In diesem Jahr haben das Rautenstrauch-Joest Museum Köln, das MARKK Hamburg und das Linden-Museum Stuttgart Ausstellungen eröffnet, die die koloniale Verstrickung des eigenen Hauses thematisieren und so dazu beitragen ethnologische Museen in der Debatte um koloniale Aneignung zu positionieren. Anders sieht es im Berliner Humboldt-Forum aus, das Ende September einen Teil der neuen Ausstellung des Ethnologischen Museums eröffnet hat.
In der Präsentation der materiellen Kultur Kameruns bleiben die kamerunischen Perspektiven unsichtbar, während die gewaltsamen Taten der deutschen Kolonialoffiziere kaum Erwähnung finden. Dabei ist das verbindende Element der Ausstellung offensichtlich. Karl Adametz, Hans Glauning, Kurt von Pavel, Hans Caspar Gans zu Putlitz – um nur einige der Akteure anzuführen, die hier immer noch als "Sammler" eines Großteils der ausgestellten Exponate vorgestellt werden – waren alle Vertreter der Kolonialstaates, die als Offiziere der "Schutztruppe" grausame Kriege gegen widerständige einheimische Gesellschaften führten. Aus europäischer Sicht wurden diese Feldzüge oft als "Strafexpeditionen" ausgezeichnet, um dem gewaltsamen Vorgehen gegen die lokalen Gemeinschaften den Anschein der Rechtmäßigkeit zu verleihen. In ihren offiziellen Berichten erwähnten diese Offiziere daher auch zumeist nicht, dass sie Paläste und Dörfer plünderten. Wenn sie jedoch weiterhin unkritisch als „Sammler“ gekennzeichnet werden, so trägt das dazu bei, dass koloniale Denkmuster, wie die Ideen der "Rettungsethnologie" oder der "Entdeckung" unbekannter Kulturen immer wieder aktualisiert werden. Dass diese und andere problematische Bezeichnungen lediglich in Anführungszeichen gesetzt werden und den Besucher*innen der Ausstellung keine explizit kritische Auseinandersetzung mit der Terminologie angeboten wird, ist nur eines der vielen untragbaren Charakteristika der Afrika-Ausstellung im Humboldt-Forum.
Eine Tafel wagt sich beispielsweise vor und behauptet, Hans Glauning hätte möglicherweise ein Serviergefäß "während oder nach der Eroberung von Banso" "gesammelt" Steile These! 200 Soldaten und 2 Maschinengewehre kommen uneingeladen zu Ihnen nach Hause, töten 700 bis 800 Nachbarn, brandschatzen und plündern… Ein derartiges Verständnis vom "Sammeln" irritiert! Glauning wird in der Ausstellung wohl nicht zuletzt daher als "begeisterter Amateur-Ethnologe" zelebriert, weil es ihm als Leiter der Kompagnie glücklicherweise gelungen war, trotz all der Verheerungen, das am schönsten dekorierten Service der Region zu "erwerben". Dieser herausragenden "Bilanz der historischen Umstände" dank, verfügt das Humboldt-Forum Berlin nun über den materiellen Nachlass eines Massenmörders, in nun fast wirklich allen Fällen nachweisbar unrechtmäßig erworben. Denn Glauning war eigentlich viel eher dafür bekannt, einheimische Widerstandsbewegungen in Deutsch-Ostafrika wie Kamerun blutig niedergeschlagen zu haben. Ähnliches ist auch von allen anderen der eingangs zitierten Offiziere bekannt, jedoch in der Sammlung kaum wahrnehmbar.
Auffallend viele Passivkonstruktionen
Dass Hans Caspar Gans zu Putlitz an einem Feldzug gegen die Kom beteiligt war, der dazu führte, dass nun zwei imposante Thronfiguren aus diesem Krieg im Zentrum des Ausstellungssaales stehen können, ist nur in versteckten Randnotizen ersichtlich. Das viel zu kleine Foto der Beute der militärischen Expedition gegen die Kom ist kaum erkennbar und viel zu tief angebracht. Schließlich wird die Anwesenheit dieser Kriegsbeute noch durch ein von den Kurator*innen selektiertes Zitat des Kunsthistoriker Mathias Alubafi gerechtfertigt, was Fragen zu der Ausnutzung kamerunischer Stimmen zur Legitimierung der Ausstellung aufwirft.
Auf den Informationstafeln wird eine eurozentrische Geschichtsschreibung wiedergegeben, die sich ab und zu stark kolonial-revisionistischer Rhetorik, wie etwa jener der AfD annähert. An einer Stelle wird der zeitgenössische deutsche Kolonialismus zumindest als "oft von Rassismus geprägt[e] und mit Gewalt durchgesetzt[e]" Form der Fremdherrschaft beschrieben. Was in den Beschreibungen jedoch darüber hinaus evoziert wird, ist vielmehr ein beiläufiges Gefühl der Unschuld auf Seiten Deutschlands. Die Vielfalt der kamerunische Kultur- und Sprachgruppen und ihre Beziehungen untereinander scheinen den Kurator*innen zudem zu komplex und ungreifbar, um die Besucher*innen zu interessieren. Einfacher zu verstehen sei, dass "Afrikaner und Deutsche ihre je eigenen Strategien verfolgten, um Einfluss zu verteidigen oder auszubauen". Immerhin wird erwähnt, dass viele der Ersteren im Zuge dessen ihre Unabhängigkeit und ihr Leben verloren. Die Täterschaft wird jedoch kaum thematisiert und die Erläuterungen verlieren sich oft in Passivkonstruktionen. Die Sprache trägt so zu einer romantisierten und verklärten Sicht auf die koloniale Vergangenheit bei, wo es eigentlich notwendig wäre, über Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu sprechen.
In den Räumen der Ausstellung wird des Weiteren auch nicht gefragt, wie diese Objekte von Kameruner*innen gesehen werden. Die Objekte bildeten aber, laut Erklärungstext, dennoch "wichtige Grundlagen für wissenschaftliche Arbeiten von Forschern und Mitgliedern der Herkunftsgesellschaften aus aller Welt". Nur findet auch das in der Ausstellung keinen Raum. Bei all den Schwierigkeiten, die Forscher*innen aus Afrika mit dem Nachweis von Visa, Bonität und mittlerweile auch Impfausweisen haben, ist es zynisch davon zu sprechen, die Objekte seien im Schaumagazin "zugänglich gemacht" worden. Ethische Fragen wie der respektvolle Umgang mit sakralen oder symbolischen Artefakten bleiben darüber hinaus ebenfalls außen vor. Das Schaumagazin orientiert sich vielmehr an den typologischen Darstellungen von materieller Kultur in den überkommenen evolutionistischen Entwicklungsstufenmodellen. Es zeigt weder "wie unterschiedliche Sammler Objekte erwarben", noch "wie die Werke neu interpretiert wurden", denn dafür bräuchte man die Stimmen derer, die die Geschichten dieser Objekte kennen.
Stimmen, die, wie im Falle der von Rückgabeforderungen betroffenen Ngonnso-Figur durchaus zur Verfügung stünden. Gerade diese verkörperte Schöpferin der Nso verdeutlicht dabei das breite Spektrum der möglichen thematischen Auseinandersetzungen bis hin zum Objekt als Subjekt gegenwärtiger politischer Machtverhältnisse. Angesichts des gegenwärtigen Standes der Debatte um Raubkunst in deutschen Museen stehen die Kurator*innen in der Pflicht, sich zu positionieren. Die Objekte haben das Potential dabei als Fixpunkt zu dienen, der einen ernsthaften Dialog über den Umgang mit der Anwesenheit von kolonialem Kulturerbe in Deutschland und der Abwesenheit dieses Kulturerbes in Kamerun einleitet.
Schließlich scheitert die Ausstellung auch bei ihrem Versuch, antikolonialen Akteuren einen angemessenen Platz zu geben. Rudolf Duala Manga Bell wird als mondäner Kosmopolit beschrieben, der "mehrere Reisen nach Europa unternahm", obwohl er damals keine finanzielle Freiheit genoss und bei einer Gastfamilie leben musste. Wenn Sie Nachhaltigeres über die Ursachen seines politischen Engagements gegen die deutsche Kolonialherrschaft und über die Geschichte des kolonialen Kamerun lernen wollen und zudem eine zeitgemäße kuratorische Umsetzung bevorzugen, empfehlen wir Ihnen, eher ein Ticket nach Hamburg zu buchen, zur Ausstellung Hey Hamburg, kennst Du Duala Manga Bell? im MARKK.
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