Sterben muss sie dennoch

Ein umgedrehter Handschuh Das Hamburger Thalia Theater zeigt "Lulu" von Frank Wedekind als kitschverdächtiges Emanzipationsstück
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In einem kurzen cremefarbenen Kleid betritt Lulu (Fritzi Haberlandt) die nackte Bühne, deren einzige Zutat eine weiße Leinwand vor der rückwärtigen Brandwand ist. Dort stellt sich die 18-jährige Kindfrau in Positur, um sich im Auftrag ihres Ehemannes porträtieren zu lassen. Im Hamburger Thalia Theater lassen sich jedoch weder der Künstler noch der Kunstfreund blicken, und so wird Frank Wedekinds "Urgestalt des Weibes" nicht mit Pinsel und Palette, sondern von den Lichtkegeln zweier seitlich aufgestellter Scheinwerfer nachgebildet, die ein doppeltes Schattenbild auf die Leinwand werfen. Knapp zwei Stunden, drei Ehemänner und ungezählte Liebhaber später wird auf die Leinwand, die von der Rampe im Zeitraffer in die Ausgangsstellung zurück