Stille im Äther

Kommentar Labour-Parteitag in Bournemouth

Wie einfach war es doch vor sechs Jahren, als Blairs New Labour einen triumphalen Wahlsieg und die Übernahme der Regierungsmacht feierte. Fast alle im Lande atmeten auf nach 18 Jahren konservativer Sozialverschleiß-Politik. Hauptsache die Konservativen gehen - Blair schien ein großer Heiliger.

Auf der Jahreskonferenz der Labour Party im südenglischen Bournemouth blieb davon kaum etwas. Dabei formulierten die Kritiker, die von einer relativ jungen Riege aus Gewerkschaftsführern angeführt werden, was die Mehrheit der Parteimitglieder und eine immer größere Zahl von potentiellen Labourwählern denkt. Wie eine Umfrage der Times gerade erneut bestätigte, hält Blairs Vertrauensverlust in der Wählerschaft wegen der Invasion im Irak und der Verwicklungen in die Kelly-Affäre weiter an. Als Labour-Generalsekretär Ian McCartney von der BBC gefragt wurde, was er für das wichtigste außenpolitische Ereignis dieses Jahres halte und ob dies auch auf der Jahreskonferenz diskutiert werde, herrschte verdutzte Stille im Äther.

Blair gab sich unversöhnlich, trat die Flucht nach vorn an und redete von einer "Charakterprobe", die im Irak ebenso zu bestehen gewesen sei wie bei den Reformen im öffentlichen Diensten. Nach wochenlangem Gezerre hinter den Kulissen hatten sich die Gewerkschaften erweichen lassen, ihm die Blamage zu ersparen und zumindest das Thema Studiengebühren nicht auf der Labourkonferenz zu debattieren: Hier weiß der Premier eine klare innerparteiliche Mehrheit gegen sich. Aber die Forderung nach einer Debatte über die sogenannten Stiftungskrankenhäuser wurde durchgesetzt - eine schallende Ohrfeige für Blair. Denn Dave Prentice, Chef der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes UNISON, ließ im Vorfeld der Konferenz keinen Zweifel, dass durch die Einrichtung solcher Hospitäler nicht nur einer Zwei-Klassen-Gesundheitsversorgung einsetzen werde, sondern auch eine Zweiteilung der Angestellten. In der Gesetzesvorlage sei ausdrücklich vorgesehen, dass Stiftungskrankenhäuser Leistungen durch Leiharbeiter erbringen lassen, um Kosten zu sparen, was natürlich zur Konkurrenz um den billigsten Lohn führen werde. Für die Regierungskritiker ein symbolischer Umstand, dass Blairs Reformen eben nicht kostenlos sind, sondern teilweise mit Lohndumping bezahlt werden.

Der Premierminister täte gut daran, nach diesem Parteitag umzusteuern und nicht länger einer forcierten Privatisierung des öffentlichen Sektors das Wort zu reden, denn ein innerparteilicher Widersacher hat sich in Bournemouth durchaus profiliert. Gordon Brown, der ambitionierte Schatzkanzler, bekannte sich zum Ziel der Vollbeschäftigung und erwähnte Labour 56 mal, während ihm New Labour kein einziges Mal über die Lippen kam und schon gar nicht der Name Tony Blair. Artikulierte sich da ein neuer Premierminister, relativ unbelastet durch den Irak-Krieg und populär an der Parteibasis?

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