Steuern gegen die Union

Kommentar Schröders zweiter Coup

So stark wie in den vergangenen Monaten wird die Union nie wieder sein. Aufgeblasen durch glänzende Siege bei fast allen Landtagswahlen der letzten Zeit und durch Umfragewerte nahe an der absoluten Mehrheit sahen sich die Konservativen als unbesiegbarer Riese. Mit seinem wild fuchtelnden Zeigefinger belehrte CDU/CSU-Fraktionsvize Friedrich Merz die Bundesregierung wie eine Horde ungezogener Schulkinder. Deregulierung, Flexibilisierung, Abbau von Subventionen, Rückbau des Sozialstaates - auf allen Feldern der Politik sei die Bundesregierung viel zu zaghaft.

Wenn man den Gegner nicht besiegen kann, muss man ihn kopieren, wird sich Schröder irgendwann Anfang des Jahres wohl gedacht haben. Sein erster Coup war die "Agenda 2010". Gegen die Gewerkschaften und die Linken in der eigenen Partei setzt er ein "Reformpaket" durch, das sich noch vor wenigen Jahren die FDP nicht vorzulegen getraut hätte. Das Mitgliederbegehren der Rebellen scheiterte ebenso kläglich wie der Versuch, den Kanzler auf dem Sonderparteitag in Berlin zu stoppen. Die Unionsspitze war entsetzt: Wo bleiben die Forderungen nach mehr Staat und höheren Steuern, die man dann lustvoll verdammen kann? Dabei hätten allein die Pläne der Bundesregierung zur Reform des Arbeitsmarktes die Unionsspitze nervös machen müssen, denn sie sahen zum Teil härtere Einschnitte vor, als die Union gefordert hatte. Ob kürzere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes oder Verlängerung der Lebensarbeitszeit - die SPD wilderte in den Revieren der Union. Doch so schnell wollten sich die Konservativen ihr Weltbild nicht zerstören lassen. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos etwa sprach von "Planwirtschaft" im Gesundheitswesen und kritisierte damit ausgerechnet eine Regierung, die mit Internet-Apotheken für mehr Wettbewerb sorgen will.

Ein aufgeblasener Riese ist nur so lange eine mächtige Erscheinung, wie ihm niemand die Luft ablässt. Deshalb nun Schröders zweiter Coup: Unter dem Jubel der Bild-Zeitung plant der Kanzler, die Steuern bereits 2004 "runter zu hauen" und flächendeckend Subventionen abzubauen. Und die Union, entsetzt darüber, wie Schröder so einfach ihre Forderungen erfüllen kann, lehnt die Pläne rundweg ab. "Das geht uns nicht weit genug" sagt Friedrich Merz. CDU-Chefin Angela Merkel fordert "konkrete Zahlen". Offenbar findet sie bisher nichts, was sie schlagzeilentauglich kritisieren kann. Der nordrhein-westfälische CDU-Chef Jürgen Rüttgers regt sogar an, Verfassungsklage gegen die Pläne der Regierung zu erheben. Ein deutliches Zeichen für die Probleme der Union: Wer die Richter braucht, zeigt seinen Mangel an politischer Argumentation. Dabei könnte die Opposition ganz gelassen abwarten. Auch wenn Schröder nun, auf Stimmungen reitend, bessere Umfragewerte erzielen mag - auf längere Sicht bleibt seine Politik eine konzeptionslose Mixture. In einem Land mit mit hohen Sparquoten und jetzt schon geringer Steuerbelastung auf weitere Steuersenkungen zu setzen, hat mit volkswirtschaftlicher Logik nichts zu tun.

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