Steckt das Geld in die Geburtshilfe!

Gesundheitsbudget Jens Spahn will die Krankenkassenbeiträge senken. In seinem Kopf kommen Babys offensichtlich von selbst zur Welt
Ausgabe 17/2018
Lebenserhaltende Maßnahmen hat vor allem die Geburtshilfe dringend nötig
Lebenserhaltende Maßnahmen hat vor allem die Geburtshilfe dringend nötig

Foto: Imago

Die gute Nachricht zuerst: Es werden wieder mehr Kinder geboren. Jahrelang bangten Politik, Demoskopie, Wirtschaft und Rentenökonomie, dass Deutschland noch schneller den Bach runtergehen werde, wenn nicht bald ein neuer Babyboom ausbreche. Aber nun ist er da: 2016 wurden 760.652 Kinder geboren, so viel wie 1996 zum letzten Mal.

Nun die schlechte Nachricht: Die Zahl der Geburtskliniken ist in den vergangenen Jahren rapide gesunken. Gab es 1991 noch 1.186 Entbindungsstationen, waren es vor zwei Jahren noch 700. Vor allem ländliche Regionen beklagen weitere Schließungen.

Das passt nicht zusammen: mehr Babys, aber weniger Orte, wo sie mit professioneller Hilfe auf die Welt kommen können. Gerade poppt eine weitere Nachricht auf: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Krankenkassenbeiträge senken, weil die Überschüsse beim Gesundheitsbudget hoch sind. Das klingt in den Ohren der Versicherten sicher super: Der hat’s verstanden.

So kann man das sehen. Man kann aber auch fragen: Wieso stattet Spahn mit dem „überflüssigen“ Geld nicht Krankenhäuser besser aus, zum Beispiel mit mehr Personal, das besser bezahlt wird? Wieso steckt er das Geld nicht in Kreißsäle? Wieso sorgt er nicht dafür, dass wieder mehr Hebammen Geburten betreuen können? Viele Geburtshelferinnen haben sich in der Vergangenheit nämlich von ihrer ureigenen Aufgabe verabschiedet, weil die Pflichtversicherung dafür derart erhöht wurde, dass viele Hebammen sie sich nicht mehr leisten können.

Nun mag ein Großteil der Freitag-Leserschaft nicht mehr im sogenannten gebärfähigen Alter sein und fragen: Was hat das mir zu tun? Aber vielleicht hat die Leserschaft Töchter, Schwiegertöchter, Enkelinnen, die möglicherweise Mutter werden wollen. Wer betreut sie dann? Wie weite Wege sind Frauen mit Wehen zuzumuten? Schwangerschaft, Geburt, Entbindung – ein Genderthema, das an Spahn und seinen Vorgängern Hermann Gröhe (CDU) und den FDP-Männern Daniel Bahr und Philipp Rösler offenbar vorbeigeht.

Daher mal ein kleines Gedankenexperiment: Es gibt immer mehr Autos, Männer lieben Autos. Was wäre, würden Autobahnen künftig einspurig? Männer mit Prostatakrebs müssen – leider, leider – früher sterben, Experten haben Besseres zu tun. Bei Erektionsstörungen denken viele zunächst an Viagra: passt schon. Aber erektile Dysfunktion ist eine ernsthafte Krankheit, die behandelt werden muss. Was, wenn eine Gesundheitsministerin sagte: Was geht mich das an?

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Geschrieben von

Simone Schmollack

Chefredakteurin der Freitag

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