Starke Haltung, starke Grenzen

USA Probeaufführung mit Migrantenkindern. Donald Trump testet, wie weit er bei der Flüchtlingsabwehr problemlos gehen kann
Ausgabe 26/2018
Feindbilder bauen, das prägt diese Präsidentschaft
Feindbilder bauen, das prägt diese Präsidentschaft

Foto: Spencer Platt/Getty Images

Die Empörung war weltweit und groß, als nach und nach bekannt wurde, was zuletzt passiert ist an der Grenze der USA zu Mexiko. Beamte nahmen illegal Eingewanderten und manchen Asylsuchenden die Kinder weg und transportierten sie – verschleppten sie, wäre die angebrachte Formulierung – in Auffangstationen irgendwo in den USA. Der Papst, die Kirchen, Menschenrechtler und Journalisten äußerten Entsetzen. Trump hingegen ließ sich von seinen Getreuen umjubeln wegen seiner starken Haltung im Interesse starker Grenzen. Warum viel ändern, wenn es funktioniert? Das Prinzip gilt aus Sicht des Weißen Hauses offenbar besonders bei der Einwanderungspolitik. Während der Kontroverse um die Kinder kam Trump demonstrativ mit Amerikanern zusammen, die Opfer geworden seien von „kriminellen Einwanderern“. Er nenne diese „tapferen Amerikaner die Engel-Familien“, so der Präsident, der mit der Forderung nachlegte, man müsse „alle diese Leute, die in unser Land einfallen“, sofort und ohne Gerichtsverfahren zurückschicken. Der Präsident hat ein Gespür für die Gefühlswelten seiner Fans. Trump hat mit einer Deutlichkeit, die seine Gegner lange nicht wahrhaben wollten, verstanden: In den USA lässt sich mit Hetze und Bedrohungsszenarien Macht erlangen und die Medienwelt dominieren. „Sie bringen Drogen, sie bringen Kriminalität, sie sind Vergewaltiger“, so Trump über Einwanderer aus Mexiko, als er im Juni 2015 seine Präsidentschaftskandidatur ankündigte. Hässlich, doch gut 63 Millionen Amerikaner haben für ihn gestimmt.

Feindbilder bauen, das prägt diese Präsidentschaft. Muslime aussperren, vermeintlich elitäre Intellektuelle abdrängen, Einwanderung stoppen, denn davon sei Amerika bedroht. Das kommt an, auch wenn der eine oder andere republikanische Politiker zuweilen die Nase rümpft. Zwei Umfragen Mitte Juni erbrachten, dass eine Mehrheit der Republikaner selbst die Familientrennung befürwortet. Eine klare Mehrheit der Gesamtbevölkerung sei dagegen, doch das ist eher nebensächlich: Trump macht Politik für seine Getreuen. Und die erfahren beim Sender Fox News, die weinenden Kinder seien „Schauspieler“. Justizminister Jeff Sessions verweist auf eine Bibelpassage, dass Gläubige dem Gesetz gehorchen müssten.

Bestenfalls macht Trump nun auf Kurskorrektur, da ihm die Deutungshoheit über das Geschehen entgleiten könnte, seit der Infodienst propublica.org Audioaufnahmen von schreienden Kleinkindern in einer Grenzstation verbreitet hat. Er unterzeichnete ein Dekret, das Familien „zusammenhalten“ werde. Seine Alternative: Eltern künftig mit den Kindern einsperren, während ihre „Fälle“ bearbeitet werden. Das Magazin Time bekam ein internes Memo der US-Navy zugespielt über Pläne, auf drei ausgedienten Stützpunkten in Alabama „temporäre Zeltstädte“ für 25.000 Migranten zu errichten.

Erwogen würde auch der Bau von zwei Lagern für jeweils bis zu 47.000 Personen unweit von San Francisco und auf Camp Pendleton, einem Übungsgelände der Marineinfanterie. Verteidigungsminister Mattis bestätige Anfragen des Heimatschutzministeriums. Es zeigt sich immer und immer wieder: Wird der Präsident angegriffen, rücken seine Leute zusammen. Manche Analysen sprechen schon von einem Trump-Kult. Sollte es den geben, dann weil Amerikaner liebten, „was mein Vater tut“, so Donald Trump jr bei Fox News. Auf einer trumpistischen Webseite ist zu lesen, der Opposition platze der Kopf.

Ins Haus steht wohl ein Bericht von Sonderermittler Robert Mueller über die Russlandsache und mehr. Vielleicht kommen Anklagen. Trump und seine Leute bereiten seit Wochen den Boden, um Negatives von vornherein als parteipolitisch motiviert und daher unglaubwürdig darzustellen. Im November wird der noch von Republikanern dominierte Kongress neu gewählt. Man liest viel von einer demokratischen Welle bei diesen Zwischenwahlen, der Widerstand mobilisiere wie noch nie wegen Trump. Doch die Republikaner mobilisieren ebenfalls: Ihre Leute müssten wählen gehen, um ihren Mann zu schützen, sagen Parteivertreter, sagt Trump selbst. Nicht umsonst veranstaltet der Präsident Wahlevents von Minnesota bis Nevada für seinen Anhang. Einwanderung und die Mauer sind große Themen und werden von republikanischen Kongresskandidaten aufgegriffen. Wer weiß, wie das ausgeht.

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