FREITAG: Woran könnte ein gemeinsames Antreten von PDS und WASG bei vorgezogenen Bundestagswahlen noch scheitern?
BODO RAMELOW: Um es aus Gründen des Wahlrechts klar zu sagen, zur Bundestagswahl tritt die PDS an - und das tut sie mit offenen Listen. Es wird kein Bündnis zur Bundestagswahl geben, weil das nach dem deutschen Wahlrecht verboten ist. Je mehr solche Formulierungen in der Öffentlichkeit hin und her debattiert werden, desto mehr lädt man die Konkurrenz dazu ein, uns den Zugang zur Wahl zu versperren.
Also noch einmal: Wie weit ist das Projekt offene Listen der PDS vorangeschritten?
Wir wollen, dass sich die deutsche Linke neu formiert. Wir wollen, dass 15 Jahre nach der Einheit ein Prozess des Zusammenwachsens von Ost und West - mit den Erfahrungshorizonten der PDS und der WASG, aber auch darüber hinaus - forciert wird. Der Wahlkampf mit offenen Listen sollte der Einstieg für den Fusionsprozess einer deutschen Linken sein, die den Sozialstaat und das Thema Gerechtigkeit wieder politisch verankert. Es gibt einen Fusionsprozess und eine Neuordnung, die beide nach der Wahl in einem Zeitraum von zwei Jahren in einer sehr, sehr offenen Weise betrieben werden müssen.
Das heißt, bei der anstehenden Urabstimmung in der WASG geht es um die Frage: Sollen Kandidaten der WASG auf diesen offenen Listen antreten?
Das kann ich nicht genau sagen, da ich nicht weiß, welchen Text die WASG als eigenständiger Partner in dieser Kooperation ihrer Mitgliedschaft vorlegt. Ich kann nur bestätigen: Die PDS wird am 17. Juli einen Bundesparteitag abhalten. Dort wird der Parteivorstand - dort werde auch ich als PDS-Wahlkampfleiter - den Delegierten vorschlagen, dass wir unseren angestammten Namen PDS ändern und uns dann ab 18. Juli Demokratische Linke.PDS nennen. Damit wird nach außen ein Signal gesetzt: Es geht nicht einfach um die PDS plus irgendetwas, sondern um einen Prozess, bei dem die PDS sich einbringt, damit das Neue dann so richtig nach der Bundestagswahl wachsen und gedeihen kann.
Und was erwarten Sie parallel dazu von der WASG?
Sie muss mit ihrer Mitgliedschaft klären, dass man unter diesen Umständen auf eine eigene Kandidatur verzichtet. Wir wiederum haben unseren Landesverbänden vorgeschlagen, bilaterale Gespräche zu führen, bei denen die Möglichkeit besteht, Kandidatinnen und Kandidaten der WASG einzuladen, aber auch viele Parteilose. Es ist nicht das Ziel, irgendwie eine Partei in die andere Partei einzufädeln, sondern deutlich zu machen: Hier entsteht etwas Neues. Im Bundestag soll es künftig eine Fraktion geben, die dem neoliberalen Zeitgeist endlich ein klares Stopp-Zeichen setzt. Ich rede gern von der Ankerkette und dem starken Anker, den wir herablassen müssen, damit dieser neoliberale Tanker endlich zum Stehen gebracht wird.
Welchen Einfluss hat der Spitzenplatz von Oskar Lafontaine auf der WASG-Landesliste in NRW auf den Klärungsprozess in der Wahlalternative, vom dem Sie gerade sprachen?
Oskar Lafontaine ist für keine Landesliste nominiert worden, sondern die WASG in Nordrhein-Westfalen hat auf ihrem Landesparteitag am Wochenende so etwas wie Vorschläge erarbeitet. Wie es auch bei anderen Landesverbänden war, die Personenvorschläge debattiert und bestätigt haben. Dabei handelte es sich quasi um Voten, aber keine Listen im wahlrechtlichen Sinne. Diese Listen müssen die Landesparteitage der PDS aufstellen, aber da werden wir selbstverständlich unserem Landesverband NRW empfehlen, den Spitzenkandidaten Lafontaine für Platz eins der offenen Liste der Demokratischen Linken.PDS zu nominieren.
Um auf meine Frage zurückzukommen: Wird das von Ihnen erwartete konstruktive Agieren der WASG durch das erkennbar verstärkte Engagement von Oskar Lafontaine befördert?
Das hat er ja von Anfang an getan. Als Gerhard Schröder nach der verlorenen NRW-Wahl am 22. Mai de facto um seine Abwahl gebeten hat, ist die Debatte in wenigen Tagen durch Lafontaine erheblich beschleunigt worden. Er hat öffentlich angekündigt: Sollten WASG und PDS gemeinsam neue Wege suchen, sei er bereit zu kandidieren. Er hat so einen Diskussionsprozess erzwungen, der eigentlich - so hatte es sich die PDS vorgestellt - in einem Zeitraum von einem Jahr geführt werden sollte.
Wie sicher ist auf dem PDS-Parteitag am 17. Juli die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit, um eine Umbenennung in Demokratische Linke.PDS vollziehen zu können?
Relativ sicher, weil wir als Parteivorstand keinen Zweifel gelassen haben: Wir wollen die Öffnung nach außen über die Veränderung unseres Namens zum Ausdruck bringen. Ich bin neben den laufenden Verhandlungen auch viel auf Basisversammlungen und finde überall Zustimmung.
Man hört auch kritische Töne ...
... weil es Konkurrenz und Animositäten gibt. Die WASG hat sich in bestimmten Regionen vor allem aus einer Gegenposition zur PDS formiert. Das Spannende ist vielmehr, dass sich zum Beispiel 333 Wissenschaftler zu Wort gemeldet haben mit einer sehr denkwürdigen Initiative und auch viele Künstler sehr aufmerksam verfolgen, was wir machen.
Ist das, was Sie zuletzt gesagt haben, ein Indiz dafür, dass die offenen Listen der PDS viel mehr umfassen könnten als Politiker von WASG und PDS? In Größenordnungen auch unabhängige Persönlichkeiten?
Auch hier gilt wieder: Durch das deutsche Wahlrecht sind diese Größenordnungen begrenzt. Es kann nicht sein, dass zum Schluss mehr Parteilose und WASG-Vertreter auf den Listen stehen als PDS-Vertreter. Das hat uns auch der Bundeswahlleiter eindeutig ins Stammbuch geschrieben. Die Homogenität und Identität der einreichenden Partei muss sich auf den Listen widerspiegeln, weil wir ansonsten keine Partei mehr wären, sondern eine Wählerinitiative. Wäre dies der Fall, müssten wir vor der Wahl überall Unterschriften sammeln und hätten eine Art Supergau. Nicht, weil wir Angst vor diesen Sammlungen hätten, sondern weil unsere Mitgliedschaft dies nicht verstehen würde.
Mit anderen Worten, es gibt bei unabhängigen Kandidaten eine Quantität, die nicht überschritten werden darf.
Ja, weil Quantität irgendwann zu Qualität wird. Man muss immer darauf achten, keine der 16 Landeslisten - so unterschiedlich sie zusammengesetzt sein mögen - darf den Eindruck einer ungesetzlichen Listenverbindung von zwei Parteien erwecken. Die Landesdelegierten-Konferenzen der PDS werden eigenständig zu entscheiden haben - niemand sonst. Und der Kandidat muss überzeugen, wie etwa Frank Spieth, Thüringens DGB-Chef, der auf einer offenen Liste kandidieren will. Das ist eine wirkliche Bereicherung, weil der etwas gegen neoliberale Politik zu sagen hat.
Erleben wir in diesen Tagen auch einen Abschied von der PDS, wie sie 15 Jahre lang existiert hat? Einer PDS der Selbstbehauptung, die Ausgrenzungen überstanden hat?
Das wird kein Abschied sein. Die Veränderung der PDS, der ich beigetreten bin, die spüre ich schon seit Jahren. Da wird die Partei öffentlich schlechter geredet oder macht sich zuweilen selbst schlechter, als sie ist. Ich bin jemand, der über eine offene Liste in die PDS gekommen ist und der weder mit SED noch mit Mauerbau irgendetwas zu tun hat. Ich habe aus meiner westdeutschen Biografie heraus einen völlig anderen Zugang und bin trotzdem jemand, der in der PDS Politik macht. Was Sie angesprochen haben, die Selbstbehauptung und das Zusammenhalten gegen Ausgrenzung, das ist unsere Stärke. Das Ausgrenzen der Ostdeutschen ist heute noch erfahrene Realität und gelebte Politik. Und wenn wir dieses Land verändern wollen, dann muss die Alltagstauglichkeit von Politik auch darin bestehen, etwas von der Identität des Ostens aufzunehmen. Es geht gar nicht um die bockige Verteidigung der PDS, sondern um die bockige Verteidigung von Lebensentwürfen und gelebtem Leben. Und da spüre ich den Stolz der Menschen, die sich als PDS-Mitglieder zu gewissen Zeiten auch haben anspucken lassen. Ich spüre, dass dieser Stolz berechtigt ist, weil man sich nicht klein gemacht hat. Karriere-Politiker hätte man bei anderen Parteien werden können. Insoweit ist der Vorwurf, Altkader zu sein, ziemlich lächerlich. Von den 2,2 Millionen SED-Mitgliedern ist nicht einmal mehr eine homöopathische Dosis in der PDS. Alles andere ist reine Westwahrnehmung. Das nenne ich immer die Auseinandersetzung mit dem Antikommunismus. Insofern muss auch die deutsche Linke beginnen, ihre antikommunistische Brille abzunehmen.
Das Gespräch führte Lutz Herden
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