietet, die Wahrheit auszusprechen. Der Materialismus hat sich tief nicht nur in den Geist sondern auch in die Seele eingefressen. Systemimmanente Kritik ja, Hofnarren gab es immer in der Geschichte, aber Aufbruch in gesellschaftlichen Fortschritt, der radikalen System-Bruch beinhaltet, nein, das wäre zuviel.
Niemand erwartet gesellschaftlichen Fortschritt in Form von grösserer persönlicher und politischer Freiheit von heute auf morgen. Aber seine Prämissen und die ersten Schritte dahin gehören in die öffentliche Diskussion, in Universitäten, in Wahlkämpfe, auf die Strassen und Plätze des öffentlichen Raumes ohne Angst vor materiellen Ausbremsungen durch die herrschende politische und wirtschaftliche Oligarchie.
Aufrichtigkeit ist das Gebot der Stunde. Unsere Kinder und Enkelkinder brauchen nicht systemimmanente schlaue Kritik, sie brauchen Visionen für erweiterte Freiheit. Deshalb mein Vorschlag, den ich in der dFC bereits mehrfach geäussert habe:
Gehen wir den gesellschaftlichen Fortschritt an durch:
1. Weiterentwicklung des kapitalistischen Systems,
2. Weiterentwicklung der derzeitigen BT-Parteien-Diktatur hin zur Bürger-Republik,
3. Weiterentwicklung einer toleranten Solidargemeinschaft mit Europa und der Welt,
4. Weiterentwicklung einer Solidargemeinschaft zwischen Mensch und Natur.
LG, CE